Die LINKE ersetzen oder stärken?
Ellen Brombacher, Berlin
Wir brauchen – gerade in Anbetracht des gefährdeten Friedens und rechter Gefahren – eine starke LINKE. Stark sind wir, so betonten wir auf der jüngsten KPF-Bundeskonferenz, wenn wir unverwechselbar gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr stehen und ebenso gegen die Schaffung einer EU-Armee und gegen die NATO. Stark sind wir, wenn wir uns für die sozialen Belange all jener einsetzen, die zu den Benachteiligten dieser Gesellschaft gehören oder morgen dazu gehören könnten. Stark sind wir mit klarem antifaschistischem, antirassistischem, internationalistischem Profil – der Solidarität verpflichtet. Stark sind wir, wenn wir unsere Geschichte nicht verleugnen – kurz gesagt: Stark sind wir, wenn wir als linke, sozialistische Kraft kenntlich sind und zugleich im Alltag als Kümmerer-Partei wahrgenommen werden – besonders in den Kommunen.
Und stark sind wir, wenn wir das uns Einende in den Mittelpunkt unserer Politik stellen und nicht das Trennende. Wir brauchen weder ambivalente Bemerkungen in puncto Asyl- und Flüchtlingspolitik noch benötigen wir ein Konzept für eine sogenannte linke Einwanderungsgesetzgebung und wir wollen keine Abschiebungen, erst recht nicht aus Bundesländern, in denen wir mitregieren.
Wir brauchen auch keine Mitgliederentscheidung zum bedingungslosen Grundeinkommen. Wozu ohne Not Themen in den Mittelpunkt der Debatte rücken, die die Partei inhaltlich spalten? Wir brauchen kein zweites Göttingen, wo die Züge aufeinander zurasen und der Crash immer wahrscheinlicher wird. In Göttingen ist es noch einmal gut gegangen.
Wir brauchen auch keine Diskussionen über nicht näher definierte linke Sammlungsbewegungen. Wer einen Internetanschluss hat, sollte sich die Zeit nehmen, mal ein Stündchen unter dem Stichwort The European zu suchen. Der Chef ist ein Herr Wolfram Weimer. Er hat eine beachtliche journalistische Karriere hinter sich: Chefredakteur der Printmedien »Die Welt«, »Berliner Morgenpost« und des »Focus«. 2004 gründete er das Magazin »Cicero« und ist dort bis heute Gründungsherausgeber. Der Mann ist alles andere als ein Linker. The European ist alles andere als ein linkes Medium und die meisten Macher und Autoren desselben sind zumindest Konservative. Da wird schon einmal Frau von Storch verteidigt und Hans Werner Sinn äußert sich in der Sache komplex asozial.
Aber – in einer Hinsicht gibt sich Herr Weimer sehr linkenfreundlich. Er steht einer von Oskar Lafontaine angeregten linken Sammlungsbewegung – drücken wir es zurückhaltend aus – ohne erkenntliche Skepsis gegenüber. Einige Auszüge aus seinem Artikel vom 2. Januar 2018 seien zunächst zitiert: »Der Ex-SPD-Vorsitzende empfiehlt eine historische Notoperation: ›Wir brauchen eine linke Sammlungsbewegung, eine Art linke Volkspartei, in der sich Linke, Teile der Grünen und der SPD zusammentun‹«. Lafontaines »Forderung hat Gewicht, weil er häufig genau das sagt, was Millionen linksorientierter Menschen in Deutschland denken.« Lafontaines »Vorschlag (birgt) politische Wucht, weil er einen politischen Großtrend adressiert. Emmanuel Macron hat mit seiner neuen Sammlungsbewegung Frankreichs Politik revolutioniert, von Bernie Sanders in der USA über Jeremy Corbyn in Großbritannien und Beppo Grillo in Italien bis Jean-Luc Melenchon in Frankreich haben Linkspopulisten bewiesen, dass Sammlungsbewegungen neue Machtstrukturen moderner Demokratien schaffen können. ›Das Parteiensystem, so wie es heute besteht, funktioniert nicht mehr‹, sagt Lafontaine. ›Wir brauchen eine Neuordnung.‹ Nur so könne es wieder eine linke Machtoption geben, verkündet er und viele ahnen, dass er damit richtig liegen könne.«
Damit es auch der Letzte versteht‚ zitiert Wolfram Weimer noch einmal Oskar Lafontaine: ›Es gibt das Potenzial für eine linke Mehrheit bei den Wählern. Die Leute warten geradezu auf eine solche Option‹. Weimer merkt zugleich an, Lafontaines Sammlungsbewegung sorge in der Linkspartei … für helles Entsetzen.
