Vor 70 Jahren wurden Charlotte und Erich Garske ermordet
Eberhard Butter, Berlin
Das für die KPD zuständige Referat der Gestapo Düsseldorf schrieb an seine Berliner Partner Ende Januar 1943: "Nach weiteren Ermittlungen konnte die Berliner Adresse von Alfred [1] ermittelt werden. Er wohnt illegal bei den Eheleuten Erich und Lotte Garske, …, in Berlin. Erich Garske steht dabei im Verdacht als technischer Bauzeichner die illegalen Schriften mit Karikaturen illustriert zu haben. Auch bei Lotte Garske besteht dringender Verdacht, dass ihre illegale Tätigkeit über die Beherbung [2] des Alfred weit hinausgehe. Es steht fest, dass sie im November 42 im Westen einen illegalen Funktionär mit Manuskripten und Wachsbögen zur Herstellung von illegalen Schriften versorgt habe… Ich bitte um sofortige Festnahme der Eheleute Garske und evtl. Mittäter. Durch verschärfte Vernehmung der Eheleute Garske müsse es möglich sein, Alfred und durch diesen seine Mittäter zu ermitteln…" [3]
Nach ihrer Verhaftung im Januar und Februar 1943 verurteilte sie am 9. November 1943 der Volksgerichtshof (VGH) zum Tode. Erich Garske wurde am 13. Dezember und Charlotte Garske am 16. Dezember 1943 in Berlin-Plötzensee ermordet.
Der VGH klagte sie vor allem deshalb an, weil sie bereits 1934 und 1935 und auch im Kriege "… im Zusammenhang mit dem Mitglied des Zentralkomitees der illegalen KPD, Wilhelm Knöchel, den kommunistischen Hochverrat vorbereitet und den Feind begünstigt …" hätten. [4]
Auch im Gefolge der Niederlagen der faschistischen Armeen bei Stalingrad und in Nordafrika wurde der Terror nach innen verschärft. Hitler ernannte sich 1942 zum "Obersten Gerichtsherren", griff in laufende Prozesse ein und änderte Freiheitsstrafen in Todesurteile um. Zivilgerichte sprachen in politischen Prozessen 1943 – vorwiegend gegen Kommunisten – 5.600 Todesurteile aus. [5]
Der kommunistische Widerstand musste schmerzliche Verluste hinnehmen, konnte aber nicht eliminiert werden. Immer wieder entstanden neue Zellen und Gruppen. Das ZK der KPD in Moskau versuchte auch 1942/1943, den Widerstand in Deutschland besser zu koordinieren und eine operative deutsche Leitung aufzubauen. Sie entsandte dazu Instrukteure, zu denen Wilhelm Knöchel gehörte. Er kam mit seiner Gruppe aus dem Exil illegal nach Deutschland zurück. [6] Auch sie wurde restlos zerschlagen und die führenden Mitglieder wurden ermordet.
Die Eheleute Garske stellten bereits 1934 ihre Wohnung in Berlin-Mitte den illegal eingereisten Instrukteuren des ZK der KPD zur Verfügung, so Eugen Schwebinghaus, einem Mitarbeiter Robert Stamms, die beide ebenfalls ermordet wurden. [7]
Erich Garske fertigte satirische Zeichnungen für die von Wilhelm Knöchel herausgegebenen Schriften "Die Freiheit", "Der Friedenskämpfer", "Der patriotische SA-Mann" und "Ruhr-Echo" an. Seine Frau reiste als Kurier Wilhelm Knöchels ins Ruhrgebiet und organisierte illegale Treffen mit den jeweiligen ZK-Beauftragten.
Charlotte Garske wurde am 4. Dezember 1906 in Berlin geboren und arbeitete nach kaufmännischer Lehre als Kontoristin. Mit dem Bauhilfsarbeiter und Bauzeichner Erich Garske, der am 21. November 1907 geboren wurde, schloss sie 1933 die Ehe. Sie hatten sich in der politischen Arbeit in der KPD und im Fichte-Sportbund kennengelernt. Erich schrieb für seine Frau in der Todeszelle ein letztes Gedicht.
Ein Gedenkstein am Springsee in Limsdorf, einem Ortsteil der brandenburgischen Stadt Storkow, erinnert noch an Charlotte und Erich Garske. Dort, wo sie einst mit ihren Freunden vom Arbeitersportverein Fichte zelteten, errichteten ihn Freunde bereits 1944 – als Ort der Mahnung aus dieser Zeit ist er einmalig im Land Brandenburg. Verdienstvolle geschichtsbewusste Einwohner, vor allem die Unternehmer Harald und Rainer Opolka, renovierten ihn erst kürzlich und entrissen Leben und Tod der beiden Kämpfer dem jahrelangen Vergessen. Die 16. Polytechnische Oberschule in Berlin trug in der DDR ihren Namen.
Anmerkungen:
[1] Deckname für den kommunistischen Widerstandskämpfer Wilhelm Knöchel (1899-1944).
[2] Gemeint: "Beherbergung".
[3] Zitiert nach: Thomas Gebauer, Das KPD Dezernat der Gestapo Düsseldorf S. 495 ff. (Orthografie und Interpunktion nach Original-Protokoll) disserta Verlag 2011.
[4] Hans Rainer Sandvoß, Widerstand in einem Arbeiterbezirk, Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1987, S. 68.
[5] Ohne Kriegsgerichtsurteile und Morde durch SS, Polizei in Polizeipräsidien und KZ – nach: Allan Merson, Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland, Pahl Rugenstein 1999, S. 250.
[6] Wilhelm Knöchel; Willi Seng (1909-1944); Alfons Kaps (1901-1943); Alfred Kowalke (1907-1944); Wilhelm Beuttel (1909-1944).
[7] Eugen Schwebinghaus (1906-1944); Robert Stamm (1900-1937).
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