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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Ein wichtiges Ergebnis auf dem Weg zum Erfurter Parteitag

Ellen Brombacher, Berlin

 

Alle nicht zu knappen Bemühungen, die dem ursprünglichen Entwurf innewohnende prinzipielle Systemkritik durch ein Sowohl-als-auch-Verhältnis zum Kapitalismus zurückzudrängen, sind bisher gescheitert. Das ist ein wichtiges Teilergebnis auf dem Weg zum Erfurter Parteitag.

Tagesthemen sind "not amused"

Das sehen die Mainstrem-Medien offenkundig ebenso. Entsprechend groß die Wut. Am 11. Juli "widmeten" die ZDF-Tagesthemen dem Leitantrag und der Pressekonferenz, auf der dieser durch Gesine Lötzsch und Klaus Ernst vorgestellt wurde, fünfeinhalb Sendeminuten. Der Programmentwurf sei, so laut Tagesthemen "die Realos", nicht der geeignete Weg, sich um Regierungsverantwortung zu bemühen. Interviewt wurde Stefan Liebich, der meinte, statt die Auflösung der NATO zu fordern, sei es besser, die NATO zu verändern, und das könne man nur, wenn man Mitglied ist. Weiter in den Tagesthemen: Kritisiert würde der Stalinismus, nicht aber die DDR insgesamt. Das Fazit der Berichterstattung über die Pressekonferenz: Der Streit in der LINKEN ginge nun erst richtig los. Bis Oktober dürfe weiter diskutiert werden. Bis dahin stünde hinter dem Entwurf kein Punkt, sondern ein Fragezeichen.

Der Bildberichterstattung folgte ein Kommentar von Rainald Becker, SWR. Er verwies auf die Äußerung von Gesine Lötzsch, DIE LINKE sei eine demokratische Erneuerungsbewegung und kommentierte, dies müsse man ernst nehmen. Immerhin stünde die Partei seit Monaten in den Umfragen vor der Regierungspartei FDP. Mit dem Programmentwurf drehe DIE LINKE am ganz großen Rad. Er verwies auf die Forderungen nach Mindestlöhnen, Bankenverstaatlichungen, nach – perspektivisch – der 30-Stunden-Woche; er benannte die Forderungen, zur Rente mit 65 zurückzukehren, die NATO aufzulösen und die nach Überwindung kapitalistischen Eigentums. Zu all dem meinte er, dies klinge nicht neu, sondern rückwärtsgewandt, "nach DDR-light und Kolchosenherrlichkeit". Ob die zerstrittene Partei mit diesem Programm zusammengehalten würde, sei offen. Lafontaine säße an der Saar, das Führungsduo Lötzsch/Ernst sei regelmäßig überfordert, und Gysi brauche die Partei nicht mehr. Mit dem Programm der LINKEN sei kein Staat zu machen, Kommunismusdebatte hin, Antisemitismusdebatte her. Für Lötzsch möge die Programmdebatte der Schlußpunkt hinter der Gründungsphase der LINKEN sein. Für andere vielleicht sei dieses Programm der Anfang vom Ende.

Zwei zentrale Botschaften werden hier übermittelt: Zum einen, daß das Programm noch nicht beschlossen sei, und zum anderen, daß – sollte es so oder ähnlich durchkommen – dies die Spaltung der Partei einleiten könnte. Diese Ankündigungen des Mainstreams sollten wir weder über-, noch unterschätzen. Eine Kampfansage dieser Medien kann man nicht überschätzen. Fürchten muß man sie so lange nicht, wie die Befürworter des Programmentwurfs keine, zumindest keine größeren Fehler machen. Ein solcher Fehler wäre die Eitelkeit von Protagonisten der einen oder anderen Strömung, sie hätten einen progressiven Programmentwurf erkämpft. Die Basis hat das bisher geleistet, und durch nichts dürfen wir uns von ihr isolieren lassen. Ein anderer Fehler könnte sein, den Leitantrag mit einer Vielzahl von Änderungsanträgen seitens der marxistisch und linkssozialistisch orientierten Kräfte zu attackieren, oder gar die Struktur des Entwurfs prinzipiell in Frage zu stellen. Wer den in harten Auseinandersetzungen erkämpften Kompromiß, auch hinsichtlich der Struktur des Programmentwurfs, in Frage stellt, kann den Entwurf gleich ablehnen.

