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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Hertha Lindner - ermordet am 29. März 1943 in Berlin-Plötzensee

Eberhard Butter, Berlin

 

"Der deutsche Staat hatte die Tschechoslowakei verschlungen, und Millionen Deutsche billigten das. Reichsdeutsche fuhren durchs Land und begutachteten die Möglichkeit der Kapitalsanlage und die Hotels ihrer neuen Kolonie. Die Schüsse der Hinrichtungskommandos knallten Tag für Tag. Schwer verschlossene Güterzüge rollten von Prag in Richtung Buchenwald. Damals spiegelte sich noch die Sonne in den Scheiben des Dorfes Lidice. Aber als hätte Hertha Lindner das Schicksal Lidices vorausgesehen und ein von anderen verübtes Verbrechen noch vorher gutmachen wollen, sammelte sie ihre Parteibeiträge und verbreitete sie Flugblätter, in denen zur Befreiung der Tschechoslowakei aufgerufen wurde." [1] (Stephan Hermlin)

Ihren 23. Geburtstag konnte Hertha Lindner nicht mehr erleben, sie gehörte zusammen mit Hanno Günther, Elvira Eisenschneider und Helmuth Hübener zu den noch jugendlichen Opfern der faschistischen Justiz. Am 23. November 1942 wurde sie mit anderen wegen Herstellung und Weitergabe von Schriften, Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt. Ihr Vater Heinrich, Kassierer der illegalen Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und ebenfalls im Widerstand, starb zwei Wochen nach der Ermordung seiner Tochter auf dem Berliner Schafott.

Hertha und Heinrich Lindner waren zusammen mit Mimi Roubalova, Erhard Lammel, Franz Müller, Wenzel Kudrna und Emmy Dvorakova Mitglieder einer deutsch-tschechischen Widerstandsgruppe aus dem Raum Teplitz (Teplice). Der Gestapo gelang es, begünstigt durch Verrat, sie im November 1941 zu zerschlagen. [2]

Hertha Lindner wurde am 3. November 1920 in Mariaschein (Bohasudov) im Landkreis Teplitz der Tschechoslowakischen Republik als Kind sozialdemokratischer Eltern geboren. Die antifaschistische Familie gehörte zum deutschsprachigen Teil des damaligen Sudetenlandes. Ihr Vater war Bergmann. Bereits mit neun Jahren trat sie der Kinderorganisation der sozialistischen "Falken" und mit vierzehn Jahren der "Sozialistischen Jugend" bei. Ein Jahr vor der faschistischen Annexion ihrer Heimat erhielt sie den Vorsitz der Ortsgruppe Mariaschein des "Deutschen Jugendbundes" - einer Ersatzorganisation des verbotenen kommunistischen Jugendverbandes. Ihre familiäre Prägung und ihre persönlichen Erlebnisse ließen sie frühzeitig separatistische Bestrebungen sudetendeutscher Bevölkerungsteile und der Henlein-Faschisten durchschauen. So nahm sie 1935 in Teplitz an einer gemeinsamen Großkundgebung von Deutschen und Tschechen teil, die die Festigung der antifaschistischen Einheitsfront der Kommunisten und Sozialdemokraten zum Ziel hatte. Das missfiel den rechtssozialdemokratischen Kräften, und sie wurde aus der "Sozialistischen Jugend" ausgeschlossen. Henlein-Faschisten überfielen sie eines Abends und schlugen sie zusammen. Sie blieb standhaft. Aktiv beteiligte sie sich an Solidaritätsaktionen für die bedrohte Spanische Republik. Nach der faschistischen Besetzung des Sudetenlandes ging Hertha zunächst nach Prag und nahm später am illegalen Kampf der KP der Tschechoslowakei teil, vermutlich 1940 wurde sie ihr Mitglied. Zeitweilig war sie Kurier zur illegalen KPD und arbeitete ab 1939 auch als Verkäuferin in Dresden. Im Auftrag der Partei schloss sie sich 1941 einem aus Antifaschisten bestehenden Bergsteiger-Klub an, um ihn für Verbindungen zwischen den Kommunisten in Deutschland und der Tschechoslowakei im illegalen Kampf zu nutzen.

Hertha Lindner beherrschte viele Formen der illegalen Arbeit. Sie verteilte Flugblätter, gab verbotene Literatur weiter, sammelte Spenden für politische Gefangene, vermittelte Treffs, kassierte Parteibeiträge, nutzte die Abrechnung ihrer Verkaufsstelle und "tote Briefkästen" als Nachrichtenübermittlung.

Eine Jugendbrigade der DDR im VEB Eisen- und Hüttenwerk Thale und ein Schiff der DDR-Fischfangflotte trugen ihren Namen. Stephan Hermlin würdigte sie in seinem Buch, und in Dresden gibt es noch die Hertha-Lindner-Straße, die am 17. Juni 2012 von Nazigegnern blockiert wurde - eine späte Ehrung [3]. Jens Wunderlich aus Stecklenberg (Harz) schrieb über Hertha Lindner eine Würdigung für das "DDR-Kabinett-Bochum", seine ehemalige Brigade erhielt ihren Namen. Auch darauf habe ich mich gestützt [4].

 

Anmerkungen:

[1] Aus Stephan Hermlin, Die erste Reihe, S.69, Verlag Neues Leben Berlin 1951.

[2] Klaus Mammach, Widerstand 1939-1945, S. 194, Akademie-Verlag Berlin 1987.

[3] Facebook "Dresden aktuell" vom 17. Juni 2012.

[4] WIKIPEDIA: DDR-Kabinett-Bochum, Jens Wunderlich. Über Leben und Sterben der jungen Antifaschistin Hertha Lindner, 11. Juli 2012.

 

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