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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Vor 90 Jahren: Vereinigung schafft revolutionäre Massenpartei

Prof. Dr. sc. Heinz Karl, Berlin

 

In der gesamten Geschichte der sozialistischen Arbeiterbewegung ist das einheitliche Handeln für gemeinsame Interessen und Ziele ein Kernproblem, denn es entscheidet über den Erfolg. Dabei geht es immer um die Aktionseinheit der Massen, es kann aber auch um die politisch-organisatorische Einheit gehen.

Die Vereinigung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei ("Eisenacher") und des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins ("Lassalleaner") 1875 schuf eine sozialistische Massenpartei, die in nur 15 Jahren – davon 12 Jahren Illegalität unter dem "Sozialistengesetz" – zur wählerstärksten Partei Deutschlands wurde.

Die Vereinigung von KPD und SPD 1946 war die Voraussetzung für eine tiefgreifende antifaschistische, antiimperialistische Umwälzung im Osten Deutschlands und für die erstmalige (und bis jetzt einmalige) Realisierung sozialistischer Ideen, Gesellschafts- und Lebensformen auf deutschem Boden.

Die Vereinigung der Linkspartei.PDS und der WASG zur Partei DIE LINKE führte zu einer unbestreitbaren Stärkung der mit sozialistischem Anspruch wirkenden Kräfte in Deutschland und eröffnete neue Perspektiven des Kampfes gegen die Politik des Großkapitals, für sozialen Fortschritt, Demokratie und Frieden.

In diesem Kontext ist es angebracht, an ein Ereignis vor 90 Jahren zu erinnern. Auf einem Parteitag im Berliner Lehrervereinshaus (am Alexanderplatz) vom 4. bis 7. Dezember 1920 beschlossen 349 Delegierte der USPD (Linke) und 136 Delegierte der KPD (Spartakusbund), beide Parteien zur Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands (VKPD) zusammenzuschließen. Damit entstand eine kommunistische Massenpartei von rd. 250.000 Mitgliedern [Wie eine kritische Durchsicht der verschiedenen Quellen ergibt. Die häufig genannte Zahl von 300.000 ist nicht zu belegen, noch viel weniger zeitgenössische Angaben von 400.000 oder gar 500.000.], von denen rd. 80.000 aus der bisherigen KPD, die große Mehrheit aus der bisherigen USPD kamen.

Zu diesem wesentlichen Einschnitt in der Geschichte der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung führten mehrere Entwicklungslinien: die Opposition gegen die Politik des 4. August 1914 und der Unterstützung der imperialistischen Kriegspolitik, die 1917 zur Gründung der USPD [Vgl. H. Karl: Die USPD (1917-1922). In: Mitteilungen der Kommunistischen Plattform, Heft 8/2004, S. 11 - 18.] führte; die Sammlung der konsequenten Gegner des Krieges und der Herrschaft des Großkapitals und Junkertums um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg und deren Konstituierung als KPD (Spartakusbund) Ende 1918; die wachsende Linksentwicklung in der USPD infolge der Erfahrungen seit der Novemberrevolution sowie des Einflusses der KPD und der im März 1919 gegründeten Kommunistischen Internationale (KI) – eine Entwicklung, die sich vor allem nach dem Kapp-Putsch [Vgl. H. Karl: Arbeitereinheit rettet Republik. In: Mitteilungen der KPF, Heft 3/2010, S. 16 - 21.], dem Erleben der erfolgreichen Aktionseinheit vieler Millionen (und zugleich ihrer Zerschlagung durch den sozialdemokratischen Opportunismus), verstärkte und beschleunigte.

Alle diese Erfahrungen entwickelten und festigten den Willen, alle revolutionären Kräfte der deutschen Arbeiterbewegung in einer revolutionären, vom Marxismus geleiteten Partei zusammenzufassen, die fähig wäre, als politische Vorhut im Kampf gegen das Kapital, die bürgerlich-junkerliche Reaktion und das durch sie geprägte Herrschaftssystem zu führen. In der USPD drückte sich dies vor allem darin aus, daß ihr linker Flügel, der zunehmend Mehrheitspositionen errang, sich für den Anschluß an die KI zu den von ihrem II. Weltkongreß (Juli/August 1920) beschlossenen Aufnahmebedingungen erklärte. Die "21 Bedingungen" forderten eine konsequente Orientierung auf die Beseitigung der kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse, intensive Arbeit mit den Massen und in ihren Organisationen in diesem Sinne, konsequenten Antimilitarismus, bei Unterbindung der legalen Betätigung Übergang zur illegalen Arbeit, einheitliches, diszipliniertes Handeln, die Überwindung jeglicher opportunistischer Einflüsse und die Trennung von deren Verfechtern. [Vgl. Der I. und II. Kongreß der Kommunistischen Internationale, Berlin 1959, S. 236 - 242.]

In einer Urabstimmung sprachen sich 144.000 USPD-Mitglieder für den Anschluß an die KI aus und nur 91.000 dagegen. Der folgende USPD-Parteitag in Halle (12. - 17. Oktober 1920) beschloß mit 236 gegen 156 Stimmen den Anschluß an die KI und die Vereinigung mit der KPD (Spartakusbund).

Der Vereinigungsparteitag im Dezember 1920 nahm als programmatisches Dokument einstimmig ein "Manifest an das deutsche und das internationale Proletariat" an, in dem er als Konsequenz aus den Niederlagen 1918-1920, "weil es an einer leitenden revolutionären Partei fehlte", die "Bildung einer großen revolutionären Partei als Leiterin im Kampf" [Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. VII, 1. Halbbd., Berlin 1966, S. 367.] begründete. Das Manifest orientierte darauf, in einer revolutionären Situation den Kampf um die Rätemacht aufzunehmen, mahnte aber auch, "in jeder Situation zu prüfen, wie weit wir unsere Linien vorrücken können" [Ebenda, S. 369.].