Prioritäten wahren

Es sollte dabei bleiben, daß es für die Parteibasis übersichtlich ist, wer den Programmentwurf verteidigt und wem er im Wege steht. Natürlich wird es auch seitens der KPF Änderungsanträge geben. Wir werden sehr verantwortungsbewußt damit umgehen, welche wir stellen und wo wir – auch ohne daß unsere Intentionen im Entwurf entsprechend bedient werden – auf Anträge verzichten, damit die Prioritäten gewahrt bleiben: Die Verteidigung der antikapitalistischen Grundlinie des Entwurfs und das Bestreben, Änderungen zu erzielen, wo es uns um substantielle Fragen geht und nicht schlechthin überall dort, wo Änderungen auch noch denkbar wären. Dieses Herangehen – die KPF folgt dieser Linie seit dem 20. März 2010 – sollten wir auch in Vorbereitung des Erfurter Parteitages beibehalten. So hat es der KPF-Bundessprecherrat andiskutiert, und so wollen wir es dem Bundeskoordinierungsrat im August vorschlagen. Dann werden wir auch schon über konkrete Anträge beraten.

Daß im Leitantrag die zu befürwortende Linie aus dem Entwurf vom 20. März 2010 bewahrt wurde, ist nicht dem Selbstlauf geschuldet. Es hat zwischen dem 20. März 2010 und dem 2./3. Juli dieses Jahres, als der Leitantrag im Bundesvorstand gegen zwei Stimmen bei einer Stimmenthaltung beschlossen wurde, mindestens drei prinzipielle Angriffe gegeben, bei denen ein Gleichklang zwischen den innerparteilichen Gegnern des Entwurfs und den Mainstream-Medien nicht zu übersehen war. Wir unterstellen nicht, daß dieser Gleichklang einer konzertierten Aktion geschuldet war. Für dessen Wirkung allerdings ist es unwesentlich, wie dieser Gleichklang zustande kam.

Drei prinzipielle Angriffe

1. Sofort nach dem 20. März 2010 begannen seitens des fds harte verbale Angriffe auf den Entwurf. Erinnert sei an den Berliner Landesparteitag im April 2010 und die dort von Klaus Lederer und Petra Pau gehaltenen Reden sowie an eine Vielzahl von anderen Erklärungen führender Funktionäre der LINKEN, vornehmlich aus dem Osten, die im Kern dem Entwurf unterstellten, er sei in der Analyse unrealistisch, male ein Horrorszenario und sei in Fragen der Alltagspolitik wenig praktikabel. Mit anderen Worten – und so hatte es z.B. Petra Pau seinerzeit auch gesagt: Der Entwurf sei so nicht zustimmungsfähig. Wir haben in den Mitteilungen im Oktober 2010 ("Der Programmentwurf im Spiegel der Presse") eine Zusammenstellung solcher, außerhalb und innerhalb der Partei artikulierten Äußerungen dokumentiert, die fast ausschließlich über bürgerliche Medien transportiert wurden. Es folgten die 13 Thesen des fds (auf die die KPF am 8. September 2010 reagierte ["Fds setzt massive Polarisierung auf die Tagesordnung", www.die-linke.de/index.php ]). Es folgte der "Schwesternprogrammentwurf" von Halina Wawzyniak und Raju Sharma, der, realistisch betrachtet, einen Gegenentwurf zweier Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstandes (!) darstellte. Geht man von den Interessen der bisherigen Programmentwurfsgegner aus, so war die Wirkung dieser Angriffe auf den Programmentwurf allerdings eher kontraproduktiv. Eine Polarisierung zu Gunsten der Programmbefürworter wurde provoziert. Es wurde schnell deutlich: Es gibt eine Mehrheit, die den Entwurf in seinen Wesenszügen trägt. Das wurde auch durch den Offenen Brief "Jegliche programmatische Anpassung wäre von Übel" (siehe Anhang) vom 30. September 2010 sichtbar, den bis Ende März 2011 mehr als 1.200 Genossinnen und Genossen unterschrieben. Auch die Landesregionalkonferenzen erlaubten nicht die Einschätzung, die Basis sei gegen den Entwurf. Das war selbst dort nicht möglich, wo die Protagonisten des fds beinahe uneingeschränkt Regie führten. Am 7. November 2010 gestaltete sich der Programmkonvent durchaus zu einem Erfolg der Programmbefürworter. Der Ton derer, die den Entwurf weitgehend ablehnten, wurde zurückhaltender.

