Die Rechtsanwaltschaft der DDR in den Augen der Stasi-Unterlagen-Behörde
Dr. Friedrich Wolff, Wandlitz
In der »wissenschaftlichen Reihe des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Analysen und Dokumente« erschien als Nr. 48 das Werk von Christian Booß »Im goldenen Käfig«. Es wurde im Sommersemester 2016 an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation verteidigt. Die Medien beachteten es stark. 2010 war von Felix Busse im Deutschen AnwaltVerlag »Deutsche Anwälte« erschienen. In den Teilen 3 und 5 behandelte der Verfasser die Rechtsanwaltschaft der SBZ und der DDR. Die Medien nahmen von ihm kaum Kenntnis. Christian Booß ist von Beruf Journalist, Felix Busse Rechtsanwalt. Er war, nach anderen Funktionen, von 1988-1994 einer der Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins.
Beide Werke kamen zu verschiedenen Ergebnissen. In der taz vom 14. Januar 2018 erklärte der ehemalige Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland in seiner Rezension der Dissertation: »Dass das Gesamtbild der Anwaltschaft der DDR so düster ausfällt, liegt alleine am betrachteten Objekt«. Felix Busse dagegen stellte fest: »Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die große Mehrheit der DDR-Anwälte Vertrauen empfangen und Vertrauen verdient hat.« (S. 439)
Wie mache ich die DDR fertig
Die Gliederung des »goldenen Käfigs« überrascht, denn sie lässt erkennen, dass der Autor weit über sein Thema »DDR-Anwälte« hinausgeht. Die Abschnitte heißen:
- Vorangestellt
- Einleitung
- Das Kollegium
- Die Institutionen zur Steuerung und Kontrolle der Anwaltschaft
- Die Anwaltskarriere
- »Erziehung« zur sozialistischen Anwaltschaft
- Geheimpolizeiliche und operative Einflussnahmen des MfS
- Die Vorsitzenden des Rechtsanwaltskollegiums Ostberlin
- Vor dem Prozess
- Der sozialistische Strafprozess
- Zwischen Anpassung und Aufbegehren. Anwälte im Umbruchjahr 1989
- Epilog. Die DDR-Anwaltschaft im Prozess der deutschen Vereinigung und ihre Überprüfung nach 1990
- Resümee und theoretische Einordnung
- Schlussbemerkung und Danksagung
Allein der Mischmasch der Themen zeigt, der Verfasser hat die Thematik nicht beherrscht. Er hat eher als Journalist das Thema zu bearbeiten gesucht, wie mache ich die DDR fertig.
Christian Booß zitiert sehr häufig Felix Busse, nicht jedoch dessen zusammenfassendes Ergebnis. Er sucht und er findet, wie er sagt, etwas »Pikantes«. Das liest sich so: »In München (auf dem Anwaltstag – F.W.) traf Friedrich Wolff auf den damaligen Vizepräsidenten des DAV Felix Busse. Wolff war damals Vertrauensanwalt der HVA und sollte im Bedarfsfall die Verteidigung von im Westen festgenommenen Spionen durch westliche Anwälte organisieren. Gegenstand derartiger Betreuungen war offenkundig nicht allein die Verteidigung der Spione, sondern auch zu verhindern, dass sie redeten oder überliefen. Felix Busse war ein bundesrepublikanischer Anwalt, dem die HVA offenbar solche Mandate zutraute. Zumindest findet er sich in einer HVA-Aufstellung von West-Anwälten, die offenbar als Vertrauensanwälte angesehen wurden. Busse räumt ein, ›schätzungsweise in den 1970er-Jahren von einem befreundeten Bonner Anwaltsbüro gebeten worden zu sein, vertretungsweise bis zur Verfügbarkeit des dortigen Kollegen für wenige Tage eine Vertretung für eine Frau zu übernehmen, die in Köln-Ossendorf unter der Beschuldigung einsaß, für die Stasi spioniert zu haben.‹« (S. 151) Was für Booß offenkundig und offenbar ist, ist tatsächlich eine pure Erfindung. Zu keiner Zeit habe ich mit Busse über Verteidigungen gesprochen, schon gar nicht über die Verteidigung von »Spionen«. Wenn etwas »Pikantes« an dieser Passage ist, so ihr denunziatorischer Touch, ein Anwalt hätte das nie über einen anderen Anwalt geschrieben.