Zugleich orientierte das Manifest auf "die energische, warme, rückhaltlose Unterstützung der Teilkämpfe der Arbeitermassen", darauf, "jede Bewegung, die auf die Linderung der Not abzielt, mit aller Kraft [zu] unterstützen" [Ebenda, S. 368.]. In diesem Sinne entwickelte der Parteitag ein weitgespanntes Programm für das Eingreifen der Partei in die sozialen Kämpfe. Entsprechende Beschlüsse orientierten auf eine intensive Arbeit in den Gewerkschaften, um die Lohnkämpfe erfolgreich zu führen, der Arbeitsgemeinschaftspolitik entgegenzuwirken, Betriebsstillegungen zu verhindern und die Abwälzung der Krisen- und Reparationslasten auf die Massen zu bekämpfen. Große Aufmerksamkeit fand die zunehmende Arbeitslosigkeit. Es müsse verhindert werden, daß Arbeitende und Arbeitslose gegeneinander ausgespielt werden. Entschieden sei für eine Verkürzung der Arbeitszeit zu kämpfen. Man müsse sich auch den breiten Massen der mittleren und unteren Beamten zuwenden, deren Lage sich rapid verschlechtere, und aktive Solidarität mit ihren Widerstandsaktionen üben.

Betont wurde die bedeutende und wachsende Rolle des Kampfes um die Befreiung der Frau, "des zahlenmäßig stärksten Teiles der Arbeiterklasse" [Ebenda, S. 397.], die als Arbeiterinnen stärker ausgebeutet werden als die Männer. Die betriebliche und gewerkschaftliche Frauenarbeit müsse sich auf die Frauenberufszweige konzentrieren; insgesamt dürfe man aber nicht nur die erwerbstätigen Frauen im Blick haben, sondern ebenso die Hausfrauen. Innerhalb der Partei müsse man sich ernsthaft bemühen, Frauen in verantwortliche Funktionen zu bringen und sie systematisch darauf vorbereiten. Richtlinien zur Jugendbewegung stellten zahlreiche konkrete Aufgaben zur Unterstützung der Jugendorganisation durch die Partei, unterstrichen aber vor allem, "daß nur eine selbständige Jugendbewegung erfolgreich arbeiten kann. Die psychologische Eigenart der Jugend" [Ebenda, S. 385.] müsse unbedingt berücksichtigt werden.

Der Vereinigungsparteitag beschloß ein Agrarprogramm, das die Enteignung des Großgrundbesitzes forderte, aber Klein- und Mittelbauern ausdrücklich ihr Eigentum garantierte. Die fehlerhafte Forderung des Spartakusprogramms nach Enteignung der landwirtschaftlichen Mittelbetriebe war getilgt. Klein- und Zwergbauern sollten Teile des enteigneten Großgrundbesitzes erhalten. Hauptmangel des Agrarprogramms war, daß die aktuellen Probleme und Forderungen der werktätigen Bauern – die staatliche Zwangswirtschaft, der Steuerdruck und der Zinswucher – nicht berücksichtigt wurden.

Als paritätische Vorsitzende der vereinigten Partei wurden Ernst Däumig (bisher USPD) und Paul Levi (bisher KPD) gewählt, als Sekretäre der Zentrale: Heinrich Brandler, Otto Brass, Wilhelm Koenen, Wilhelm Pieck, Hermann Remmele, Walter Stoecker und Clara Zetkin, als weitere Mitglieder: Otto Gäbel, Curt Geyer, Fritz Heckert, Adolph Hoffmann und August Thalheimer. Von den Zentrale-Mitgliedern kamen 8 aus der USPD und 6 aus der KPD (Spartakusbund).

Durch die Vereinigung war nicht nur eine mitgliederstarke Massenpartei entstanden. Sie verfügte jetzt auch über beachtliche Positionen in Gewerkschaften und Betriebsräten, auf kommunaler Ebene (vor allem in Mitteldeutschland und im Rhein-Ruhr-Gebiet) und eine Reichstagsfraktion. Damit waren die Handlungsmöglichkeiten erheblich gewachsen – und auch das Kraftbewußtsein.

Dies führte aber zum Teil auch zu einer Überschätzung der eigenen Kräfte. Das widerspiegelte sich auch im programmatischen Manifest des Parteitages, wo es beispielsweise hieß: "Die Vereinigte Kommunistische Partei hat Kraft genug, um, wo die Ereignisse es erlauben oder es erfordern, auf eigene Faust in Aktionen zu treten." [Ebenda, S. 368.]

Das sollte sich schon wenig später – im März 1921 – rächen, als die junge Partei auf die blutige Provokation der sozialdemokratischen preußischen Regierung in Mitteldeutschland hereinfiel. Mit Hilfe der KI und insbesondere Lenins wurde diese Scharte ausgewetzt. In den Jahren 1921 - 1923 schritt die im Dezember 1920 formierte Partei mit der Entwicklung einer breiten Einheitsfrontpolitik voran.

Basis der geschaffenen Einheit waren die gemeinsamen Kampferfahrungen und die einheitliche, durch den revolutionären Marxismus geprägte programmatische Grundlage. Dies bestätigte die früheren Erfahrungen und sollte durch künftige abermals erhärtet werden.

 

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2010-11: Ein Wendepunkt in der Entwicklung der KPD

2010-07: Volksfront gegen Faschismus und Krieg!

2010-05: Zur Personalstruktur des MfS der DDR und des entsprechenden Behördensystems der BRD