2. Ab Dezember 2010 folgte dann, bis weit in den Januar 2011 hinein, die sogenannte Kommunismusdebatte. Wir alle haben ihren Verlauf noch in Erinnerung. So sehr sie in der Sache an den Haaren herbeigezogen war – man kann den Vorgang nur als hochgradig lächerlich bezeichnen – so gefährlich war diese Pseudodebatte in ihrer möglichen Wirkung. Daß diese nicht zur "vollen Entfaltung" gelangte, ist Gesine Lötzsch zu verdanken. Sie ließ sich nicht provozieren. Eine Provokation geht in der Regel davon aus, daß dem Provozierten scheinbar nur zwei mögliche Handlungsoptionen zur Verfügung stehen und – welche Option der Provozierte auch wählt –: Das jeweilige Handlungsergebnis richtet sich gegen dessen eigene Interessen. Wäre Gesine nicht zur Veranstaltung der jungen Welt an der Urania gegangen, so hätte man ihr das – zu Recht – als Einknicken vor dem fds und den Mainstream-Medien ausgelegt. Hätte sie sich an der Podiumsdiskussion beteiligt, so wäre sie natürlich nicht Herrin des Verfahrens gewesen. Und genau das konnte sie sich in der angeheizten Situation nicht leisten. Manche hatten für die Entscheidung Gesines, zur Veranstaltung zu gehen und Herrin des Verfahrens zu bleiben, indem sie ihre Positionen darlegte und anschließend die Veranstaltung verließ, wenig Verständnis. Doch wäre es besser gewesen, die Parteivorsitzende wäre sehenden Auges ins offene Messer gelaufen? Und – für manche Kritiker war die Form augenscheinlich wichtiger als der Inhalt. Denn die von Gesine gehaltene Rede war von Aufrichtigkeit bestimmt und fand die eindeutige Billigung des Auditoriums. Die KPF jedenfalls war Gesine Lötzsch dankbar für Inhalt und Form ihres Auftretens an der Urania, auch für die so demonstrierte Führungsstärke. Aus solch einer Situation mit erhobenem Haupt – im direkten wie übertragenen Sinne – "herauszukommen", das muß erst einmal jemand nachmachen. So wurde die Hetzkampagne der Medien gestoppt und damit auch verhindert, daß die Partei in der Programmdebatte vollkommen desorientiert wird. Die Ergebnisse der LINKEN bei den Landtagswahlen in Baden Württemberg und Rheinland Pfalz am 27. März konnten nicht der Kommunismusdebatte angelastet werden. Die schrecklichen Ereignisse in Japan überschatteten den Wahlkampf und trugen merklich zu den glänzenden Wahlresultaten für die Grünen bei. Anders hätte es aussehen können, hätten wir bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen am 22. April eine Schlappe erlitten. Doch wir zogen, wenn auch mit Verlusten, wie bereits bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und den Hamburger Bürgerschaftswahlen am 20. Februar, in das Landesparlament ein. Unsere Genossinnen und Genossen beteiligen sich in den kommenden Wochen aktiv am Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern (4. September) und Berlin (18. September). Wie auch immer die Wahlen in beiden Ländern ausgehen: Niemand sollte über den Stock springen, den die bürgerlichen Medien heute schon hinhalten. Nicht hausgemachte Probleme in beiden Ländern, so wollen sie uns suggerieren, könnten für die LINKE wahlentscheidend sein, sondern die programmatische Linksausrichtung und innerparteiliche Debatten, wie die eben beschriebene und die gerade hinter uns liegende Antisemitismusdebatte. Welch Blödsinn. Ein gutes Wahlergebnis in Berlin würde z.B. Klaus Lederer kaum als Zustimmung zum Programmentwurf interpretieren. Den Umkehrschluß sollte gegebenenfalls auch niemand ziehen.