Privilegien, goldene Käfige und andere Vermutungen
Nun zu Einzelheiten. Da ist z.B. der Titel der Dissertation von Christian Booß. Er selbst sagt dazu: »Der ›goldene Käfig‹ steht für die Beschränkung des anwaltlichen Handelns in der DDR, insbesondere in politischen Verfahren. Das Goldene hebt auf die Privilegien, vor allem die materiellen ab, die das Gitter mehr als erträglich machten.« (S. 20) Privilegien sind nach Wikipedia ein durch ein Ausnahmegesetz begründetes Vorrecht einer Person oder einer Personengruppe. Wann und womit, darf man sich fragen, wurden den DDR-Anwälten Privilegien verliehen? Das Einkommen der Anwälte beruhte seit der Existenz der DDR auf der Rechtsanwaltsgebührenordnung vom 7. Juli 1879. Sie wurde allerdings mehrfach durch neue Fassungen geändert, aber niemals von der DDR, zuletzt wohl im II. Weltkrieg. Die dort festgeschriebenen Gebühren galten weiter, waren also alles andere als hoch. So erhielt der Pflichtverteidiger beim Amtsgericht (in der DDR Kreisgericht) pro Tag 40 RM (später DM der DDR). Beim Landgericht pro Tag 50 und beim Reichsgericht (später Obersten Gericht) 80 RM bzw. DM der DDR. Richtig ist, die DDR-Rechtsanwälte haben im Vergleich zu Richtern und Staatsanwälten gut verdient, aber nicht auf Grund eines Privilegs, sondern weil der Staat DDR zunächst anderes zu tun hatte, als sich um die Rechtsanwaltsgebühren zu kümmern. Als er es dann tat, hat er im Ergebnis im Wesentlichen weiter alles beim Alten belassen. Die BRD-Anwälte hatten wesentlich höhere gesetzliche Gebühren und machten nicht selten von der Möglichkeit einer noch höheren Gebührenvereinbarung Gebrauch. Es gab kein Privileg für Rechtsanwälte in der DDR. Schon der Titel enthält folglich eine falsche Aussage.
Falsch ist auch die Darstellung auf S. 54: »Laut einer MfS-Quelle trat er (Wolff – F. W.) dem Kollegium im Parteiauftrag bei.« Alles muss dem Bild des Verfassers von SED und DDR entsprechen, auf die Wahrheit kommt es nicht an.
Voreingenommenheit und Unkenntnis sprechen auch aus folgenden Ausführungen auf S. 62 zum Strafverfahren gegen Janka: »Für das Gerichtsverfahren bekam Janka dann Friedrich Wolff«. Er »bekam« ihn nicht, sondern seine »Vertrauensanwältin« wählte ihn aus. Er war folglich sein Wahlverteidiger. Weiter heißt es: »Wolff forderte … Freispruch«»›Das war Haltung‹ erinnerte sich Walter Janka später«. So weit, so gut, doch dann kommt: »Welche Konstellation Wolff dieses Plädoyer ermöglichte, ist bis heute nicht nachvollziehbar.« Weil es nicht zum DDR-Bild des Kalten Kriegers passt, ist es nicht »nachvollziehbar«. Zwei Seiten später verstärkt Booß den erfundenen Verdacht: »Auf die Karriere von Wolff scheint sich sein Verhalten im Fall Janka aber nicht grundsätzlich negativ ausgewirkt zu haben. Das Freispruch Plädoyer von Wolff gilt bis heute als Mythos für ein mutiges Verteidigerplädoyer unter DDR-Bedingungen.« – In der wiederholten Benutzung von Termini wie »Karriere« und »Rekrutierung« zeigt sich immer wieder die Unkenntnis des Doktoranden von Beruf und Stellung des Anwalts. In seiner Sprache werden neue Anwälte wiederholt »rekrutiert«. So z.B. auf S. 117. In der DDR musste es nach Booß streng militärisch zugehen und das musste enthüllt werden.
