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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Vor 140 Jahren wurde Benito Mussolini geboren

Dr. Gerhard Feldbauer

 

Als faschistischer Diktator vom Oktober 1922 bis April 1945 beging er die barbarischsten Verbrechen

 

Der vor 140 Jahren, am 29. Juli 1883 geborene Benito Mussolini beging, seit er an die Spitze der bereits 1915 entstandenen faschistischen Bewegung gelangte und im Oktober 1922 in einem Militärputsch die Macht ergriff, die er bis zum April 1945 ausübte, die barbarischsten Verbrechen in der Geschichte Italiens. Das darzulegen ist heute besonders geboten, weil die im Oktober 2022, dem 100. Jahrestag des Marsches auf Rom, der faschistischen Machtergreifung, an die Regierung gekommene Führerin der Brüder Italiens (FdI), Georgia Meloni, sich ausdrücklich zum Erbe des »Duce« bekennt und erklärt, sie habe dazu ein »unbeschwertes Verhältnis«, was diese Verbrechen einschließt.

Für das Heil Italiens

Diese datieren bereits vom Januar 1915, als Mussolini zur Unterstützung der führenden Kapitalkreise [1], die den Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg forderten, Fasci d´Azione Rivoluzionario (revolutionäre Aktionsbünde), eine demagogisch so bezeichnete Vorläuferor­ganisation der faschistischen Bewegung, bildete [2]. Vor der Parlamentsabstimmung über den Kriegseintritt hetzte die von Mussolini gegründete Zeitung der Fasci »Pòpolo d´Italia« [3], die Abgeordneten, die noch nicht zum Kriegseintritt entschlossen seien – das waren vor allem die Sozialisten – »sollten vor einKriegsgericht gestellt werden«. Für »das Heil Ita­liens« seien, wenn notwendig, »einige Dutzend Abgeordnete zu erschießen«, andere »ins Zuchthaus zu stecken«.

Gegen die in den revolutionären Massenkämpfen 1919/20 sich abzeichnende Möglichkeit einer Machtergreifung durch die revolutionären Linken traten die von Mussolini geschaffe­nen Kampfbünde in Aktion, die bereits zu dieser Zeit Massenmord begingen [4]. Als die Sozi­alisten im Oktober 1920 bei den Kommunalwahlen erneut Stimmen dazugewannen und in zahlreichen Städten des Nordens rote Stadtverwaltungen in die Rathäuser einzogen, über­fielen 500 schwer bewaffnete Squadristen [5] Bologna, beschossen das Rathaus, töteten neun Bürger, verwundeten über 100 und zwangen die Stadtverwaltung zurückzutreten. Ganz Norditalien wurde danach von derartigen Terrorakten heimgesucht. Die Sturmabtei­lungen überfielen Arbeiterviertel, steckten Versammlungsräume der Sozialisten, der Ge­werkschaften und der Genossenschaften in Brand, misshandelten Funktionäre auf offener Straße und in ihren Wohnungen, erschlugen sie auf den Feldern und stellten ihre Leichen in den Städten zur Schau. In Mailand und zahlreichen weiteren Städten zwangen sie die linken Verwaltungen mit bewaffneter Gewalt, zurückzutreten. [6] 1920 fanden unter diesem Terror 2.500 Italiener (Männer, Frauen, Kinder und Greise) den Tod; wurden im ersten Halbjahr 1921 ungefähr 1.500 Menschen durch Kugeln, Messer und Schlagstöcke getötet, 20.000 Bewohner der Städte ausgewiesen oder durch Drohungen gezwungen zu fliehen. In der Emilia-Romagna, der Toskana, in Umbrien terrorisierten die Sturmabteilungen 15 Millionen Menschen. [7]

In »echter SA-Manier«

Mit der Verfolgung der »Großitalien«-Pläne führte Mussolini völkerrechtswidrige Kolonisie­rungskriege mit unzähligen Kriegsverbrechen. Er half der albanischen Reaktion, die 1920 begonnene bürgerlich-demokratische Revolution niederzuschlagen. 1939 annektierte er Albanien als Kolonie. 1925 wurden Tripolitanien und 1929 der Fessan erobert. Bei der Un­terjochung der Kyrenaika 1930 (alle genannten Gebiete gehören heute zu Libyen) wurden Konzentrationslager errichtet, in die 80.000 Nomaden eingesperrt wurden. Viele verhun­gerten dort oder fielen Seuchen zum Opfer. In die Kolonie schickte Rom etwa 110.000 Siedler, die den Nordafrikanern ihre Böden raubten, diese selbst in die Wüste trieben oder sie zwangen, sich auf Plantagen als billige Lohnsklaven zu verdingen. Zwischen 1923 und 1938/39 raubte das faschistische Italien den Libyern insgesamt 731.000 Hektar landwirt­schaftliche Nutzflächen.