Helles Entsetzen konnte ich bisher noch nicht feststellen. Zu wissen, was in Deutschland Millionen linksorientierter Menschen denken oder aber ahnen, entzieht sich meinen Erkenntnismöglichkeiten ohnehin. Und was denn da kreiert werden soll, Bewegung oder eine Art Partei, weiß ich nach dem Studium der verschiedenen Äußerungen auch nicht. Das betrifft auch das Spiegel-Interview mit Sahra Wagenknecht vom 13. Januar 2018. Ich ahne nur, dass hier der Wunsch nach notwendigen breiten Bündnissen artikuliert werden soll. Aber warum wird es dann so nicht benannt? Ich weiß nur eines wirklich aus nicht wenigen Gesprächen mit Mitgliedern und Sympathisantinnen und Sympathisanten unserer Partei: Es geht die Angst um, die Partei könne sich spalten oder auch gespalten werden. Begeisterung für eine undefinierte linke Sammlungsbewegung konnte ich bisher nicht wahrnehmen, auch nicht auf der Bundeskonferenz der KPF am 4. Dezember 2017, auf der wir uns zum Thema wie folgt äußerten: »Soll eine solche Sammlungsbewegung DIE LINKE ersetzen oder sie stärken? Und welche Rolle sollte DIE LINKE in einer solchen Bewegung spielen? Im Rahmen welcher Strukturen? Sollen – wie andernorts praktiziert – Menschen per Mausklick im Internet Mitglied werden, ohne jede Verbindlichkeit, noch nicht einmal zur Beitragszahlung verpflichtet? Und wie würde es bei solchen ›Strukturen‹ mit der innerparteilichen Demokratie aussehen? Könnten die Mausklicker mehr sein als Manövriermasse für die Spitzenleute einer solchen Sammlungsbewegung? Oder soll es gar keine Strukturen geben, was eigentlich schlichtweg unmöglich ist? Wir wissen: Das Bedürfnis nach linken Bündelungen ist unter vielen Mitgliedern unserer Partei naturgemäß groß. Doch noch einmal die Frage: Würden linke Kräfte – insonderheit DIE LINKE – mittels einer solchen Sammlungsbewegung gestärkt oder soll eine linke Kraft durch eine neue ersetzt werden? Für Letzteres stünden wir als Kommunistinnen und Kommunisten in der Partei DIE LINKE nicht zur Verfügung.«
Diese Position kann auch heute nur bekräftigt werden. Wir haben eine linke Partei. Die ist alles andere als perfekt. Unsere kritischen Positionen sind hinlänglich bekannt. Aber ebenso, wie wir uns das Recht zur Kritik nicht nehmen lassen, schweigen wir nicht, wenn wir DIE LINKE gefährdet sehen. Wenn unsere Partei durch irgendwelche falschen Schwerpunktsetzungen – erinnert sei noch einmal der Mitgliederentscheid zum BGE und die Konzeption für eine linke Einwanderungsgesetzgebung – oder durch Experimente geschwächt oder gar zerstört wird, wird es in diesem Land über lange Zeit keine relevante linke Kraft mehr geben. Eine, die außerparlamentarisch und parlamentarisch wahrgenommen werden kann.
Die Gründung der LINKEN vor zehn Jahren war ein notwendiger Schritt. Wir konstituierten uns als eine Partei des demokratischen Sozialismus, die einen Systemwechsel anstrebt. Von einer Katalysatorfunktion in sozialdemokratischer Suppe war seinerzeit eher nicht die Rede. Nun sind wir bemüht, die Mühen des politischen Alltags zu bewältigen. Die Bundestagswahlergebnisse der LINKEN zeugten weder von bemerkenswerten Fortschritten noch waren sie ein eklatanter Rückschlag. Sie erfordern vielmehr eine ehrliche Analyse, die nicht den »Anspruch« erhebt, die sogenannte Flüchtlingsfrage ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen. Mit solch einer Analyse und klarer Orientierung auf den Friedenskampf, den Antifaschismus und eine antikapitalistische Sozialpolitik sollten wir den Leipziger Parteitag im Juni 2018 vorbereiten.
Aus: RotFuchs, März 2018
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