Auf S. 106 der Dissertation heißt es von der Anwaltswahl, sie war »nominell frei«. Also war sie tatsächlich nicht frei – reine böswillige Erfindung!
Auf S. 16 verkündet Booß von der Gründung des Rates der Vorsitzenden der Kollegien: »Diese Regelung war im Gegenteil ein wichtiges Einfallstor, durch das das MdJ seine ›Anleitung‹ über die Kollegien ausüben konnte.« Wer die Situation der Anwaltschaft der DDR kennt, kann darüber nur lachen. Das Justizministerium brauchte kein »Einfallstor«, aber die Anwälte brauchten eine Dachorganisation. Das hatte das Ministerium immer zu verhindern gesucht. Booß erfindet das Gegenteil.
Auf S. 146 findet Booß wieder typisch DDR-Schlimmes, diesmal bei den Berufspflichten des DDR-Anwalts: »Besonders problematisch erschien die Formulierung: ›Der Rechtsanwalt hat den Anschein der Verletzung von Berufspflichten zu vermeiden‹.« Diese »besonders problematische« Formulierung hatten wir aus den »Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts – Richtlinien gemäß § 177 II BRAO« vom 2./3. Mai 1963. Als angehende Juristen sagten wir: Kenntnis des Gesetzes erleichtert die Rechtsprechung.
Justizsenator Wieland bezeichnet Booß' Dissertation als ein »Buch über DDR-Anwälte im politischen Prozess«. Es waren, das sollte man beachten, Prozesse im Kalten Krieg. Der kommt bei Booß praktisch nicht vor, nur nebenbei erwähnt er ihn zweimal (S. 39 und 55). Booß ist nicht Jurist, er hat Geschichte und Germanistik studiert. Danach müsste er eigentlich wissen, dass man über einen Krieg nur berichten kann, wenn man das Verhalten beider Seiten im Auge behält. Sonst würden z.B. die Bombardements englischer und US-amerikanischer Kampfflugzeuge als Kriegsverbrechen erscheinen. Im Kalten Krieg sollte das nicht anders sein. Wer hat ihn begonnen? Die USA, wer verfolgte welches Kriegsziel? Die USA und ihre Verbündeten wollten das Ergebnis des II. Weltkriegs korrigieren, sie wollten die UdSSR zurückdrängen. Die DDR sollte BRD werden. Für die DDR ging es folglich um ihre Existenz, für die BRD allenfalls um Wahlergebnisse. Das Ergebnis des Kalten Krieges ist bekannt. Bekannt ist auch oder sollte es sein, dass die USA die Taktik des regime change verfolgen. Die DDR wehrte sich, musste sich wehren. Ein Historiker sollte das beachten, wenn er objektiv sein will.
Feindbilder unseres Rechtsstaates
Die politische Justiz der BRD im Kalten Krieg war auch nicht von ohne. Wer sich darüber informieren will, muss allerdings tiefer schürfen. Da ist z.B. Alexander von Brünneck, »Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1968«.
Auch eine Dissertation, erschienen allerdings bei Suhrkamp 1978. Darin heißt es, dass der Rechtswissenschaftler Werner Maihofer 1964 laut Spiegel von 1966 gesagt hätte: »Zwanzigmal verdächtigen oder beschuldigen sie Unschuldige, ehe sie einen Kommunisten fangen, der dann auch verurteilt wird.« (S. 244) Erhard Denninger (deutscher Staatsrechtslehrer, Rektor der Goethe-Universität Frankfurt/M. 1970-1971 – d. V.) schreibt in seinem Vorwort zu v. Brünneck: »Unmittelbar erhellend wirkt hingegen die exemplarische Darstellung der Folge- und Nebenwirkungen justizieller Maßnahmen im Rahmen und auf Grund eines bestimmten feindorientierten Verfassungsklimas. Da reichen eben schon bloße Ermittlungshandlungen aus – und der Betroffene verliert seinen Arbeitsplatz oder seine Wohnung; und die Qualifikation als Verfassungsfeind genügt der Behörde, um den Führerschein und die Reisegewerbekarte zu untersagen« (a.a.O., S. 9). So war das bei der BRD im Kalten Krieg.
