Antifaschistische Aktion!
Prof. Dr. sc. Heinz Karl, Berlin
Seit Jahren ist bei Demonstrationen gegen Neonazismus, Sozialreaktion und Kriegspolitik auf Transparenten und Plakaten nicht selten ein bestimmtes Symbol zu sehen - ein roter Kreis, der zwei rote Fahnen umschließt und eine Inschrift trägt: Antifaschistische Aktion. Geschaffen wurde dieses - offenbar heute noch (oder wieder) als aktuell empfundene - Symbol vor 80 Jahren, im Mai/Juni 1932. Es stand für die von der KPD initiierte bedeutendste Abwehrbewegung gegen die Errichtung der faschistischen Diktatur in Deutschland.
Schon Ende 1927 hatten die Unternehmerverbände von der Regierung gefordert, "den Kampf mit der Masse und mit dem Reichstage" [Zit. nach: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 4, Berlin 1966, S. 488.] aufzunehmen und antidemokratische Veränderungen zu vollziehen, die "eine sehr einschneidende Verfassungsänderung" [Zit. nach: ebenda, S. 487.] bedeuten würden. Im Herbst 1929 forderte der Reichsverband der Deutschen Industrie rigorose sozialreaktionäre Maßnahmen und erklärte offen, dass dies unter einem parlamentarischen Regime nicht durchführbar sei, erhob die Forderung nach "einer festen und beständigen Regierung, die durchzugreifen ernsthaft gewillt ist" sowie nach einem Ermächtigungsgesetz und verlangte, "durch Verordnungen den Zustand zu schaffen, den die fehlende Gesetzgebung uns nicht schaffen kann." [Veröffentlichungen des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, Nr. 50, (Berlin) 1930, S. 37 f.] Maßgeblich betrieben durch die Reichswehrführung, amtierten seit April 1930 vom Reichspräsidenten, Generalfeldmarschall v. Hindenburg, eingesetzte Präsidialkabinette, [Unter Heinrich Brüning (Zentrum) 1930-Mai 1932, Franz v. Papen Juni-November 1932, General Kurt v. Schleicher November 1932-Januar 1933] die zunehmend - und bald überwiegend - mittels präsidialer Notverordnungen (statt parlamentarischer Gesetze) regierten, das parlamentarische Regierungssystem schrittweise abbauten und systematisch die demokratischen Rechte und Freiheiten einschränkten und aushöhlten.
Faschisierung!
Zugleich vollzog sich eine gefährliche Umschichtung im bürgerlichen Parteiensystem und seiner Wählerbasis. Begünstigt durch die sich seit 1929 entwickelnde Wirtschaftskrise mit ihren sozialen Verwerfungen, die Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen und das dadurch schwindende Ansehen der bisher dominierenden bürgerlichen Parteien, gelang es der offen faschistischen Nazipartei Hitlers - 1928 noch eine rückläufige Randerscheinung! - durch wilde chauvinistische Hetze und hemmungslose soziale Demagogie bereits bei der Reichstagswahl im September 1930 wählerstärkste bürgerliche Partei zu werden, während die anderen bürgerlichen Parteien erhebliche Stimmeneinbußen erlitten oder in die Bedeutungslosigkeit versanken. Zu ihren bisherigen Förderern aus Kreisen des Finanzkapitals wie Kirdorf und Thyssen gesellten sich weitere wie Vögler und der langjährige Reichsbankpräsident Schacht. Zwischen den Nazifaschisten einerseits, den Präsidialkabinetten und der Reichswehrführung andererseits entwickelte sich seit Oktober 1930 eine kontinuierliche und immer engere Kollaboration. Die SPD - immer noch wählerstärkste Partei und die Freien Gewerkschaften und anderen Arbeiterorganisationen dominierend - "tolerierte" die Präsidialregierungen als "kleineres Übel", was eine Grundbedingung für deren Wirken und damit für die weitere Rechtsentwicklung war.
