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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Interview mit Dr. Friedrich Wolff

Die Fragen stellte Ellen Brombacher

 

Du wirst am 30. Juli 95 Jahre alt, Du hast den Faschismus erlebt. Welche Gedanken bewegen Dich heute?

Unsere Zeit hat, wie ich finde, Ähnlichkeit mit den letzten Jahren der Weimarer Republik. Andererseits gibt es erhebliche Unterschiede. So fehlt heute eine starke KPD. Die Weltlage hat sich nach dem Untergang der UdSSR grundlegend verändert. Deutschland ist zur bedeutendsten Macht in Europa geworden. Die Milliardäre beginnen, wie das Beispiel der USA zeigt, offen die Macht im Staat zu übernehmen. Das halte ich für die größte Gefahr.

Welchen Platz nimmt die DDR in Deinem Leben ein?

Ich habe schon unter den Nazis gehofft, dass nach deren Sturz in Deutschland eine sozialistische Gesellschaft entsteht. Nach dem 8. Mai 1945 war ich mit Begeisterung dabei, als die Gleichberechtigung der Frau, eine sozialistische Handelsorganisation, unentgeltliches Studium, Koedukation, Entnazifizierung und vieles andere Wirklichkeit wurden. Nie hätte ich geglaubt, dass ich erleben würde, dass die UdSSR und die DDR verschwinden, dass die einst so zahlreichen Anhänger der SED zu einem kleinen Häuflein werden. Mich quält nur der Gedanke an den Untergang der DDR und des europäischen Sozialismus. Wie konnte das geschehen, was haben wir falsch gemacht? Ich denke, die Tatsache, dass nicht nur in der DDR und in der UdSSR die kommunistischen Parteien die Macht verloren haben, sondern dass auch die starken Kommunistischen Parteien Westeuropas wie in Frankreich und Italien von der politischen Bühne fast verschwunden sind, von uns eine tiefgreifende Untersuchung erfordert. – Die DDR war für mich die Hoffnung, dass die Menschheit Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung überwinden wird. Die Hoffnung besteht in meinen Augen weiter, ihre Erfüllung scheint jedoch in weite Ferne gerückt zu sein. Das schmerzt. Ich glaube, wir müssen neu anfangen. Wir müssen den Sozialismus an die Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts anpassen. So wie Marx und Engels die Lage der Arbeiterklasse ihrer Zeit und das Wesen des Kapitalismus ihrer Tage erforschten, müssen wir das für unsere Zeit tun.

Was bedeutet Dir DIE LINKE?

Sie ist für mich das, was der Strohhalm für den Ertrinkenden ist. Wir nennen uns weiter Sozialisten, wir haben eine sozialistische Tageszeitung. Wir sind Friedenspartei und konsequent antifaschistisch. Das heißt mich hoffen. Wenn ich aber die Politik betrachte, die DIE LINKE auch betreibt, dann schwindet meine Hoffnung. Es ist eine Politik von einer Wahlperiode zur nächsten. Wir spielen mit im parlamentarischen Politgeschäft. Wir werden von vielen nicht als sozialistische Partei, sondern als Teil des Establishments wahrgenommen. Wir distanzieren uns von der DDR, doch das sind unsere politischen Väter. Ihre Irrtümer sind unsere Kinderkrankheiten, ihre Erfolge werden verschwiegen und missachtet. Schwer zu ertragen. In der KPF glaube ich Gesinnungsgenossen gefunden zu haben.

Dr. Friedrich Wolff, langjähriger Vorsitzender des Berliner Rechtsanwaltskollegiums, wurde bekannt als Verteidiger in Strafprozessen sowohl der DDR als auch des vereinigten Deutschlands. Er verteidigte 1992 Erich Honecker.

 

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