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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Vor 75 Jahren begann der Spanische Krieg

Prof. Dr. sc. Heinz Karl, Berlin

 

Am 17. Juli 1936 rissen reaktionäre Offiziere in Spanisch-Marokko durch einen bewaffneten Putsch die Macht an sich. Am 18. Juli funkte der von ihnen kontrollierte Sender Ceuta: "Über ganz Spanien wolkenloser Himmel." Das war die verabredete Parole für einen Militäraufstand in ganz Spanien. Was war dem vorausgegangen?

Die spanische Gesellschaft der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts war durch tiefe Widersprüche gekennzeichnet. Der größere Teil des Landes war agrarisch-rückständig, dominiert von feudalen Großgrundbesitzern; aber es gab auch schon – in Katalonien, in Asturien und dem Baskenland, Andalusien und Madrid – eine beachtliche Industrie und ein kämpferisches, aber nur zum Teil großindustrielles Proletariat. Deshalb hatten die Anarchisten und ihre Gewerkschaft in der Arbeiterbewegung starke Positionen. Großen Einfluß – vor allem auf dem Lande – hatte die katholische Kirche, aber es gab in der Arbeiterklasse und im Kleinbürgertum auch eine starke antiklerikale Strömung.

Unter diesen Bedingungen war 1931 die Monarchie der Bourbonen gestürzt und die Republik errichtet worden. 1933 hatte die großbürgerliche Regierung einen Generalstreik und Massenaktionen der asturischen Bergarbeiter blutig niedergeschlagen. Anfang 1936 fanden sich die Kommunisten, die (reformistischen) Sozialisten und die bürgerlichen Republikaner zu den bevorstehenden Wahlen in einer Volksfront zusammen [Vgl. Fritz Teppich: Arbeitermacht oder Volksfront? Krieg und Revolution in Spanien. In: Kalaschnikow, 4/96, S. 20-29.]. Die Anarchisten, die den Parlamentarismus grundsätzlich ablehnten, schlossen sich nicht an, stellten aber ihren Anhängern die Wahlbeteiligung frei. Zu diesem Weg der Volksfront und des Ringens um die Bildung einer Volksfrontregierung gab es keine Alternative. Das ergab sich schon aus dem gesellschaftlichen, politischen Kräfteverhältnis, wie es das Wahlergebnis vom 16. Februar 1936 deutlich widerspiegelte. Die Parteien der Volksfront konnten zwar (auf Grund des Wahlsystems) fast zwei Drittel der Mandate erringen, aber die Parteien der Rechten und der rechten Mitte gewannen dennoch mehr Stimmen als die Parteien der Linken und der linken Mitte, was die begrenzte soziale Basis einer fortschrittlichen Politik verdeutlichte. Innerhalb der Volksfront entfielen auf die Arbeiterparteien etwa 40%, auf die bürgerlichen Parteien etwa 60% der Stimmen.

Der Putsch löste eine starke Gegenbewegung aus und wurde zunächst im größeren Teil Spaniens niedergeschlagen, wobei die Arbeitermassen, die von den linken Parteien in Milizen organisiert wurden, auch die Unterstützung von Teilen der Armee und der Polizei fanden. Marine und Luftstreitkräfte stellten sich fast vollständig auf die Seite der republikanischen Regierung. Der Erfolg des Putsches hing entscheidend davon ab, daß es den Putschisten gelang, ihre zuverlässigsten Kräfte, die Fremdenlegion und die marokkanischen Söldner aus Marokko nach Spanien zu bringen.

Intervention gegen die Republik

Deshalb spielte die militärische Intervention der beiden faschistischen Großmächte eine ausschlaggebende Rolle. Hitlerdeutschland entsandte ein als "Freiwilligen"-Verband getarntes Expeditionskorps, das ständig 15.000-20.000 Mann umfaßte, vor allem Angehörige der Luftwaffe – weshalb sie auch den Namen "Legion Condor" erhielt –, aber auch Panzer-, Artillerie-, Marine- und Spezialeinheiten. Mussolini schickte mehrere Divisionen "Freiwillige", die an Brennpunkten als geschlossene Korps eingesetzt wurden. Die erste Aufgabe der "Legion Condor" bestand darin, die Truppen der Putschisten aus Marokko nach Spanien zu bringen – auf dem Luftwege, denn der Seeweg wurde von der republikanischen Marine kontrolliert. Die erfolgreiche Bewältigung dieser Aufgabe verbesserte die Lage der Putschisten enorm und ermöglichte die Entwicklung ihrer Offensive in Richtung Madrid. Im weiteren spielte die Legion ihre gewichtigste Rolle als sehr wirkungsvolle Luftstreitmacht. Darüber hinaus überzog sie die Zivilbevölkerung mit einem gnadenlosen Bombenterror, wie den dreistündigen Luftangriff auf Guernica am 26. April 1937.