Die KPD erfasste frühzeitig das Wesen dieser Entwicklung, dass es sich um nichts anderes als einen Prozess der Faschisierung, des schrittweisen Überganges zur faschistischen Diktatur handelte. Bereits im März 1929 machte Ernst Thälmann auf "eine reaktionäre Umgestaltung der bürgerlichen Staatsordnung" und "Ansätze in der Entwicklung zum Faschismus" [Zit. nach: Ernst Thälmann. Eine Biographie, Berlin 1979, S. 414] aufmerksam. Auf dem 12. Parteitag (Juni 1929) betonte er schon die besondere Gefährlichkeit der Nazipartei, als diese nach einem halben Jahrzehnt wieder erste Wahlerfolge erzielte. [Vgl. E. Thälmann: Ausgewählte Reden und Schriften in zwei Bänden, Bd. 1, Frankfurt a.M. 1976, S. 211 f.] Lange vor ihrem spektakulären Wahlerfolg vom September 1930, am 4. Juni 1930, erklärte das Politbüro des ZK der KPD: "Vor der deutschen Arbeiterklasse steht in ganzer Größe die Aufgabe, den Faschismus und seine Terrorbanden bis zur vollständigen Vernichtung niederzukämpfen." [Zur Geschichte der Kommunistischen Partei Deutschlands. Eine Auswahl von Materialien und Dokumenten aus den Jahren 1914?1946, Berlin 1954, S. 265] Von prinzipieller Bedeutung war die Erkenntnis, dass die vom Monopolkapital ausgelöste Faschisierung Deutschlands auf zwei Wegen vorangetrieben wurde: "sowohl durch die faschistischen Kampforganisationen als auch durch den bürgerlichen Staatsapparat". [Ebenda, S. 267] Thälmann kennzeichnete die Nazipartei als "das gefährlichste und schmutzigste Werkzeug des deutschen Finanzkapitals". [E. Thälmann: Geschichte und Politik. Artikel und Reden 1925 bis 1933, Berlin 1973, S. 149] Anfang 1931 charakterisiert er das verhängnisvolle Wechselspiel von Präsidialregime und Nazifaschismus beim Vorantreiben des Faschisierungsprozesses, wenn er feststellt, die Konstellation, dass "die faschistische Massenpartei nicht nur außerhalb der Regierung, sondern zur Zeit direkt in einer gewissen Scheinopposition bleibt, ist durchaus neuartig und entspricht ganz spezifischen Bedingungen, unter denen der Faschismus in Deutschland heranwächst." [E. Thälmann: Zur Machtfrage. Reden, Artikel und Briefe 1920-1935, Berlin 1982, S. 288] Kampf gegen die Faschisierung heiße, "um jeden Schritt, um jede Handbreit des Bodens, den der Faschismus erobern will, kämpfen und die wirtschaftlichen und die politischen Rechte der Arbeiterklasse verteidigen." [Ebenda, S. 278]
Dieser antifaschistische Abwehrkampf erreichte seinen Höhepunkt 1932. Im April war der Erzreaktionär Hindenburg von einer breiten Koalition - von konservativen bürgerlichen Parteien bis zur SPD - wiedergewählt worden. Die KPD hatte sich dieser verhängnisvollen (und für die SPD selbstmörderischen) Aktion unter der Losung "Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler; wer Hitler wählt, wählt den Krieg!" entgegengestellt - unterstützt auch von der linkssozialdemokratischen Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), der Christlich-radikalen Arbeiter- und Bauernpartei des katholischen Politikers Vitus Heller und dem konsequenten bürgerlichen Demokraten Carl v. Ossietzky, der erklärte: "Linkspolitik heißt die Kraft dort einsetzen, wo ein Mann der Linken im Kampf steht. Thälmann ist der einzige, alles andere ist mehr oder weniger nuancierte Reaktion." [C. v. Ossietzky: Schriften II, Berlin-Weimar 1966, S. 40/41] Seinem Appell folgten auch Graf Helmuth James v. Moltke und Gräfin Freya v. Moltke - später Initiatoren des "Kreisauer Kreises" gegen Hitler.
Gedrängt durch die Reichswehrführung und andere rechtskonservative Kreise, ernannte Hindenburg den Großgrundbesitzer, Großaktionär und früheren Generalstabsoffizier Freiherrn v. Papen zum Reichskanzler. Papen stützte sich auf die Nazis (die er in die Regierung einbeziehen sollte) und setzte am 20. Juli 1932 durch einen von der Reichswehr abgesicherten Staatsstreich die von der SPD - die Hindenburgs Wiederwahl ermöglicht hatte - geführte preußische Regierung ab.
Dem Hitlerfaschismus den Weg zur Macht verlegen!