Bei der Eroberung Äthiopiens (damals Abessinien) 1935/36 wurden auf Befehl Mussolinis zwischen Dezember 1935 und April 1936 über den äthiopischen Stellungen mehr als 350 Tonnen Yperit abgeworfen. Italien brach damit das 1925 unterzeichnete internationale Abkommen über den Verzicht auf den Einsatz chemischer Waffen. Während des Überfalls wurden etwa 275.000 Menschen getötet, viele durch das Yperit.

Um keine Berichte über den Giftgaseinsatz an die Öffentlichkeit kommen zu lassen, ordne­te Mussolini am 30. April 1936 persönlich an, gefangen genommene Europäer, die in der äthiopischen Armee gekämpft hatten, zu erschießen. Der Korrespondent des Mailänder »Corriere della Sera«, Ciro Poggiali, beschrieb, wie Mussolinis Schwarzhemden in der Hauptstadt Addis Abeba in »echter SA-Manier« herumliefen und »mit Knüppeln und Eisen­stangen bewaffnet« die Einheimischen, die sich noch auf der Straße befanden, erschlugen, so dass die Straßen um die Hütten »von Toten übersät« waren. Marschall Rodolfo Graziani, Generalgouverneur von Italienisch Ostafrika, befahl am 19. Februar 1937 nach einem erfolglosen Attentat, das auf ihn verübt worden war, ein Massaker, dem allein in der Haupt­stadt 30.000 Menschen zum Opfer fielen. Er ließ die äthiopische Intelligenz als einen potenziellen Oppositionsherd liquidieren. Unzählige christlich-koptische Geistliche und alle Kadetten der Militärakademie von Addis Abeba wurden umgebracht. Im Mai 1937 ließ Graziani nahezu 300 Ordensbrüder des Klosters Debre Libanos erschießen. Unzählige Äthiopier sperrte das Kolonialregime in Konzentrationslager, wo die meisten elend zu Grun­de gingen. Insgesamt kamen unter der faschistischen Herrschaft etwa 750.000 Äthiopier ums Leben. Meloni hatte nichts dagegen, dass 2012 für Marschall Rodolfo Graziani, der im Oktober 1922 Teilnehmer am »Marsch auf Rom« und später in der RSI [8] Mussolinis Kriegs­minister war, in dessen Geburtsort in der Gemeinde Affile im Latium am Rande der Haupt­stadt eine Gedenkstätte errichtet wurde.

Der rassistische Ideologe Julius Evola, dessen Herrenmenschentheorien der Gründer des Movimento Sociale Italiano – MSI (aus dem Melonis FdI hervorging), Georgio Almirante, übernahm, verherrlichte in seiner Schrift »Söhne der Sonne« die arische Rasse, Führerkult, soldatische Disziplin und den Ordensstaat. Angelo Del Boca und Mario Giovanna haben Evolas Rassismus analysiert und geschrieben: Evolas »Söhne der Sonne« seien Herren­menschen, die gegenüber »jeglicher Schwäche unerschütterlich« seien, für die »nichts wahr und alles erlaubt ist«. Außer den »Herren« würden nur Sklaven existieren. Die Masse bestehe nur aus Dienern, aus »Leuten, die überhaupt keine Rechte haben«, auch nicht das Recht auf Leben, und über deren Vernichtung »man keine Träne zu vergießen braucht«. [9] Das auf dieser rassistischen Ideologie beruhende, im Juli 1938 von Mussolini verkündete »Rassenmanifest«, mit dem grundsätzlich und wesentlich die faschistischen Rassengesetze Hitlerdeutschlands übernommen wurden, hat Melonis Verbündeter, Lega-Vorsitzender Mat­teo Salvini ausdrücklich anerkannt.

Zusammen mit Hitlerdeutschland beteiligte sich Italien 1936 bis 1939 an der Niederschla­gung der spanischen Republik und ihrer Volksfrontregierung. Mussolini schickte ein Inter­ventionskorps von 120.000 bis 150.000 nach Spanien. Als am 28. März 1939 die Verbän­de Mussolinis zusammen mit den Truppen des »Caudillo« in Madrid einmarschierten, wa­ren dem Krieg gegen die Spanische Republik über eine Million Spanier zum Opfer gefallen.

Womit Giorgia Meloni ebenfalls kein Problem hat

Mit dem Eintritt am 10. Juni 1940 in den Zweiten Weltkrieg beteiligte sich Italien an der Seite Hitlerdeutschlands an barbarischen Völkermorden und Kriegsverbrechen. Zum Über­fall auf die UdSSR schickte der »Duce« eine 230.00 Mann zählende Ostarmee (ARMIR), die bis auf einige Tausend Mann von der Wehrmacht in der Schlacht am Don im November 1942 rücksichtslos verheizt wurde. Mussolini führte, teils an der Seite der Wehrmacht, völ­kerrechtswidrige Angriffskriege in Griechenland, Ägypten, Sudan, Britisch-Somaliland, Kenia und Libyen, die für ihn mit katastrophalen Niederlagen endeten.

