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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Sachlichkeit im Umgang mit unserer Geschichte angemahnt

Jochen Traut, Suhl

 

Sachlichkeit im Umgang mit unserer Geschichte mahnte Jochen Traut aus Suhl in seinem Diskussionsbeitrag auf dem Landesparteitag DIE LINKE.Thüringen am 19. September 2020 in Sömmerda an:

 

Ich habe mich zu Wort gemeldet als Vertreter der Generation, die im Faschismus groß geworden ist und als Kind und heranwachsender Jugendlicher Krieg und Nachkrieg noch unmittelbar selbst erleben musste. Wir, das zeigt auch die Zusammensetzung der Delegierten unseres Landesparteitages, werden zahlenmäßig immer weniger, das ist der Lauf der Dinge.

Unsere Aufgabe war es, unter den schwierigen Bedingungen der Nachkriegszeit mit den Erfahrungen der damals älteren Generation »etwas Neues aufzubauen«, wie es in einer Liedzeile, die wir damals sangen, heißt. »Das neue Leben muss anders werden«, aus dieser Liedzeile war mit der Überwindung der Wunden, »die des Krieges Hader schuf«, eine antifaschistische Ordnung aufzubauen. Otto Grotewohl, der aus der SPD kommende Vorsitzende der SED nannte uns, die Jugend, im Jahr1947 »Wanderer zwischen zwei Welten«. 1949, auf den Goethe-Tagen der FDJ in Weimar, stellte er uns die Aufgabe, »nicht mehr Amboss, sondern Hammer« zu sein.

Das war »unser politischer Auftrag und unsere politische Verantwortung«, wie die Genossinnen und Genossen von [solid] es für das Heute, am Schluss in ihrem Papier unter der Überschrift »Kein Sozialismus ohne Demokratie!« schreiben. Wir, die Älteren sehen mit unserer subjektiven Sicht, mit dem selbst Erlebten, geschichtliche Abläufe etwas anders.

Wenn von »Aufträgen an die Generationen« gesprochen wird, so gilt meiner Meinung nach dieses Erbe, die Erfahrungen von uns Älteren, im Positiven, aber auch mit ihren Fehlern und Irrtümern anzunehmen.

Wir, die wir nun in den Endachtzigern bzw. Neunziger Jahren stehen, haben die Pflicht, unsere Erfahrungen mit sachlich-kritischem Blick, der Generation, die heute und morgen die Verantwortung zu tragen hat, mit dem Blick auf das Heute zu vermitteln.

Dazu brauchen wir, ich habe das in einem persönlichen Brief an Bodo geschrieben, eine neue Sachlichkeit im Umgang damit. Wie unhistorisch z. B. mit dem Thema 17. Juni 1953  umgegangen wurde, haben wir in diesem Sommer erlebt. Anstatt in die Erklärungen der Historischen Kommission unserer Partei hineinzuschauen, wird mit den Worten und Sätzen, dem Mainstream entsprechend, historisch verzerrt, argumentiert. Es gibt dazu  leider genügend Beispiele.

Es bleibt zu hoffen, dass im Umgang mit dem 30. Jahrestag des Beitritts der DDR zum Grundgesetz der BRD, insbesondere mit dem kritischen Umgang zur Geschichte der DDR, eine neue Sachlichkeit einzieht.

Im Entwurf des Leitantrages heißt es, »selbstkritisch die eigene Geschichte zu diskutieren. Und Zuhören statt Besserwisserei zu lernen.« Auch das erfordert eine neue Sachlichkeit im selbstkritischen Umgang. Selbstkritischer Umgang mit der Geschichte der DDR darf nicht so geschehen, dass Linke, ehemalige und noch Mitglieder der Partei, die Frage stellen: Wen soll man wählen? Es sind Genossen, Linke meiner Generation, die diese Frage stellen. Ja, es ist schlimm, dass solche Fragen überhaupt gestellt werden, denn auch das sind unsere Wählerinnen und Wähler, denn bei den Landtags- und Bundestagswahlen im nächsten Jahr zählt jede Stimme für uns.

Wie wird im Entwurf des Leitantrages als Zielstellung formuliert: »… die gesellschaftliche Mehrheit, die Rot-Rot-Grün unter den Thüringerinnen und Thüringern hat, bald wieder in die parlamentarische Mehrheit zu transformieren, um solidarisch und progressiv gestalten zu können.« Ein hohes Ziel.

Zum Schluss: Es geht mir um einen sachlichen und kritischen Umgang mit den Erfahrungen unserer, meiner Generation, mit ihren Erfolgen und mit ihren Fehlern. Unsere Aufgabe war es, Antifaschisten zu werden, die wir aus Faschismus und Krieg kamen. Als junge Antifaschisten das Neue aufzubauen, das war unter den Bedingungen von Hunger und in Trümmern nicht immer leicht.

Als unser Erbe gilt es heute, den Antifaschismus gegen die wieder aufgekommene Rechtsentwicklung zu verteidigen. Das ist heute politischer Auftrag und politische Verantwortung, um es mit den Worten der jungen Genossinnen und Genossen von [solid] zu sagen.

Es braucht Sachlichkeit im Umgang mit unserer Geschichte, eine Sachlichkeit, in der die Frage »Wen soll man wählen?« von Linken nicht gestellt werden muss.

 

Mehr von Jochen Traut in den »Mitteilungen«: 

2019-06: »Warten wir die Zukunft ab«

2016-12: Zwei Initiativanträge (Archiv)

2015-07: Wer bestimmt eigentlich die Politik der Partei?