Zum Hauptinhalt springen
Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Sind US-Hyperschallwaffen Dark Eagle in Deutschland noch zu verhindern? (Auszug)

Lühr Henken, Berlin

 

Beitrag [1] auf Grundlage des Referats im Workshop des 30. Friedensratschlags am 9. Dezember 2023 in Kassel

 

Neueste Veröffentlichungen besagen, dass US-Hyperschallwaffen 2025 nach Deutsch­land kommen sollen. Was sind Hyperschallwaffen? Wer hat sie? Weshalb werden sie entwickelt? Was hat Deutschland damit zu tun? Warum sind sie – speziell gegen Russ­land gerichtet – so gefährlich?

Das sind Fragen, die sich für Menschen aufdrängen, sobald sie beginnen, sich mit Hyperschallwaffen zu befassen. Wir hatten das Thema auf dem Ratschlag im letzten Jahr in einem Plenarvortrag behandelt. Ich hatte damals einen Text von Prof. Dr. Joa­chim Wernicke, der kurzfristig verhindert war, verlesen. Die Entwicklung ist seitdem weitergegangen, aber in der öffentlichen und veröffentlichten Wahrnehmung kommen die US-amerikanischen Hyperschallwaffen so gut wie nicht vor. Die gefährliche Entwick­lung findet also im Verborgenen statt.

Inhalt:

- Was sind Hyperschallwaffen?

- Welche Staaten verfügen über welche Hyperschallwaffen oder sind in der Entwicklung?

- Die Entwicklung der Dark Eagle

- Können Dark Eagle nuklear bewaffnet werden?

- Stationierung in Deutschland

- Verfügt Deutschland über militärische Abwehrmittel gegen russische Kinschal oder Zirkon?

Was sind Hyperschallwaffen?

Erst einmal zum Begriff hyper: er bedeutet eigentlich über. Wir befinden uns also im Überschallbereich. Und beim Hyperschall bewegen wir uns oberhalb von Mach 5, der fünffachen Schallgeschwindigkeit. Die Maßeinheit der Schallgeschwindigkeit ist Mach (M). Der Schall legt in der Luft bei 20 Grad Celsius binnen einer Sekunde 340 Meter zurück, also einen Kilometer in drei Sekunden oder 1.200 km/h. Das ist etwa das Drei­fache der Höchstgeschwindigkeit eines Pfeiles beim Verlassen des Bogens oder eines Wanderfalken, eines der schnellsten Vögel. Ein Geschoss hat beim Verlassen eines Gewehres eine Mündungsgeschwindigkeit von knapp einem Kilometer pro Sekunde, also etwa die dreifache Schallgeschwindigkeit. Das wiederum ist etwa genauso schnell wie das schnellste im Einsatz befindliche Kampfflugzeug der Welt, die russische MiG-31. Sie erreicht in großen Höhen knapp 3.500 km/h (Mach 2,83). [...] Die geringste Hyperschallgeschwindigkeit Mach 5 bedeutet 6.125 km/h oder 1,7 km pro Sekunde. Die Frage stellt sich, welche Chance eine Person oder ein beweglicher Gegenstand hat, diesem Geschossteil zu entrinnen, das man mit bloßem Auge eine Sekunde vor dem Einschlag senkrecht vom Himmel kommend wahrnimmt. Die Zeit zwischen Wahrneh­mung und körperlicher Reaktion liegt etwa bei 0,8 Sekunden. Klarer Fall: Das angegrif­fene Ziel kann dem unmöglich entrinnen. Ein anfliegendes Hyperschallvehikel muss somit wesentlich früher als ein solches identifizierbar sein, um ihm auszuweichen. [...]

Wir haben nun in Etwa eine Vorstellung von der Hyperschallgeschwindigkeit, was eine Hyperschallwaffe ist, dazu jetzt mehr.

Es können grob zwei verschiedene Arten von Hyperschallwaffen unterschieden werden:

- Hypersonic glide vehicles (HGV): Das sind Gleitflugkörper ohne eigenen Antrieb, die von Raketen auf die notwendige Höhe und Geschwindigkeit gebracht wurden (Boost-Glide).

- Hypersonic cruise missiles: Das sind Marschflugkörper mit Scramjetantrieb, eine luftatmende Waffe, kein Gleiter.