In der in Norditalien ausgerufene RSI mit Regierungssitz in Salò am Gardasee führten Wehrmacht, SS, SD, Gestapo und Sicherheitspolizei mit ihren italienischen Erfüllungsgehil­fen – den Camicie Nére (Schwarzhemden) und der Miliz – gegen die italienische Bevölke­rung einen erbarmungslosen Vernichtungskrieg. Für Geiselerschießungen, das Niederbren­nen von Dörfern, Mord und Folter stehen als Beispiele die Ardeatinischen Höhlen bei Rom (335 durch Genickschuss ermordete Geiseln), die Gemeinde Marzabotto (1.830 auf grau­same Weise umgebrachte Bewohner) oder der Fall des SS-Henkers von Mailand, Haupt­sturmführer Savaecke (verantwortlich für die Ermordung von über 2.000 Juden und Wider­standskämpfern). Wie der Historiker Gerhard Schreiber festhielt, wurden in der Salò-Repu­blik im statistischen Mittel – ohne die gefallenen Partisanen und regulären Soldaten einzu­beziehen – täglich 165 Kinder, Frauen und Männer jeden Alters umgebracht. Nicht erfasst sind in diesen Opferzahlen auch die 40.000 italienischen Juden, die in der RSI in die Kon­zentrationslager verschleppt wurden, wo die meisten umgebracht wurden. Ebenso nicht enthalten in diesen Zahlen sind die rund 30.000 italienischen Soldaten, die sich nach der Kapitulation weigerten, in der Salò-Republik an der Seite der Wehrmacht weiterzukämpfen und in Konzentrationslagern ermordet wurden. Auch damit, man muss es noch einmal wiederholen, hat Giorgia Meloni also keine Probleme.

Wenn Meloni in ihrer Rede am 25. Oktober 2022 vor der Abgeordnetenkammer, entgegen ihren früheren Bekenntnissen zum Faschismus Mussolinis, versuchte, sich davon zu distan­zieren, scheitert das an den Tatsachen. Zu denen, die die eben angeführten Verbrechen in der RSI begingen, gehörte der bereits erwähnte Staatssekretär des »Duce«, Georgio Almi­rante, der nicht nur sein führender Rassenideologe, so als Herausgeber des Blattes »Difesa della Razza«, war, sondern auch einen »Genickschusserlass« gegen Partisanen erließ. Almi­rante gründete im Dezember 1946 in Gestalt des MSI die Mussolinipartei wieder. Als seine Witwe Assunta Almirante am 26. April 2022 verstarb, würdigte Meloni, um es nochmals zu wiederholen, sie als »eine Säule des historischen Gedächtnisses der italienischen Rechten« und fügte hinzu: »Ich habe ein unbeschwertes Verhältnis zum Faschismus.« [10]

 

Anmerkungen:

[1] Das waren Ettore Conti (Elektroindustrie), Guido Donegani (Chemie), Giovanni Agnelli (Fahrzeugbau, Rüstung), Alberto Pirelli (Reifen und Gummi), die nach Kriegsende auch zu den Förderern der faschistischen Bewegung, die Mussolinis Marsch auf Rom finanzierten, gehörten. Siehe Alan Friedmann: Agnelli, das Gesicht der Macht, München 1989, S. 457 ff.

[2] Damit wird am Beispiel Italiens besonders deutlich, dass die Wurzeln des Faschismus bereits im Ersten Weltkrieg liegen und sein Machtantritt nicht durch die spätere »bolschewistische Gefahr« provoziert wurde.

[3] Das Blatt wurde von den eben genannten Kapitalkreisen finanziert.

[4] Ordine Nuovo, 23. Juli 1921.

[5] Nach Squadre d´Azione, Sturmabteilungen.

[6] Emilio Lusso: »Marsch auf Rom« und Umgebung, Wien, Zürich 1991, S. 29 f.

[7] Antonio Gramsci: Zu Politik, Geschichte und Kultur, Frankfurt/Main 1986, S. 101 ff.

[8] Von Mussolini auf Geheiß Hitlers im Oktober 1943 in Norditalien ausgerufene Repubblica Sociale Italiano.

[9] Angelo Del Boca/Mario Giovanni: I Figli del Sole. Mezzo Secolo di Nazifascismo nel Mondo, Mailand 1965.

[10] »Corriere della Sera«, 28. 4. 2022.

 

Mehr von Gerhard Feldbauer in den »Mitteilungen«: 

2023-07: Von der eigenen Klasse umgebracht (III)

2023-06: Von der eigenen Klasse umgebracht (II)​​​​​​​

2023-05: Von der eigenen Klasse umgebracht (I)