Der Überfall der faschistischen Großmächte auf die Spanische Republik rief die bis dahin mächtigste Welle internationaler Solidarität hervor. In einer Richtlinie an die Emigrationsleitungen der Partei in den Exilländern und an die illegalen Parteiorganisationen in Deutschland betonte das ZK der KPD:

"Der Kampf um die spanische Demokratie ist zur zentralen Frage des Kampfes zwischen Demokratie und Faschismus in der Welt geworden" [Pasaremos. Deutsche Antifaschisten im nationalrevolutionären Krieg des spanischen Volkes, Berlin 1970, S. 50.]. Markantester Ausdruck dieser Solidarität waren Freiwillige aus vielen Ländern, die nach Spanien eilten, um sich in die Streitkräfte der Republik einzureihen – insgesamt etwa 35.000. Aus ihnen wurden nach und nach fünf Internationale Brigaden und weitere ihrer Zusammensetzung nach internationale Truppenteile formiert. Am 7. August 1936 forderte das ZK der KPD alle militärisch ausgebildeten deutschen Antifaschisten im Exil auf, sich der spanischen Volksfront zur Verfügung zu stellen. Die meisten deutschen Kämpfer waren schließlich in den Bataillonen "Edgar André", "Thälmann" und "Hans Beimler" vereinigt, die dann in der XI. Internationalen Brigade zusammengefaßt waren.

Es waren sehr verschiedene Deutsche, die sich in Spanien, durch die Frontlinie getrennt, gegenüberstanden. Ernest Hemingway schrieb 1938: "Da sah ich Deutsche, die saßen in den Heinkel- und Junkersflugzeugen; sie kamen in Überzahl, flogen über friedliche Dörfer, warfen ihre Bomben ab, pulverisierten die Häuser der Bauern, verbrannten die Ernte ... Unten aber, über die Ufer des Ebro, zog auf alle Gefahr hin das Bataillon ‘Thälmann’ und andere deutsche Bataillone. Sie wagten alles, wußten, daß ihnen in Gefangenschaft der Tod drohte, aber sie führten ihren Auftrag aus, griffen an, siegten. Sie verpflegten später die Flüchtlinge aus den zerstörten Dörfern, sie nahmen sich der Kinder an, sie machten gut, was die Junkers schlecht gemacht hatten. Sie waren wahre, achtenswerte Deutsche ... Ich grüße diese Deutschen und verfluche die anderen, die in den Junkers sitzen, samt denen, die die feigen Bombenschmeißer da unten hingeschickt haben." [Ebenda, S. 276.]

Die einen wie die anderen Deutschen haben Namen und Gesicht. Da war bei den Bombenschmeißern Heinz Trettner. Als Hauptmann und Staffelkapitän nahm er an der Vernichtung Guernicas und der Ermordung seiner Bewohner teil; 27 Jahre danach wurde er Generalinspekteur der Bundeswehr. Oder Johannes Trautloft, einer der ersten sechs Jagdflieger, die im Juli 1936 in Spanien eintrafen. Er legte eine Akte über sich an in Gestalt eines Buches "Als Jagdflieger in Spanien". Welche Begeisterung ihm da die Feder führte! "Im Tiefflug jagen wir unsere MG-Garben in den Feind, sehen, wie Lastkraftwagen, jäh des Führers beraubt, seitwärts sausen und sich überschlagen. Menschen kriechen hervor, viele torkeln, fallen, bleiben liegen ... Wohl nichts mag den Soldaten tiefer zu befriedigen, als der Anblick einer kopflosen, panischen Flucht ..." [Braunbuch. Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik. Staat/Wirtschaft/Armee/Verwaltung/Justiz/Wissenschaft, Berlin 1965, S. 194.] (S. 75). 1956 erklärt er: "Das Wirken der ‘Legion Condor’ in Spanien muß der bundesdeutschen Jugend als Vorbild dienen." 1965 war Trautloft Generalleutnant der Bundeswehr und Kommandierender General der Luftwaffen-Gruppe Süd.

Andere Veteranen der "Legion Condor" in der Bundeswehr waren Generalmajor Hermann Aldinger, Inspizient der fliegenden Verbände, und Generalmajor Friedrich Carl Schlichting, Stellvertretender Inspekteur der Luftwaffe [Vgl. ebenda, S. 173, 194-196, 200.].

