Aufbewahrenswertes, über das gesprochen werden muss
Thomas Hecker, Bundessprecher der KPF
In ihrer Erklärung »Den Kompass neu ausrichten. Aufgaben für DIE LINKE nach der Bundestagswahl« vom 10. Dezember 2021 schreiben Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow: »Wir als Parteivorsitzende wollen DIE LINKE gemeinsam mit unseren Mitgliedern in eine neue Zeit führen. Das ist unser Anspruch – daran messen wir uns selbst und wollen daran gemessen werden.«
Aber mit einem Kompass allein, ohne eine Karte, die zeigt, wo man ist, wo man herkommt und wohin man will, kommt man nie ans Ziel. Und hier bleibt das 12-Seiten-Papier weit hinter dem zurück, was für eine linke Partei erforderlich ist. So schreiben die Parteivorsitzenden: »Die Rechte der Bürger*innen sind für uns von hohem Wert. Hier stehen wir besonders in Ostdeutschland in einer Verantwortung gegenüber einer Geschichte aus links begründeter Unfreiheit, staatlicher Willkür und autoritärem Obrigkeitsdenken.«
Genau so ein Herangehen ist es, das Christa Luft »ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder gar Rechthaberei« als eine der »Ursachen des Scheiterns der Linken auf Bundesebene und nahezu in allen Bundesländern« aufführt. In ihrem Brief vom 23.12.2021 schreibt sie:
»Höchste Zeit ist es m. E., deutlich zu akzentuieren, dass der Osten Deutschlands am Aufbau einer anderen, einer nicht kapitalistischen Gesellschaft beteiligt war. Dass das nicht erfolgreich war, hat viele subjektive, systemeigene Ursachen, aber war auch Folge härtester äußerer politischer Einwirkungen, vieler Knüppelwürfe des Westens, der an seiner unmittelbaren Grenze keine Keime eines anderen Systems duldete. Dennoch gibt es doch Aufbewahrenswertes, über das gesprochen werden muss, gerade von einer sozialistischen Partei:
- Grund und Boden waren kein Spekulationsobjekt,
- das für Abkömmlinge wohlhabender Eltern faktisch bestehende Bildungsmonopol war gebrochen,
- Einkommen und Vermögen konnten – von kleinen Erbschaften abgesehen – nur durch Arbeit erworben werden,
- eine Arm-Reich-Polarisierung in der Gesellschaft wie heute war unbekannt,
- Gesundheitsleistungen waren für alle kostenlos oder kostengünstig,
- Obdachlose gab es nicht,
- die Wirtschaft hatte eine Gemeinwohlverpflichtung und keinen profitorientierten Selbstzweck,
- an Kriegen war die Volksarmee nicht beteiligt und und und.
Fehler, Mängel, auch grobe Menschenrechtsverletzungen im Sozialismus sind genug dokumentiert und publiziert, darauf darf er aber nicht reduziert werden.«
20. Januar 2022
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