Vor diesem Hintergrund entfaltete sich seit Ende Mai die Antifaschistische Aktion. Auf einer Tagung des ZK der KPD am 24. Mai 1932 zog Ernst Thälmann aus diesen Entwicklungen die Schlussfolgerung, es sei Aufgabe des Tages, gegen den Eintritt der Nazis in die Reichs- oder Preußen-Regierung eine Massenstimmung zu entfachen, ihn unmöglich zu machen, weil er die Entwicklung zur offenen, faschistischen Diktatur beschleunigen würde. [Vgl. Die Antifaschistische Aktion. Dokumentation u. Chronik Mai 1932 bis Januar 1933. Hrsg. u. eingeleitet v. H. Karl u. E. Kücklich u. Mitarbeit v. E. Fölster u. K. Haferkorn, Berlin 1965, S. 13] Es gelte, "eine große antifaschistische Aktion ... in die Wege zu leiten." [Ebenda, S. 24] Als am folgenden Tage die Nazis im Preußischen Landtag einen blutigen Überfall auf die kommunistische Fraktion und ihren Sprecher, Wilhelm Pieck, unternahmen, rief das ZK der KPD unverzüglich zur Antifaschistischen Aktion auf, um "in breitester Einheitsfront den Mordterror des Hitlerfaschismus zu brechen ..., dem Hitlerfaschismus den Weg zur Macht zu verlegen ..., der Faschisierung Deutschlands Einhalt zu gebieten ... Sozialdemokratische Arbeiter, ... schlagt in die Bruderhand ein, die die Kommunistische Partei euch bietet!" [Ebenda, S. 33] Damit war ein Nahziel formuliert, das im Interesse aller Kräfte lag, die ein faschistisches Regime und insbesondere den Machtanspruch des Nazifaschismus ablehnten.
Dementsprechend wandte sich die KPD wiederholt an die Leitungen der SPD und der von ihr geführten Massenorganisationen, um ein gemeinsames Auftreten gegen die faschistischen Vorstöße zu erreichen. Am 16. Juni appellierte Walter Ulbricht im Namen der KPD-Bezirksleitung Berlin-Brandenburg an die Berliner Vorstände der SPD, der Freien Gewerkschaften und des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold (einer vor allem von Sozialdemokraten getragenen republikanischen Wehrorganisation), eine Massendemonstration gegen die faschistische Reaktion und die Papen-Regierung zu unterstützen. [Vgl. ebenda, S. 114 f.] Das wurde abgelehnt, obwohl selbst Lageberichte des Reichsinnenministeriums zugeben mussten, dass es eine "bei den breiten Massen überaus wirksame" [Ebenda, S. 136] Initiative war. Ähnlich handelten die anderen Bezirksleitungen der KPD.
Ihre Entschlossenheit, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die faschistische Offensive zurückzuschlagen, und dazu mit allen zusammenzugehen, die bereit waren, zu handeln, bewies die KPD auch in den Parlamenten. Klar erkannte sie die Bedeutung der Auseinandersetzungen im Preußischen Landtag. Bereits bei der Einleitung der Antifaschistischen Aktion betonte Ernst Thälmann, dass es möglich sei, im Landtag, "wo eine Mehrheit von Sozialdemokraten, Zentrum und Kommunisten besteht, durch jede parlamentarische Abstimmung" [Ebenda, S. 87] die Absichten der faschistischen Reaktion zu durchkreuzen. Im Landtag erklärte Wilhelm Pieck am 2. Juni - an die Nazis gewandt: "Wir werden unter Einsetzung aller Kräfte des Proletariats zu verhindern suchen, daß Sie hier oder sonstwo anders die Regierungsmacht in die Hände bekommen." [W. Pieck: Gesammelte Reden und Schriften, Bd. IV, Berlin 1981, S. 455] Am 3. Juni stimmten die Kommunisten einen deutschnationalen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung nieder, dessen Annahme die Wahl eines Nazi-Ministerpräsidenten ermöglicht hätte. Die KPD-Fraktion unternahm alles in ihren Kräften stehende, um die Wahl von Faschisten in das Landtagspräsidium zu verhindern. Sie erklärte ihre Bereitschaft, auf eigene Kandidaten zu verzichten und für ein aus Vertretern der SPD und des Zentrums bestehendes Präsidium zu stimmen. Doch beide Parteien lehnten dieses Angebot ab. Das Zentrum ermöglichte durch Stimmenthaltung die Wahl eines Nazis in die politische Schlüsselstellung des Präsidenten des Preußischen Landtags. Im Reichstag verfolgte die KPD eine entsprechende Linie, mit SPD und Zentrum gegen die Faschisten zusammenzuarbeiten.
