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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Am 22. August vor achtzig Jahren wurde Franz Stenzer ermordet

Eberhard Butter, Berlin

 

"Für Höheres als das eigene Sein zu kämpfen und zu leiden, Opfer zu bringen und Mut zu entwickeln, das gibt Lebenskraft". Das schrieb Franz Stenzer seiner Frau Emma kurz vor seiner Ermordung in den Abendstunden des 22. August 1933 im KZ Dachau. [1]

Er goss die Erfahrungen und Ziele seines kommunistischen Kämpferlebens in diese wenigen Worte, die auch seine Ehrungen in der DDR mit bestimmten. Als ehemaliger bayerischer Eisenbahnarbeiter gab er dem größten Reichsbahnausbesserungswerk der DDR (RAW) in Berlin, das 1995 stillgelegt wurde, seinen Namen. Eine Franz-Stenzer-Schule gab es in Berlin-Friedrichshain und eine gleichnamige Straße im bayerischen Pasing. Gedenksteine auf dem Gelände des RAW und vor dem Haupttor des ehemaligen VEB Automobilwerk Eisenach würdigen seinen Kampf. In der Nähe des Reichstages wird seiner auf einer der 96 Tafeln gedacht, die den von den Faschisten ermordeten Reichstagsabgeordneten gewidmet sind.

Der populäre kommunistische Arbeiter- und Gewerkschaftsfunktionär Franz Stenzer wurde am 9. Juni 1900 in Planegg bei München geboren. Nach dem Besuch der Volksschule zunächst als Lehrling in einer Starnberger Bootswerft tätig, die er aber wegen unerträglicher Ausbeutungspraktiken vor Lehrabschluss verließ, wurde er 1916 Streckenwärter bei der Eisenbahn. Bereits als Matrosen der kaiserlichen Kriegsflotte erteilte man ihm strengen Arrest, weil er gegen die unwürdigen Methoden militärischen Drills durch die Offiziere protestierte. Franz Stenzer kämpfte zusammen mit den Münchner Arbeitern gegen die Truppen der Konterrevolution im Mai 1919. [2] In die KPD trat er am Ende desselben Jahres ein, und er nahm eine Arbeit im Bahnbetriebswerk München I auf, wo die aus sozialdemokratischen, christlichen und parteilosen Arbeitern bestehende Belegschaft ihn 1922 einmütig zum zweiten und später zum ersten Vorsitzenden des Betriebsrates wählte.

Mitglied der Bezirksleitung Südbayern der unter schwierigsten Ausgangsbedingungen kämpfenden, doch in den Industriegebieten zunehmend erfolgreichen KPD ist er seit 1924. [3] Seine Aufgabe war wiederum die Gewerkschaftsarbeit, ab 1928 in der Funktion als Gewerkschaftssekretär. Anfang 1929 absolvierte er den ersten Halbjahreslehrgang der Internationalen Leninschule der Kommunistischen Internationale in Moskau.

Auf dem Weddinger Parteitag der KPD 1929 wählte man ihn zum Kandidaten des ZK, er wurde vollverantwortlich für die Gewerkschaftsarbeit Südbayern, Stadtrat für seine Partei in München Pasing und Chefredakteur der "Neue Zeitung" der KPD Bayern.

Im Jahr 1932 arbeitete er in der "Rote Gewerkschaftsinternationale" (RGI) in Moskau auf dem Gebiet der Agitations- und Propagandaarbeit [4] und wurde auch im selben Jahr Abgeordneter des Reichstages.

Franz Stenzer war einer der Delegierten für die letzte ZK-Tagung der KPD am 7. Februar 1933 in Ziegenhals.

Der Hass der Faschisten war so groß, dass sie seine Frau Emma im April 1933 als Geisel für ihren flüchtigen Mann verhafteten und erst nach seiner Beisetzung wieder freiließen. [5]

Genosse Franz Stenzer wurde am 30. Mai 1933 verhaftet und monatelang misshandelt, er verriet niemanden. [6]

 

Anmerkungen:

[1] Seiner Popularität wegen ließ Himmler verbreiten, dass Franz Stenzer bei einem Fluchtversuch (durch Genickschuss!) getötet worden sei.
[2] Münchner Räterepublik vom 7. April bis 2. Mai 1919 (niedergeschlagen durch Freikorps und Reichswehr auf Veranlassung der SPD-Führung).
[3] Ihr politischer Leiter ab 1932 war Hans Beimler.
[4] Rote Gewerkschaftsinternationale (1921-1937): internationaler kommunistischer Dachverband als Teil der Komintern.
[5] Emma Stenzer (1897-1998): Emigration nach Frankreich und nach der Sowjetunion mit ihren Töchtern; 1937 Verhaftung und Ausschluss aus der KPD; Instrukteurin in Kriegsgefangenenlagern für deutsche Soldaten; in der DDR tätig in der Volksbildung; hohe staatliche Auszeichnungen der DDR.
[6] Allgemeine Quelle: Luise Kraushaar: Deutsche Widerstandskämpfer 1933-1945 Bd. 2, S. 309 ff; Dietz Verlag Berlin 1970.

 

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2013-03: Hertha Lindner – ermordet am 29. März 1943 in Berlin-Plötzensee

2013-02: Das brennende Parlament

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