Die erste Art basiert darauf, dass eine Rakete einen antriebslosen, aber manövrierba­ren Gleitkörper (HGV) auf die notwendige Höhe und Geschwindigkeit bringt. Der Gleit­körper ähnelt damit einem steuerbaren Mehrfachsprengkopf. Nur im Unterschied zu diesem ist der Gleitkörper bereits unmittelbar nach Ablösung von der Rakete in sehr dünner Luft manövrierbar, während dies bei den meisten Raketensprengköpfen mit Ziel­lenkung erst kurz vor dem Einschlag möglich ist. Das bedeutet, die für Abfangraketen leicht berechenbare ballistische Flugbahn der Rakete wird ersetzt durch eine sich stän­dig ändernde Flugbahn des HGV, des Gleitkörpers. Diese hohe Manövrierfähigkeit macht den HGV bisher nicht abfangbar.

Beim Scramjetantrieb handelt es sich um ein Staustrahltriebwerk im Überschallbereich ohne bewegliche Teile in seinem Inneren. Der Brennstoff im Triebwerk selbst ist im Überschallbereich unterwegs. Das bedeutet, dass der Marschflugkörper zunächst mit einer Rakete (Booster) oder einem überschallschnellen Flugzeug auf Überschallge­schwindigkeit gebracht werden muss, um zu zünden. Die Flugkörper sind manövrierbar. Russische Scramjetflüge erreichten in den 90er Jahren Mach 6, US-Amerikanische Scramjetflüge in den Nullerjahren erreichten fast Mach 19. 2014 wurde erstmals ein chinesisches Flugobjekt mit Scramjetantrieb beobachtet, das mit Mach 5, nach unbe­stätigten Quellen mit Mach 10 unterwegs war.

Zudem reicht die Geschwindigkeit einer Luftabwehrrakete beispielsweise des Typs Pa­triot nicht aus, um einen Scramjet- oder einen Gleitflugkörper abzufangen. Die Patriot erreicht maximal Mach 5, im neuesten Modell möglicherweise etwas mehr, die deut­sche IRIS-T SLM, die in der Ukraine im Einsatz ist, schafft Mach 3.

Welche Staaten verfügen über welche Hyperschallwaffen oder sind in der Entwicklung?

Die Entwicklung ist sehr unterschiedlich. Führend sind China und Russland, gefolgt von den USA. Entwicklungen sind weiterhin zu beobachten in Indien (in Zusammenarbeit mit Russland), in Frankreich (neuerdings in Kooperation mit Großbritannien), in Japan, in Deutschland, in Nord-Korea und im Iran. Ich beschränke mich in der Darstellung nur auf die drei erstgenannten Mächte, weil deren Entwicklungen in Qualität und Quantität den anderen um mindestens ein Jahrzehnt voraus sind und deren Dynamik die der anderen Staaten weit übertrifft.

Russland

Russland ist in der Entwicklung von Hyperschallwaffen insofern führend, weil sie die meisten in Dienst gestellt hat. Russland hat im Wesentlichen drei sehr unterschiedliche Systeme entwickelt: Kinschal, Zirkon und Awangard, die sich in unterschiedlichen Sta­dien ihrer Einführung befinden. Allerdings sind die Informationen über jedes Waffensys­tem zum Teil widersprüchlich.

Kinschal. Kinschal, auf Deutsch Dolch, ist eine Luft-Boden-Hyperschallrakete, die bereits verschiedentlich im Ukrainekrieg zum Einsatz kam. Die einstufige Rakete ist eine luftgestartete Weiterentwicklung der bodengestarteten SS-26-Iskander-Rakete und fällt in die Kategorie HGV (Hypersonic glide vehicles). Die gesamte ausgebrannte Rake­te mit ihren Steuerrudern am Heck bildet das HGV. Damit ist Kinschal in der Lage, Aus­weichmanöver auszuführen. [...]

Zirkon. Zirkon ist ein schiffsgestützer Hyperschall-Seezielflugkörper, der auch Ziele an Land treffen kann. Er verfügt über zwei Antriebsstufen, nämlich ein Feststoffraketen­triebwerk, das abgetrennt wird, sobald das System ausreichende Überschallgeschwin­digkeit erreicht, damit das Staustrahltriebwerk zünden kann, also ein Hyperschall-Cruise-Missile. [...]

Awangard. Awangard ist ein Stratosphären-Gleitflugkörper (HGV), der an einer Interkontinentalrakete befestigt, in etwa 100 km Flughöhe von ihr abgekoppelt wird, zunächst in einer ballistischen Flugbahn weiter fliegt, und dann in einem fla­chen Winkel bis auf die oberen Atmosphärenschichten absinkt, wo er eine wellen­förmige Flugbahn beschreibt. Während dieses Fluges soll der Gleitkörper Aus­weichmanöver ausführen können. [...]