Alle Beispiele erfolgreichen Zusammenwirkens verstärkten in der sozialdemokratischen Bewegung die Bereitschaft zur antifaschistischen Aktionseinheit. Mitte Juli registrierte das Reichsinnenministerium: "Im ganzen Reiche gehen die praktischen Einheitsfrontaktionen weiter. SPD-Betriebsräte gehen mit roten Kollegen zusammen, Reichsbannermitglieder erscheinen als Delegierte ihrer Kameraden in kommunistischen Versammlungen ... Gemeinsame Sargwachen und Beteiligungen bei Beerdigungen sind schon überall die Regel, ebenso wie bei oder nach nationalsozialistischen Aufmärschen regelmäßig wirklich überparteiliche Demonstrationen veranstaltet werden. Sozialdemokraten erscheinen bei den vielerorts veranstalteten antifaschistischen Kongressen der KPD ...; Gewerkschaftsfunktionäre erklären, daß man die entgegengehaltene Bruderhand der KPD nicht zurückweisen dürfe." [Die Antifaschistische Aktion, S. 186/187] Je stärker dieses Drängen wurde, desto nachhaltiger stemmte sich ihm jedoch der Parteivorstand der SPD entgegen. In einem Rundschreiben an die Bezirksvorstände vom 28. Juni verbot er jegliche Verhandlungen mit Kommunisten und drohte Zuwiderhandelnden mit dem Ausschluss. Am 20. Juli schlug die KPD den Vorständen der SPD und der Freien Gewerkschaften vor, Papens Staatsstreich mit dem Generalstreik zu beantworten. Aber die kommunistische Initiative wurde ignoriert; die Berliner Gewerkschaftsvorstände diffamierten sie sogar als Provokation. [Vgl. Vorwärts (Berlin), 21. Juli 1932 (Morgenausgabe)]
Auf Grund der den Massen verständlichen und auch den Interessen der Sozialdemokraten entsprechenden Zielstellung sowie der außerordentlichen Aktivität der kommunistischen Parteiorganisationen gelang es trotz der negativen Haltung der sozialdemokratischen Führungsinstanzen, viele gemeinsame Aktionen von Kommunisten, Sozialdemokraten und anderen Antifaschisten herbeizuführen. Viele Hunderte gemeinsamer Ausschüsse und Kampfleitungen entstanden, in denen Kommunisten und Sozialdemokraten, viele christliche Arbeiter, Sportler, Intellektuelle, auch Bauern einträchtig und wirksam zusammenarbeiteten. Vor allem eine Vielzahl von Formationen des antifaschistischen Massenselbstschutzes - wie Straßen- und Häuserschutzstaffeln - konnten geschaffen werden. Die gemeinsamen Interessen von Kommunisten und Sozialdemokraten, Christen und bürgerlichen Demokraten an der Verteidigung der demokratischen Rechte und Freiheiten bildeten das stärkste Motiv der Aktionseinheit. Besonders die Erfordernisse der Abwehr des faschistischen Terrors bewirkten die breitesten Verbindungen antifaschistischer Kräfte und führten am ehesten zu organisierten Formen gemeinsamen Kampfes.
Wirkungen der Antifaschistischen Aktion
Erste Ergebnisse zeigten sich bald. Die Antifaschistische Aktion vermochte den faschistischen Terror im Sommer 1932 im Wesentlichen zu brechen. Schon die Reichstagswahl am 31. Juli 1932, bei der die Nazis mit 13,8 Millionen Stimmen (37,4 %) ihr bestes Ergebnis erzielten, zeigte zugleich, dass ihr Vormarsch faktisch zum Stillstand gebracht worden war, in Stagnation überging. [Die Nazipartei erlangte bei den Reichstags- bzw. Reichspräsidentenwahlen im September 1930 6,4 Millionen Stimmen (18,3 %), März 1932 11,3 Mill. (30,1 %), April 1932 13,4 Mill. (36,8 %), Juli 1932 13,8 Mill. (37,4 %)] Selbst auf ihrem Höhepunkt waren sie weit von einer absoluten Mehrheit entfernt - fast zwei Drittel der deutschen Wähler hatten sie nicht gewählt. Für eine Koalition aber fanden sie keinen Partner. Die anderen rechtskonservativen Kräfte wurden durch ihren Zuwachs geschwächt; die Zentrums-Führung, die mit ihnen darüber verhandelt hatte, musste mit Rücksicht auf ihre Anhänger davon Abstand nehmen - auch eine Wirkung der Antifaschistischen Aktion, die das politische Klima verändert und die Sensibilität gegenüber den Faschisten verstärkt hatte.