Auf der anderen Seite standen zum Beispiel Hans Kahle, Kommandeur der 35. Division der Spanischen Republik, bis zu seinem frühen Tod 1947 Landespolizeichef von Mecklenburg-Vorpommern; Richard Staimer, Kommandeur der XI. Internationalen Brigade, nach 1945 Landespolizeichef von Brandenburg und Generalmajor der Nationalen Volksarmee; Heinrich Rau, Kommandeur der XI. Internationalen Brigade, seit 1949 Minister, später stellvertretender Ministerpräsident der DDR; oder Heinz Hoffmann, in der Schlacht von Brunete 1937 schwer verwundet, seit 1961 ein Vierteljahrhundert Verteidigungsminister der DDR.

Militärische Hilfe erhielt – abgesehen von der hochherzigen Übersendung von 35.000 Gewehren durch das vom demokratischen Präsidenten General Lazaro Cardenas regierte Mexiko – die Spanische Republik nur von der Sowjetunion. Sie lieferte alle Flugzeuge, alle Panzer, die meiste Artillerie und große Mengen anderes Kriegsmaterial, mit dem die republikanische Armee 1937-1939 kämpfte. Das meiste mußte auf dem Seewege durch das vom faschistischen Italien kontrollierte Mittelmeer herangeschafft werden. Zahlreiche sowjetische Schiffe wurden von "U-Booten unbekannter Nationalität" versenkt. Der sichere Weg über französisches Territorium konnte kaum genutzt werden, da die französische Regierung unter dem ständigen Druck der reaktionären britischen Regierung über längere Zeiträume die Grenze sperrte. Etwa 3.000 Angehörige der Roten Armee waren in den republikanischen Streitkräften tätig, als Militärberater, Flieger, Panzerbesatzungen, Artilleristen, Marine- und technische Spezialisten. Hervorzuheben sind die Militärberater Grigori M. Stern (Grigorowitsch), die späteren Marschälle Malinowski (später Verteidigungsminister), Merezkow und Woronow, Armeegeneral Batow (später Chef des Stabes der Vereinten Streitkräfte) und General Rodimzew, der 1942 mit seiner Division Stalingrad verteidigte.

"Revolutionäre Milizen" oder handlungsfähige Volksarmee?

Ein sehr ernstes Problem war, daß die Republik erst nach etwa einem Jahr eine stabile und kompetente militärpolitische und operative militärische Führung herauszubilden vermochte. Ein wesentliches Moment dessen war, dass die bitter notwendige Umwandlung der von den Parteien formierten Milizen in eine reguläre Volksarmee mit straffer Disziplin und militärfachlicher Professionalität immer wieder verzögert und behindert wurde, vor allem von Teilen der Anarchisten und von der linksradikalen POUM ("Arbeiterpartei der marxistischen Vereinigung"). Das führte dazu, daß die relativ günstige Situation in den ersten Monaten nach dem Putsch, als die Putschisten noch unter dem Eindruck eines teilweisen Scheiterns standen, zahlenmäßig schwächer als die Republikaner und ihnen noch nicht materiell-technisch überlegen waren, nicht genutzt wurde. Das spielte besonders an der Aragon-Front, an der bis Mitte 1937 Anarchisten und POUM dominierten, eine Rolle. Wie ein Zeitzeuge, der der POUM nahestand und Gegner der Umwandlung der "revolutionären Milizen" in eine reguläre Armee war, einräumt, war es im Huesca-Abschnitt noch im Frühjahr 1937 "nicht viel gefährlicher als es auf einer belebten Verkehrsstraße in Paris oder London sein mag. ... Der Miliciano lebte an der Front gewöhnlich einen faulen Tag. ... Militärisch hat sich dieser inoffizielle ‘Waffenstillstand’ an der Aragón-Front nur für den Feind günstig ausgewirkt." [Waldemar Bolze: Drei Monate an der Huescafront (April bis Juni 1937). In: Der spanische Bürgerkrieg. Hrsg. v. der Gruppe Arbeiterstimme, (München 2002), S. 156, 160, 169.] Das ermöglichte es den Faschisten, ihre kampfkräftigsten Verbände (Fremdenlegion, Marokkaner, fanatische Monarchisten usw.) in der Madrider Hauptrichtung zu konzentrieren und dort bestimmte Erfolge zu erzielen. Die in erbitterten Kämpfen schwer ringende Madrider Front wurde nicht entlastet.

