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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Unselige Tradition: Vom »Tag der Wehrmacht« zum »Tag der Bundeswehr« (Teil II und Schluss)

Hellmut Kapfenberger, Berlin

 

Eine Nachricht, die aufhorchen lassen muss, ist seit einigen Wochen zu vernehmen. »Premiere in ganz Deutschland: Tag der Bundeswehr am 13. Juni« verkündet die Website der Truppe. Und triumphierend: »Sage und schreibe 60 Jahre musste die Bundeswehr auf ihn warten – am 13. Juni ist es endlich so weit. Der Tag der Bundeswehr feiert seine Premiere und das gleich an 15 Standorten bundesweit.« Man liest: »Von Flensburg im Norden bis Bischofswiesen im tiefen Süden Deutschlands, von Nörvenich im Westen bis Storkow im Osten der Republik öffnen an diesem Tag die Standorte ihre Kasernentore und locken Besucher mit einem attraktiven Erlebnisprogramm.« […] Mich schaudert, Erinnerungen werden wach. Derartige »attraktive Erlebnisprogramme« einer »Armee im weltweiten Einsatz« hat es doch schon einmal gegeben![...] Nun also ein »Tag der Bundeswehr«. Das Volk ist aufgerufen, überall im Lande freudvoll und unbeschwert eine Armee zu feiern, die nach ihrer Afghanistan-Kampferfahrung laut offizieller Lesart zu einer weltweit operierenden »Einsatzarmee« geworden ist und derzeit schrittweise gegen Russland in Stellung gebracht wird. [...] An die Frühgeschichte der Bundeswehr wird am 13. Juni wohlweislich nicht erinnert werden. [...]

Die Inspekteure der Teilstreitkräfte: Erster Inspekteur der Marine wurde Vizeadmiral Friedrich Ruge. Er hatte als Kapitän zur See am »Polenfeldzug« teilgenommen. [...] Nachfolger Ruges wurde von 1961 bis 1967 Vizeadmiral Karl-Adolf Zenker. Der Sohn des einstigen Chefs der Reichsmarine, Admiral Hans Zenker, war im zweiten Weltkrieg Kommandant auf Zerstörern, diente als Admiralstabsoffizier in verschiedenen Stäben und war zum Schluss als Fregattenkapitän im Oberkommando der Kriegsmarine (OKM) tätig. Unter Blank Gruppenleiter Marine, ließ er im Januar 1956 in einer Rede zur Begrüßung der ersten Angehörigen der Bundesmarine in Wilhelmshaven deutlich werden, wes politischen Geistes Kind er weiter war. »Zenker versuchte, eine ungebrochene Marinetradition von der Reichsflotte 1848 bis zur Bundesmarine 1956 herzustellen und verteidigte ausdrücklich die als Kriegsverbrecher verurteilten Großadmirale Raeder und Dönitz, die in den Nürnberger Prozessen nur wegen ihrer politischen Handlungen, nicht aber als Oberbefehlshaber der Marine verurteilt worden seien.« (*)[1] [...]

Das Führungspersonal der neuen Luftwaffe wies alles überragende Meriten im gewünschten Sinne auf. Der erste Inspekteur von 1957 bis 1962, Generalleutnant Josef Kammhuber, Offizier schon im ersten Weltkrieg, hat 1925 einen Generalstabslehrgang der Reichswehr absolviert und wurde im Truppenamt des Reichswehrministeriums – dem getarnten Generalstab – eingesetzt. Nach einer Pilotenausbildung in der UdSSR (1930/31) im Rahmen der fatalen Zusammenarbeit von Roter Armee und Reichswehr wirkte er ab Herbst 1933 in verantwortlicher Funktion in der Organisationsabteilung des Reichsluftfahrtamtes am forcierten Aufbau der Luftwaffe mit. Ab 1937 Leiter der Operationsabteilung im Ministerium, wurde Oberst Kammhuber Anfang 1940 Kommodore des Kampfgeschwaders 51 »Edelweiß«. Flugzeuge seines Geschwaders bombardierten am 10. Mai 1940 Freiburg im Breisgau. Sofern das überhaupt Erwähnung findet, (*) wird von einem »irrtümlichen« Angriff gesprochen, der 57 Einwohner das Leben kostete. Widerspruch gegen die auch in der DDR verbreitete Version, dass Hitler die vorgeblich feindlichen Bomben auf Freiburg befohlen habe, um einen Vorwand für die Bombardierung Rotterdams zu schaffen, ist nicht bekannt. An jenem 10. Mai jedenfalls überfiel die Wehrmacht die Niederlande, wurden bei Rotterdam Fallschirmjäger abgesetzt. Vier Tage danach – am Tag der Kapitulation der Niederlande – legte die Luftwaffe deren zweitgrößte Stadt in Trümmer. Nur Monate später wurde Kammhuber zum Generalmajor befördert und mit dem Ritterkreuz dekoriert. Im weiteren Kriegsverlauf konnte er ein Fliegerkorps und später eine Luftflotte in Norwegen kommandieren.