Die Antifaschistische Aktion trug entscheidend zu dem empfindlichen politischen Rückschlag der Nazis im Herbst 1932 (u.a. Verlust von zwei Millionen Wählerstimmen bei der Reichstagswahl im November) sowie zum Sturz der profaschistischen Regierung Papen bei. Wesentlichen Anteil daran hatte die von der KPD und der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) geführte erfolgreiche Streikwelle gegen Lohnsenkung und Unterstützungsabbau im Herbst 1932 mit ihrem Höhepunkt, dem Streik der 22.000 BVG-Arbeiter Anfang November. Hier hatten sich in einer Urabstimmung mit 85prozentiger Beteiligung 79% der Kollegen für den Streik entschieden, um weiteren Lohnabbau zu verhindern. Den Streik führte eine gewählte Zentrale Streikleitung, in der die RGO den bestimmenden Einfluss hatte. 16 Mitglieder gehörten den Freien Gewerkschaften an, einige waren unorganisiert, eine verschwindende Minderheit - ganze vier - waren Nazis. Diese hatten bei der letzten Betriebsratswahl etwa 1500 Stimmen erhalten und sahen sich aus taktischen Gründen - unmittelbar vor der Reichstagswahl - genötigt, am Streik teilzunehmen. Ihre erzwungene Teilnahme war ein günstiges Moment, weil dadurch der Streikbruch erschwert wurde. Der Streik legte den U-Bahn-, Straßenbahn- und Omnibusverkehr in Berlin völlig lahm. Ein unmittelbarer Erfolg des Streiks wurde durch die sozialdemokratisch dominierten Gewerkschaftsinstanzen hintertrieben. Sie riefen, sobald ein Schiedsspruch gefällt war, der den Lohnabbau sanktionierte, zur Wiederaufnahme der Arbeit auf - also faktisch zum Streikbruch - und erreichten, dass die Hälfte der Streikenden dem folgte. Daraufhin musste der Streik abgebrochen werden. Dennoch hatte er bedeutende Auswirkungen. Er offenbarte nicht nur den politischen Bankrott der Papen-Regierung - der reaktionärsten Regierung vor Hitler. Die Reichstagswahl am 6. November (während des Streiks) brachte der KPD in Berlin einen besonders großen Erfolg, jedoch sowohl der Nazipartei als auch der SPD besonders schwere Verluste. Vor allem in der SPD löste das heftige Auseinandersetzungen aus, weil die Funktionäre mit Recht dafür auch die Streikbruchtaktik der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer verantwortlich machten. [Vgl. Anpassung oder Widerstand? Aus den Akten des Parteivorstandes der deutschen Sozialdemokratie 1932/1933. Hrsg. u. bearb. v. H. Schulze, Bonn/Bad Godesberg (1975), S. 41f, 52, 68]
Die Antifaschistische Aktion hat den Prozess der Faschisierung bis zu einem gewissen Grade gehemmt, die Errichtung der faschistischen Diktatur erschwert und verzögert. Im Zusammenhang mit der Antifaschistischen Aktion erreichte der Masseneinfluss der KPD für die Zeit bis 1945 seinen Höhepunkt. Bereits 1930 war sie - als erste (und vor dem Zweiten Weltkrieg einzige) kommunistische Partei eines kapitalistischen Landes - in der Hauptstadt wählerstärkste Partei geworden. Bei den Reichstagswahlen im November 1932 stimmte jeder sechste Wähler (in Berlin jeder dritte) für die KPD, die fast sechs Millionen Stimmen erhielt (gegenüber 7,25 Millionen für die SPD). In den neun industriell entwickeltsten Wahlkreisen (dem heutigen NRW, Berlin und Umgebung, dem mittel- deutschen Industriegebiet und Oberschlesien) erhielt die KPD 2,5 Millionen, die SPD 1,7 Millionen Stimmen. Das zeigte, in welchem Maße sich die Sympathien der Mehrheit der deutschen Arbeiterklasse der KPD zuzuneigen begannen. - Welche Chancen diese Entwicklung eröffnete und wie diese vertan wurden, wird in einem weiteren Beitrag (im November-Heft) zu erörtern sein.
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