Die russische Begründung für die Entwicklung und Herstellung der HGV Awangard ist die Kündigung des ABM-Vertrags (Anti-Ballistic-Missile-Vertrag) durch US-Präsident George W. Bush 2002. Fortan war es den USA gestattet, über die erlaubte Stationierung von 100 Ra­ketenabwehrsystemen an Land hinaus, sowohl die Zahl der Systeme als auch die Zahl der Stationierungsorte zu vergrößern. Die USA entwickelten daraufhin ein weltumspannendes Raketenabwehrnetz (National Missile Defence), das zurzeit 42 Systeme der Terminal High Altitude Area Defense (THAAD) umfasst, darunter in Süd-Korea und auf Guam. Bedeuten­der noch: Antiballistische Raketen-Raketen wurden für Kriegsschiffe entwickelt und zusam­men mit den Aegis-Systemen auf inzwischen 87 Kreuzern und Zerstörern stationiert. Auch weitreichende Radaranlagen durften weltweit aufgestellt werden. Russland sah seine nu­kleare Zweitschlagkapazität, die ein Garant gegen nukleare Erstschläge der USA ist, zuneh­mend wertlos werden. Mit den HGV Awangard kann Russland das gegenseitige strategi­sche nukleare Gleichgewicht des Schreckens aufrechterhalten. [...]

China

Der [...] US-Geheimdienstler Freisthler sieht Chinas Hyperschallwaffenentwicklung vor der Russlands, weil es weiter sei in der unterstützenden Infrastruktur und in der Zahl der Systeme. Laut Freisthler habe China in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Ent­wicklung konventioneller und nuklearbewaffneter Hyperschallwaffentechnologie voran­getrieben. Es verfüge über eine robuste Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur mit beispielsweise 18 Windkanälen sowie drei speziellen Windkanälen für Hyperschallexpe­rimente mit Geschwindigkeiten von Mach 8, Mach 10 und Mach 12. Die chinesische Mittelstreckenrakete DF-17, deren Reichweite mit 1.800 bis 2.500 km angegeben wird, ist mit einem konventionellen Gefechtskopf ausgestattet. Die Rakete fliegt etwa 1.500 km weit, beschleunigt dabei auf einer ballistischen Flugbahn auf Mach 10, trennt den Gefechtskopf DF-ZF ab, der im Gleitflug bis zu 1.000 km zurücklegt und währenddes­sen wie ein Segelflugzeug manövrierbar ist.

[...] Bericht in der Neuen Zürcher Zeitung [...] setzt sich ausführlich mit den chinesi­schen Motiven für die Entwicklung ihrer Hyperschalltechnologie auseinander: »Peking sieht durch die amerikanische Raketenabwehr seine Zweitschlagskapazität gefährdet. Diese ist ein Grundpfeiler der Logik der nuklearen Abschreckung, die besagt: Ein Atom­staat greift einen anderen Atomstaat nicht mit Atomwaffen an, wenn er damit rechnen muss, dass sein Gegner auf gleiche Art zurückschlagen kann. Peking – wie auch die anderen Atommächte – versucht also sicherzustellen, dass ein genügend grosser Teil seines Atomarsenals einen atomaren Überraschungsangriff übersteht, um dem Feind grossen Schaden zufügen zu können. Statt mit Masse versucht China mit Technologie das Gleichgewicht des Schreckens aufrechtzuerhalten. Denn es verfügt über ein ver­gleichsweise kleines Arsenal: Nach Schätzung des Stockholm International Peace Research Institut (SIPRI) besitzt die chinesische Volksbefreiungsarmee 320 Atom­sprengköpfe – die USA hingegen 5800, wovon 1750 einsetzbar sind. Die amerikanische Seite argumentiert zwar, dass ihr Abwehrsystem für ballistische Interkontentalraketen nur gegen Schurkenstaaten wie Nordkorea oder Iran gerichtet sei. Doch Peking glaubt diesen Beteuerungen, die von der Trump-Regierung auch noch verwässert wurden, nicht. Damit ist es nicht allein. Russland begründet die Entwicklung seiner Hyperschall­waffen explizit mit dem amerikanischen Abwehrsystem.« Der NZZ-Autor gibt dann die Meinung des Abrüstungsexperten Jeffrey Lewis wieder, der am Middlebury Institute of International Studies in Kalifornien forscht. »Lewis sieht einen Rüstungswettlauf im Gang. Wenn China oder Russland atomare Hyperschallwaffen entwickelten, wollten die amerikanischen Militärs diese auch. Er hält dieses Wettrüsten für sinnlos, denn die USA hätten bereits eine zuverlässige Zweitschlagskapazität, etwa mit U-Booten, die kaum zu orten seien und jederzeit Atomraketen abfeuern könnten.« 

Daraus ist zu schließen, dass die USA mit ihren Hyperschallwaffen etwas anderes bezwecken als ihre Zweitschlagkapazität zu sichern. Welchen Zweck sie verfolgen, [...] dazu später mehr.