Diese komplizierte militärpolitische Situation ist aber im Zusammenhang damit zu sehen, daß von von Anarchisten und POUM ein starker linksradikaler Druck ausging, daß versucht wurde, an Stelle der Orientierung auf eine breite antifaschistische Volksfront eine Orientierung auf den unmittelbaren Übergang zur proletarischen Revolution durchzusetzen. Aber jeglicher Versuch, gewaltsam und ohne Unterstützung, ja gegen eine Mehrheit der Kräfte der Volksfront eine solche Entwicklung zu erzwingen, konnte nur den Widerstand gegen den Faschismus untergraben. Unter dem Druck der Realitäten und der politischen Erfahrungen setzte sich eine realistische Orientierung durch. Ohne die erreichte Eindämmung und Zurückdrängung dieser abenteuerlichen, ultralinken Tendenzen wäre es der Republik nicht möglich gewesen, sich bis zum Frühjahr 1939 zu behaupten [Vgl. Heinz Karl: Probleme gemeinsamen Kampfes gegen den Faschismus und Lehren des Spanischen Krieges (1936-1939). In: Mitteilungen der KPF, Heft 6/2008, S. 25-28; Ders.: Linke Widerstände gegen die Volksfrontpolitik. In: Marxistische Blätter, 3/97, S. 74-77.].

Die Streitkräfte der Republik festigen sich und legten Beweise ihrer gewachsenen Kampfkraft (Schlacht von Brunete im Juli 1937, Einnahme von Teruel im Januar 1938, Übergang über den Ebro im Juli 1938) und eines höheren Niveaus der militärischen Führung ab. Aber das Kräfteverhältnis veränderte sich immer mehr zu Ungunsten der Republik. Die zahlenmäßige Überlegenheit der Faschisten nahm immer mehr zu, ihr materielles Übergewicht wurde erdrückend. Im Frühjahr 1939 ging Katalonien verloren. Die kampferfahrensten und standhaftesten Kräfte der republikanischen Armee mußten über die französische Grenze gehen. Die in der Zentralzone um Madrid, Valencia, Cartagena stehenden Armeen waren durch den Abzug der kampfstärksten Divisionen an die katalonische Hauptfront geschwächt. Im Hinterland machte sich bemerkbar, daß die meisten aktiven antifaschistischen Kader an die Front gegangen waren. Das Münchener Komplott (September 1938) wirkte auf auf schwankende Kräfte in der Volksfront (die rechten Flügel von Anarchisten und Sozialisten sowie bestimmte Berufsoffiziere) demoralisierend. Am 28. Februar 1939 erkannten Großbritannien und Frankreich das Franco-Regime als legitime Regierung Spaniens an. Am 4./5. März 1939 errichtete der Stabschef der Truppen in der Zentralzone, Oberst Casado, mit Unterstützung anarchistischer und rechtssozialistischer Politiker faktisch eine Militärdiktatur. Von der Front abgezogene anarchistische Truppen entfesselten den Terror gegen Kommunisten und andere Antifaschisten. Das führte zum Zusammenbruch der Front. Am 28. März 1939 wurde Madrid von den Franco-Truppen besetzt.

Auch wenn die Spanische Republik in einem sehr ungleichen Kampf, unter komplizierten inneren und sehr ungünstigen äußeren Bedingungen eine Niederlage erlitten hat, mindert das kaum ihre Bedeutung. Eric Hobsbawm hat diese Bedeutung des spanischen Beispiels sehr treffend umrissen: Es sollte "die Kräfteformation ausbilden und vorbereiten, die ... den Faschismus zerstören konnte ...: jene einzigartige Allianz der nationalen Fronten, von patriotischen Konservativen bis hin zu Sozialrevolutionären, zur Vernichtung des nationalen Feindes und zur gleichzeitigen sozialen Regeneration." Es zeigte, "daß eine im wesentlichen defensive Taktik ... neue Entwicklungsperspektiven eröffnen konnte (‘eine neue Art von Demokratie’). ... Die Logik des antifaschistischen Krieges führte nach links." [Eric Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, (Wien 1995), S. 208-210.]

Für die historische Fundierung des heutigen Kampfes gegen faschistische und ähnliche Gefahren ist das 1936-1939 sich vollziehende spanische Drama in doppelter Hinsicht von besonderer Bedeutung. Zum einen, weil es eben das Beispiel eines fast dreijährigen hartnäckigen, heroischen Widerstandes gegen eine von beiden faschistischen Großmächten unterstützte faschistische Konterrevolution gegeben hat. Zum anderen, weil es viele Erfahrungen – positive wie negative – liefert, die auch heute noch relevant sind.

 

Mehr von Heinz Karl in den »Mitteilungen«: 

2010-12: Vor 90 Jahren: Vereinigung schafft revolutionäre Massenpartei

2010-11: Ein Wendepunkt in der Entwicklung der KPD

2010-07: Volksfront gegen Faschismus und Krieg!