Booß lässt uns akribisch wissen, wer im Kalten Krieg Kontakt zum MfS hatte. Ich weiß jetzt z.B., dass ich dort den Decknamen Wagner hatte. Das wusste ich bis jetzt nicht, aber hier glaube ich Booß. Wer weiß, wie mich meine Mandanten sonst noch nannten? Wem nutzt das? Booß offenbart uns auch, dass in Brandenburg mehrere ehemalige MfS-Bedienstete Rechtsanwälte geworden sind. Wem diese Kenntnis nutzen soll, ist mehr als ungewiss, wem sie schadet, ist klar. Bei dieser Gelegenheit darf daran erinnert werden, dass Klaus Kinkel drei Jahre lang Chef des Bundesnachrichtendienstes war, bevor er Justizminister wurde. Natürlich ist das etwas anderes, BND und MfS sind nicht zu vergleichen. Warum nicht?
Unser Staat sagt von sich, er sei ein Rechtsstaat. Unser Staat hat ein Bundesverfassungsgericht und ein Grundgesetz und Grundrechte, darum ist er uns teuer. Zu den Grundrechten gehört das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Es ist das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Früher war das anders. Da gab es auch den Spruch: der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant. Das hätte dann wohl auf Booß gepasst. Heute ist er ein wissenschaftlicher Forscher und wird mit dem Doktortitel belohnt. Informationelle Selbstbestimmung gilt nicht für ehemalige MfS-Angehörige oder IM.
Alle wissen, wie schlimm das Ministerium für Staatssicherheit war. Es gibt kein Verbrechen, das man ihm nicht zutraut. Beweise braucht man nicht. Das ist, um mit einem Lieblingswort von Booß zu sprechen, offensichtlich. Niemand stört es, dass die Tatsachen anders liegen. Christoph Schaefgen (Generalstaatsanwalt a.D), schrieb in der Neuen Justiz zu Beginn des Jahres 2000 einen Artikel: »Zehn Jahre Aufarbeitung des Staatsunrechts in der DDR« (Neue Justiz 2000, S. 1 ff). Darin hieß es: »Nach dem Stand von Anfang 1999 sind etwa 62.000 Ermittlungsverfahren gegen ungefähr 100.000 Beschuldigte eingeleitet worden. Davon wurden bisher nur etwa 300 Personen rechtskräftig verurteilt.«
Die Verurteilungen gliederte Schaefgen an gleicher Stelle so auf: »Rechtskräftig Verurteilte 25, davon zu Freiheitsstrafe mit Bewährung 22, zu Geldstrafe 1, Verwarnung 1, Einstellung nach § 153a StPO 1«.
Soweit die Urteile des Siegers über den Besiegten. – Die Professoren der Humboldt Universität Klaus Marxen und Gerhard Werle kamen in ihrem Buch »Die strafrechtliche Aufarbeitung von DDR Unrecht. Eine Bilanz«, erschienen 1999 bei Walter de Gruyter, zu ähnlichen Ergebnissen (S. 209 ff): Verurteilte (MfS-Angehörige): 20, davon Geldstrafen 12, Freiheitsstrafen 8, davon mit Bewährung 7 (S. 212).
Ausgrenzung und Denunziation
Für diese 20 milden Verurteilungen, für diese Vergehen aus 40 Jahren DDR-Existenz, wird in unserem Rechtsstaat eine große Zahl von ehemaligen DDR-Bürgern behandelt wie Parias in Indien. Niemand fragt, was sie verbrochen haben. Klar ist von vornherein, auch bei Booß, dass sie Schlimmes taten. Das stört im Rechtsstaat, in dem die Unschuldsvermutung gilt, so gut wie niemanden. Das hat Konsequenzen und fordert Opfer. Die Zahl der Toten an der Grenze kennt man, wenigstens ungefähr. Die Zahl der Toten der Aufarbeitung des SED-Unrechtsregimes ist nicht veröffentlicht. Niemand hat die Selbstmorde gezählt. Man kennt nur einzelne Fälle, z.B. den des Bundestagsabgeordneten Professor Riege oder den des Waldheim-Richters und seiner Frau.