Zusammenfassend soll die Forscherin Dominika Kunertova vom Center for Security Stu­dies der ETH Zürich zu Wort kommen. Sie stellt in der NZZ treffend den Zusammenhang zwischen den USA und den russischen und chinesischen Hyperschallwaffen her. Kunertova sagt: »Ohne die amerikanische Raketenabwehr hätten China und Russland keinen Grund, Hyperschallsysteme zu entwickeln, die diese überlisten.«

USA [...]

Die Entwicklung der Dark Eagle

Den Auftrag zur Entwicklung der Booster-Rakete erhielt [...] Lockheed Martin im August 2019, dessen Vorgänger Martin Marietta hatte bereits die Pershing II entwickelt. Anstatt 10 Jahre Entwicklungszeit wurde eine auf nur vier Jahre verkürzte Entwicklungsphase für Rakete und Gleitflugkörper festgelegt. Zieldatum für die Stationierung des ersten Prototyps wurde der 30. September 2023. [...]

Stationierung in Deutschland

Wiesbaden: Hauptquartier der US-Armee in Europa und Afrika. Einiges Aufsehen erregte im November 2021 die Reaktivierung des 56. Artilleriekommandos (56th Artillery Com­mand) in Wiesbaden, und zwar deshalb, weil es bis 1991 das Kommando über die 108 Pershing II inne hatte, bis sie infolge des INF-Vertrages abgerüstet worden waren. Nun war es wieder da, das Artilleriekommando, und das zusammen mit ihren Kanonieren von damals, der 41. Feld-Artillerie-Brigade (41st Field Artillery Brigade), dieselbe, die damals als eine von drei untergeordneten Bataillonen die Pershings unter sich hatte. Sie ist damals wie heute in Grafenwöhr (Bayern) stationiert. [...]

Insbesondere der LRHW-Batterie [2] muss maximale Aufmerksamkeit entgegengebracht werden. Das ist die mit den Dark Eagle.

Dark Eagle ist auf zeitkritische Ziele ausgelegt. Das bedeutet: auf etwas Bewegliches am Boden. Was kann das sein? Da muss man nicht lange nachdenken. Sie zielt eben nicht nur auf Bunker und Kommandozentralen, sondern auf so genannte Hochwertziele, die ihren Ort verändern.

Die russische und die chinesische Führung haben die Bedrohung durch US-Hyperschall­raketen wahrgenommen. Präsident Putin hat das in einer Rede an die Nation am 21. Februar 2022, drei Tage vor dem Angriff auf die Ukraine, dargestellt, als er sich mit den Gefahren auseinandersetzte, die aus einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine erwachsen. Er sprach die Stationierung bodengebundener Angriffswaffen der USA in der Ukraine an, wie sie nach der – wie er es nannte – »Zerstörung« des INF-Vertrags 2019 durch Trump ermöglicht wird. Putin sagte: »Die Flugzeit von Marschflugkörpern ›Tomahawk‹ nach Moskau beträgt weniger als 35 Minuten, für ballistische Raketen aus dem Raum Charkow – 7 bis 8 Minuten und für die Hyperschall-Schlagmittel – 4 bis 5 Minuten. Das bezeichnet man als ›das Messer am Hals‹.« Putin fürchtet offensichtlich einen Enthaup­tungsschlag. Diese militärische Aufgabe war vor 40 Jahren auch den Pershing II zuge­dacht gewesen. Stehen wir vor einem Dejà-vu?

Und auch China ist sich dieser Gefahr bewusst. Am 4. Februar 2022 unterzeichneten in Peking anlässlich der Eröffnung der Olympischen Winterspiele Putin und Xi ein histori­sches Übereinkommen: In dieser »gemeinsamen Erklärung« ist eine Passage besonders bedeutsam: »Die Seiten stellen fest, dass die Kündigung einer Reihe wichtiger interna­tionaler Abkommen im Bereich der Rüstungskontrolle äußerst negative Auswirkungen auf die internationale und regionale Sicherheit und Stabilität hat. Die Seiten äußern ihre Besorgnis über den Fortschritt der Pläne der USA zur Entwicklung einer globalen Rake­tenabwehr und zur Stationierung ihrer Elemente in verschiedenen Regionen der Welt, verbunden mit dem Aufbau eines Potenzials hochpräziser nichtnuklearer Waffen zum Zweck eines Enthauptungsschlages und zur Lösung anderer strategischer Aufgaben.«

Es handelt sich offenbar bei den US-Hyperschallwaffen um ein Waffensystem von geo­strategischer Bedeutung. Es ist eine Hightech-Waffe, für die der Rechnungshof der USA mit einem Stückpreis von wenigstens 40 Mio. Dollar rechnet.

