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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Über Ludwig Bamberger

Rosemarie Schuder

Rosemarie Schuder begeht am 24. Juli 2013 ihren 85. Geburtstag. Aus ihrem jüngsten, im März 2013 erschienenen Buch "Ludwig Bamberger, Volksvertreter im Schatten Bismarks" [1] folgen drei kurze Auszüge, die Geschichte betreffend und nicht minder die Gegenwart meinend. - Ludwig Bamberger, geboren am 22. Juli vor 190 Jahren, war ein deutscher Patriot jüdischer Herkunft, Bankier, Abgeordneter des Reichstages und Publizist. Im März 1870 war er Mitbegründer der Deutschen Bank.

Beim Niederschreiben des Schriftenwechsels im Jahr 1859 ließ Bamberger seinen Michael über die Geschichtsauslegung der Sieger nachdenken: "Die vollendete Tatsache ist ein Parasit, der auf Kosten unseres Gehirns lebt. Er wächst in dem Maße als wir uns von ihm die Organe der Erinnerung ausfressen lassen, und es liegt in unserer Macht, ihm zu widerstehen, indem wir das Gedächtnis seines Ursprungs und unserer Eindrücke treu bewahren. Michael versuchte, Thomas Mut zuzusprechen: "Und gerade, weil es in der Welt so schlecht bestellt ist, gerade weil - wie du mit Recht hervorhebst - Gewalt und Lüge so vielfach triumphieren, gerade darum ergeht zweifach an Jeden, welcher dies einsieht‚ das Verbot der Anerkennung der rohen Tatsache."

Michael duldete die Grundhaltung von Thomas: "Sei immer Pessimist so viel du willst." Er behauptete sogar, Pessimisten seien für das Verfechten von Recht und Wahrheit besser geeignet als "süßlich Verzückte, die im Interesse des eigenen Wohlbehagens dem Bedürfnis huldigen, überall Vortreffliches und Anerkennenswertes zu gewahren. Pessimiere nur immer zu! Aber ein Anderes ist: Die Macht der schlimmen Tatsachen einzugestehen, ein Anderes vor ihr verzichtend zu verstummen." […]

Wenige Jahre später wird der Historiker Heinrich von Treitschke das Leitbild einer "germanischen Volkskultur" heraufbeschwören. Und der Hof- und Domprediger Adolf Stoecker wird als Gebot für den Unterricht fordern: "Wer die alten Sprachen lehrt, wer Griechisch und Lateinisch lehrt, der muß die christliche Weltanschauung inne haben", der muss "unsere Jugend mit christlich, germanischen Idealen begeistern".

Immer wieder, so lange er lebte, waren Bamberger solche Prediger auch als Wegbereiter für den Rassenhass begegnet. So fragte er in seiner Schrift Juchhe nach Italia die Leser: "Meint ihr, die Herren hielten so ganz umsonst auf die ausschließliche Gewalt, die Presse zu besitzen, die Lehrer zu ernennen, die Schulen zu regieren, die Bücher zu zensieren‚ die Klöster zu stiften, und unwidersprochen Jahr aus Jahr ein ihr Lied ertönen zu lassen?" Er gab auch hier die Antwort: "Sie wissen es recht gut, daß man ein Volk vergiften, verfälschen, verdummen kann. Und wenn alles künstlich präpariert und einstudiert ist, dann sollen wir die Macht der Wahrheit aus diesem Präparat empfangen, das ihr Volk zu nennen beliebt, wenn ihr Blut und Tränen braucht." [...]

Wieder gingen seine Gedanken zu Bismarck, und sicher brauchte er den Namen des Fürsten nicht zu nennen, für die Leser genügte der Hinweis auf den Namen eines bestimmten Vierbeiners. Er beschrieb den Standpunkt eines Herrn, der sein Leben gestaltete wie "der Menschenverächter, der nur die Hunde liebt - viele Menschenverächter lieben aus Koketterie die Hunde, siehe Tyras [2] -‚ aber so eitel ist, daß er jedes Käseblättchen, in dem er genannt wird, sorgfältig sammelt." Der Gedankengang zurück zu Nietzsche gab mit den Worten Herrenmoral und blond einen bedrohlichen Ausblick auf kommende Zeiten: "Nietzsche leitet seine Herrenmoral von dem höheren Rechte der als stärker geborenen Bestie ab, labt sich an der Vorstellung von dem Rudel blonder Tiere, welches unter die Schwächeren seinesgleichen hereinbricht." Zum Ausklang seiner Schrift Unsere Neuesten wehrte sich Bamberger wieder mit Sarkasmus gegen die beiden Mächtigen [3] im Reich der Philosophie und Musik: "Die Solidarität der Genies schart sich um ihre Sturmfahne und predigt den heiligen Krieg gegen den Sensus communis, den alten prosaischen Menschenverstand. O tägliches Brot des gesunden Verstandes von Gottes Gnaden, komme zu uns und laß uns bewahrt sein vor dem Genie, seinem Pomp und seinen Werken! Amen!"

Anmerkungen:

[1] Im Niederlausitzer Verlag Guben, ISBN 978-3-943331-10-3, 346 Seiten, 19,95 Euro.

[2] Der Name von Bismarcks repräsentativer Dogge (Red.)

[3] Gemeint sind hier Friedrich Nietzsche und Richard Wagner. Ein Zeitgenosse Bambergers, der große Satiriker Mark Twain, schrieb in seinem "Bummel durch Europa" (1880) zu Wagner: "Ein andermal fuhren wir nach Mannheim und besuchten ein Spektakel - auch Oper genannt - und zwar ‚Lohengrin‘. Das Gebumse und Gepauke und Gedröhn und Gekrache war einfach unglaublich. Der quälende und unbarmherzige Schmerz, den es verursachte. ruht in meinem Gedächtnis gleich neben der Erinnerung an die Zeit, als ich meine Zähne in Ordnung bringen ließ. Gewisse Umstände machten es notwendig, daß ich die vier Stunden bis zum Schluß dablieb, und ich blieb da; aber das Andenken dieser langen, schleppenden, harten Leidenszeit ist unzerstörbar. Daß man es schweigend und stillsitzend ertragen mußte, machte es nur noch schlimmer. ..." (Red.)