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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Russenfeindlichen Tendenzen ein Ende bereiten

Ellen Brombacher, Berlin

 

In der Ausgabe des ND vom 25./26. Juni 2011 veröffentlichte Manfred Weißbecker eine Kritik an den historischen Wurzeln des Rußlandbildes der Nazis "Ein fataler Medusenblick?". Der Autor hebt hervor, das Rußlandbild sei nach wie vor von alten Vorurteilen bestimmt. Befördert würden negative Klischees und anmaßende Stereotype auch durch Forderungen nach stärkerer Kritik an Rußlands autoritärer Führung. "In der Wochenzeitung 'Die Zeit'", so Weißbecker, "forderte Andreas Umland ... eine neue Ostpolitik Deutschlands und der EU, die an die Stelle bisheriger 'Kumpanei' treten solle." Des weiteren bezieht sich der Autor auf einen "Spiegel"-Artikel, in welchem faktisch konstatiert wird, daß Rußlands autoritäre Züge den "Weg der Versöhnung" beschwerten. Welche Versöhnung meint der "Spiegel", zu dessen Gründungsvätern auch SS-Verbrecher gehörten? Können die Deutschen den Russen die von ihnen hinterlassenen 2.000 km verbrannte sowjetische Erde und die weit über 20 Millionen sowjetischen Toten ebenso wenig verzeihen, wie sie den Jüdinnen und Juden Auschwitz ["Die Deutschen werden den Juden Auschwitz niemals verzeihen". Zwi Rex, israelischer Psychoanalytiker] niemals verzeihen werden? Es scheint so. Deutschland jedenfalls besitzt die unbeschreibliche Dreistigkeit, dem russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin den Quadriga-Preis de facto abzuerkennen. Deutschland belehrt Rußland in puncto Menschenrechtsfragen – ohne jede Demut; als sei vergessen, was Deutsche – millionenfach – in der Sowjetunion anstellten. Für verwundete Herrenmenschen-Soldaten gab es lebende Blutspender. Es waren sowjetische Kinder, denen der letzte Tropfen Blut aus dem Körper gesaugt wurde, so daß die Haut der toten kleinen Menschen danach wie Papier war. Ungezählte Bestialitäten dieser Art gab es. Darüber weiß man in Deutschland kaum noch etwas. Zu sehr ist man mit dem Leid der deutschen Vertriebenen befaßt. Zu sehr mit dem Leid der Deutschen, nachdem der Krieg irgendwann dahin zurückkehrte, wo er begonnen hatte. In einem ein Vierteljahr nach Kriegsende verfaßten Bericht des OB von Gelsenkirchen "an den Herrn Regierungspräsidenten Münster, Betrifft: Fremdarbeiterlager" vom Juli 1945 hieß es: "Ihre Anwesenheit (die 'der Russen und sonstigen Fremdarbeiter') hat bei der Bevölkerung, die unter Bedrohung mit der Waffe von ihnen überfallen und in zahlreichen Fällen bis aufs Hemd entkleidet wurde, große Beunruhigung hervorgerufen. Die Ausländer haben geraubt und geplündert und Raubzüge gegen Landwirte unternommen, denen sie Vieh, Lebensmittel und sonstige Habseligkeiten stahlen, um sie im Schwarzhandel wieder zu veräußern." Die Beunruhigung unter der Bevölkerung setzte spät ein. Als die Dortmunder Kriegsverwaltungsinspektion am 25. 2. 1942 mitteilte, die Auszahlung eines Nettolohnes von 20 Lagerpfennigen an sowjetische Kriegsgefangene sei eine freiwillige Zuwendung des M-Stammlagers, auf die der einzelne sowjetische Kriegsgefangene keinen Anspruch erheben könne und daher auch keine Bedenken bestünden, diesen Nettolohn zu kürzen oder ganz zu entziehen, da war die Bevölkerung von Gelsenkirchen oder Dortmund jedenfalls noch nicht beunruhigt. Von Ausnahmen abgesehen störte es auch nicht weiter, daß nichtsowjetische Kriegsgefangene als Schwer- oder Schwerstarbeiter bestimmte Ernährungszulagen erhalten konnten, während für sowjetische Kriegsgefangene Zulagen nicht in Frage kamen. Was hieße in diesem Falle Versöhnung? Daß den sowjetischen Gefangenen ihre "Raubzüge" verziehen werden, weil sie keine Schwerstarbeiterzulagen erhielten? Es gibt nichts zu versöhnen! Die Russen und Angehörige anderer Völkerschaften der gewesenen Sowjetunion können den Deutschen verzeihen. Alles andere ist Anmaßung. In Anbetracht der zunehmenden antirussischen Stimmungen im Lande, die von den gleichen Medien geschürt werden, die der LINKEN Antisemitismus vorwerfen, sollte unsere Partei programmatisch die besonderen historischen Verpflichtungen benennen, die sich für die BRD aus dem Raub- und Vernichtungskrieg der Faschisten gegen die SU ergeben.

 

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