Für mich ist Dark Eagle ein wichtiger Grund, weshalb Russland vehement gegen die Mit­gliedschaft der Ukraine in der NATO ist und diesen fürchterlichen Krieg führt. Denn bei einer Flugzeit von nur 5 Minuten bleibt keine Möglichkeit, militärisch auf den Überra­schungsangriff zu reagieren, nicht einmal um einen gezielten Gegenschlag zu starten; die fünf Minuten werden allein für die Verifikation benötigt. Je weiter von Moskau ent­fernt Dark Eagle stationiert werden, desto eher besteht noch eine Reaktionsmöglich­keit. [...]

Verfügt Deutschland über militärische Abwehrmittel gegen russische Kinschal oder Zirkon?

Nein. [...] Ende Oktober gab die europäische Beschaffungsorganisation OCCAR grünes Licht für die Entwicklung eines Abwehrflugkörpers gegen Hyperschallwaffen. Am Pro­jekt HYDEF (Hypersonic Defense Interceptor Study) sind 13 Unternehmen aus sieben europäischen Staaten beteiligt. Diehl Defence wird für die Herstellung verantwortlich sein. Die EU fördert das Projekt mit 100 Millionen Euro. Über Zeiträume für seine Reali­sierung gibt es keine sicheren Angaben. Es wird sicher Jahre dauern.

In der November-Ausgabe der führenden deutschen Militärzeitschrift Europäische Sicherheit & Technik ist zu lesen, und das ist für uns in Deutschland sehr bedeutsam: »Gemäß bestehendem Zeitplan soll die Dark-Eagle-Batterie des Verbandes 2025 aufge­stellt werden. Operativ wird die Batterie durch das (im Oktober 2021 aktivierte) 56th Artillery Command geführt werden. […] ›das 56. Artilleriekommando integriert innovati­ve Technologien, einschließlich LRHW- und MRC [3]-Batterien‹, erklärte Colonel Seth Knazovich, Chef des Stabes des 56. Artilleriekommandos, am 12. Oktober im Rahmen einer Tagung in Washington.« Das klingt sehr konkret.

Ich komme zum Schluss: US-Hyperschallraketen wirken in höchstem Maße destabilisie­rend. Sie könnten in Grafenwöhr stationiert werden. Ihre Kanoniere sind bereits da. Dark Eagle könnten auch woanders in Europa aufgestellt werden. Egal, wo sie in Europa aufgestellt werden, die Kommandostellen Wiesbaden und Stuttgart geraten mehr denn je ins Visier Russlands. Dark Eagle tragen also eine unermessliche Eskalationsgefahr in sich. Um ihre Stationierung zu verhindern, bleiben uns minimal noch 18 Monate.

 

Anmerkungen:

[1] Das komplette Manuskript ist online veröffentlicht: https://friedensratschlag.de/friedensratschlag-2023/dark-eagle. Der hier wiedergegebene kurze Auszug verzichtet unter anderem auf alle Quellenangaben und Fußnoten. Lühr Henken ist Ko-Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag (www.Friedensratschlag.de), Herausgeber der Kasseler Schriften zur Friedenspolitik (https://jenior.de/produkt-kategorie/kasseler-schriften-zur-friedenspolitik) und arbeitet mit in der Berliner Friedenskoordination (http://www.frikoberlin.de).

[2] »Long-Range Hypersonic Weapon Battery«, Reichweite bis 2.800 km.

[3] »Mid-Range Capability Battery«, Reichweite 240 bis 1.800 km.

 

Mehr von Lühr Henken in den »Mitteilungen«: 

2023-11: Ukrainekrieg und deutsche Hochrüstung

2023-04: Welche Aussichten zeichnen sich in der Ukraine für den Kriegsverlauf und seine Beendigung ab?

2022-10: Zeitenwende: Aufrüstung und Militarisierung und Waffenexporte

2022-05: Die Öffentlichkeit muss von »Dark Eagle« erfahren!