Booß benennt namentlich auch viele andere, meist aus dem Berliner Rechtsanwaltskollegium. Rechtsanwälte haben nun einmal gute und böse Mandanten, allein deswegen sind sie aber selbst weder gut noch böse. Als ich Honecker nach seiner Ankunft im Gefängnis Moabit das erste Mal besuchen wollte, rief eine Menge Schaulustiger: »Wer einen Verbrecher verteidigt, ist selbst ein Verbrecher«. Eine solche Einstellung sollte in einem Rechtsstaat nicht die Juristische Fakultät einer Universität beherrschen.
Im Abschnitt 10 »Der sozialistische Strafprozess« erfahren wir im Unterabschnitt »Im Hauptverfahren« auf S. 617 f: »Die Verfahrensdauer vor allem in Verfahren, die sich gegen Personen richteten, die die DDR verlassen wollten, ging deutlich zurück. In Verfahren, die auf eine knappe Stunde oder weniger zusammengepresst wurden, blieb kaum Platz für differenzierte Argumentationen.« Eine »differenzierte Argumentation« dürfte auch schwerfallen, wenn der Angeklagte unbedingt verurteilt werden möchte, um freigekauft zu werden. Das zu verkennen dagegen, dürfte nicht leicht sein, Booß hat es geschafft. Da er die Republikfluchtverfahren zusammen mit den politischen Strafsachen abhandelt, erzielt er ein falsches Bild, aber dieses Bild wollte er. In diesem Zusammenhang behandelt er auch die DDR-Diskussion über den Dienstvertrag. Er stellt fest: »Aus diesen Diskussionen wurde abgeleitet, dass der Anwalt eine vom Mandanten unabhängige Rolle einzunehmen habe.« (S. 618). Zum Beweis zitiert Booß mich. Tatsächlich aber vertrat ich eine Mindermeinung, die auf überkommenen Theorien von der Stellung des Anwalts beruhte. Die Schlussfolgerung von Booß entbehrt auch hier jeder Grundlage. Dasselbe trifft auch auf seine Ausführungen im Unterabschnitt »Das Plädoyer zu Strafmaß und Milde« zu. (Tabelle S. 625) Auch hier berücksichtigt Booß nicht die Besonderheit der Strafverfahren gegen Angeklagte, die verurteilt werden wollen.
Ähnlich argumentiert Booß auf S. 639: »… es geht an der dramatischen Verarmung der Prozesskultur in der Honecker-Zeit vorbei: dem Abbau von Rechten (… und einer) massiven Behinderung der Arbeit der Rechtsanwaltschaft, die vor allem von denen thematisiert wírd, die die DDR letztlich verließen.«
Abschließend aus dem Abschnitt »Politischer Prozess für die Öffentlichkeit« hier der Prozess gegen Heinz Barth: »Angesichts der geringen Auswahl an Anwälten geriet die Familie Barths an einen Anwalt mit besonderer Nähe zu Partei und MfS.« Das war Friedrich Wolff. Booß verrät nicht, dass die Familie 1990, als es mehr als genug Rechtsanwälte gab, wieder zu Wolff ging. Dagegen offenbarte er von Wolff: »Er zeigte sich gegenüber der Staatsanwaltschaft auf eine keineswegs selbstverständliche Weise kooperativ. Der Verteidigung war vor der Verhandlung ein kurz zuvor erschienenes Buch aus der Bundesrepublik zur Verfügung gestellt worden, das die Schüsse auf die Bürger von Oradour als unmittelbare Reaktion auf einen Angriff der Résistance darzustellen sucht.« (S. 661 f.) Um das für »eine keineswegs selbstverständliche Weise kooperativ« zu halten, muss man wahrlich frei von juristischen Kenntnissen sein.
Summa summarum: Die Dissertation des Christian Booß ist ein denunziatorisches Machwerk, eine Schande für die Universität und den BStU.
Mehr von Friedrich Wolff in den »Mitteilungen«:
2018-03: Die Abrechnung
2017-11: Ossis Nachtgedanken
2017-07: Interview mit Dr. Friedrich Wolff