Chef des Stabes im Führungsstab der Luftwaffe und zugleich Stellvertreter des Inspekteurs Kammhuber war 1961/62 Generalmajor Hans Trautloft. »Am Spanischen Bürgerkrieg nahm Trautloft als Oberleutnant, seit 1. März 1936, und Staffelführer teil und errang bei der Legion Condor fünf Luftsiege, für die er mit dem deutschen Spanienkreuz in Gold ausgezeichnet wurde.« (*) Mit 28 Jahren 1940 Kommodore eines Jagdgeschwaders geworden, führte er das »mit großem Erfolg … gegen England, auf dem Balkan und in Rußland«. Das Ritterkreuz für den Major wurde 1941 urkundlich unter anderem begründet: »Bei Tiefangriffen und Bombenflügen im Westen und Osten hat sein Geschwader, durch seine persönliche Tapferkeit mitgerissen, hervorragende Erfolge erzielt.« (*) Aus dem Oberst von 1943 wurde 1957 ein Brigadegeneral.

Generalleutnant Johannes Steinhoff amtierte von 1966 bis 1970 als Inspekteur der Luft-waffe. Während des »Frankreichfeldzuges« hatte er »die heiße Phase der Luftschlacht um England« erlebt, doch so richtig wurde man »erst während seiner Dienstzeit an der Ostfront auf den Jagdflieger aufmerksam, die im Juni 1941 begann. An der Spitze seiner Staffel flog Steinhoff unzählige Jagd- und Geleitschutzeinsätze, wobei er große Erfolge gegen sowjetische Jäger melden konnte.« Sein Kriegsdienst mit »176 Luftsiegen«, davon »26 im Westen«, endete als Oberst. »Als begeisterter Flieger und überzeugter Soldat war Steinhoff einer der ersten, die 1955 wieder in den Militärdienst eintraten.« (*) Wie Heusinger von 1961 bis 1964, so war der Vier-Sterne-General Steinhoff von 1971 bis 1974 Vorsitzender des NATO-Militärausschusses.

Die Bundesrepublik wusste die nach ihrem Gusto überragenden Verdienste der Militärs der letzten und dann der ersten Stunde zu honorieren. Eine Auswahl: Zu Heusingers Kriegsverdienstkreuz I. Klasse mit Schwertern durfte sich das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland gesellen. Ritterkreuzträger Foertsch wurde gleiche bundesdeutsche Ehre zuteil. Auf Trettners Ordenskissen fand diese höchste Auszeichnung der Bundesrepublik neben höchsten franco-spanischen Orden und dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub ihren Platz. Auch Ruge und Kammhuber hinterließen neben dem Ritterkreuz das Große Verdienstkreuz mit allem Zubehör. Für Steinhoff reichte es trotz des Ritterkreuzes mit Eichenlaub und Schwertern nur zum Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern. Ritterkreuzträger Trautloft bedachte man mit dem Bundesverdienstkreuz mit Stern.

Der »Tag der Bundeswehr« ein landesweites Volksfest? Geht es makabrer?

Teil I (s. Heft 8/2015, S. 26ff) enthält Angaben über die westdeutschen Militärs der ersten Stunde, die Führungsakademie der Bundeswehr, die Generalinspekteure der Bundeswehr und die Inspekteure der Teilstreitkräfte der Marine und des Heeres.

Anmerkung:

[1] Exakte Quellenangaben zu den mit (*) gekennzeichneten Zitaten und Fakten können meinem Buch »Berlin – Bonn – Saigon – Hanoi: Zur Geschichte der deutsch-vietnamesischen Beziehungen« entnommen werden (Verlag Wiljo Heinen, Berlin 2013).

 

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2015-08: Unselige Tradition: Vom »Tag der Wehrmacht« zum »Tag der Bundeswehr«

2015-04: Vietnams Triumph nach 30 Jahren erbitterten Krieges

2014-08: Die große Kriegslüge vom August 1964