Nicht nötig, doch auch nicht falsch

3. Die bereits erwähnte Antisemitismusdebatte war der dritte große Angriff im Rahmen der Programmdebatte. Am 13. Juni 2011 gaben Kurt Gutmann, RA Dr. Friedrich Wolff und ich zu dieser Debatte eine Erklärung ab, aus der ich hier nichts wiederholen möchte. ["'Entschieden gegen Antisemitismus' – aber nicht so!", www.die-linke.de/index.php] Nur soviel: Das Papier der Bundestagsfraktion vom 7. Juni ["Entschieden gegen Antisemitismus", www.linksfraktion.de/positionspapiere/entschieden-gegen-antisemitismus-2011-06-07 ] war unerträglich im Inhalt und verheerend in der Wirkung. Mit dem Beschluß der Fraktion vom 28. Juni ["Kritik an israelischer Regierungspolitik ist kein Antisemitismus", www.linksfraktion.de/positionspapiere/beschluss-fraktion-linke-28-juni-2011] gelang Gregor Gysi, der den Beschluß vom 7. Juni mit zu verantworten hatte, eine gewisse Korrektur – zurück zur Erklärung der Fraktion vom Mai 2009 ["Position der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag zum Nahost-Konflikt", www.linksfraktion.de/positionspapiere/position-fraktion-linke-bundestag-nahost-konflikt]. Letztere wurde auch von der KPF weitgehend mitgetragen. Nunmehr ist die der LINKEN überaus schadende Debatte vorerst abgeklungen. Von einigen wurde ich dafür kritisiert, daß ich auf der Veranstaltung der jungen Welt "Antisemitismus – Stellvertreterkrieg in der Linkspartei" im Rahmen des UZ-Pressefestes am 26. Juni meiner Überzeugung Ausdruck verlieh, es sei dringend erforderlich, diese nur den politischen Gegnern der LINKEN nutzende Diskussion schnellstmöglich zu beenden. Sofort war von der Schädlichkeit des Deckelns die Rede, und die Untauglichkeit eines Burgfriedens wurde beschworen. Ich bleibe dabei: Eine Diskussion, die von den bürgerlichen Parteien und Medien genußvoll so lange am Kochen gehalten wird, wie ihnen aus der Partei die Zutaten geliefert werden, eine Diskussion, die zerstörerisch wirkt und die Spaltung der Partei heraufbeschwören kann, kann nicht im Interesse der marxistisch orientierten Kräfte der Partei liegen. Die Frage, ob ein italienischer Weg linke Kräfte stärkt oder schwächt, ist doch wohl durch das Leben hinlänglich beantwortet. Zudem liegt auf der Hand, daß diese sogenannte Antisemitismusdebatte den Leuten von BAK Shalom und deren Gönnern in der Partei nutzte. Klar ist aber auch: Ohne einzelne, zumindest unsensible, unüberlegte Äußerungen zum Nahost-Konflikt aus dem sich links verortenden Spektrum der Partei wäre die konzertierte Aktion von manchen Protagonisten des fds und anderen so nicht möglich gewesen. Dies ist ein Plädoyer, zukünftig auf Steilvorlagen zu verzichten. Auf Vorschlag von Gesine Lötzsch und Klaus Ernst ist nunmehr im Parteiprogrammentwurf fixiert, daß die LINKE für das Existenzrecht Israels eintritt. Mir ist nicht bekannt, daß dieses in der PDS oder LINKEN je in Frage gestellt wurde – ohne daß das in früheren Programmen fixiert worden wäre. Übrigens hat auch die SED das Existenzrecht Israels nie in Frage gestellt; auch wäre Israel wohl kaum bereit gewesen, die Hallsteindoktrin zu ignorieren. Es ist mehr als ein mieser Witz, wenn der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Arnold Vaatz behauptet, der angebliche Antisemitismus in der LINKEN sei "im unter Wasser treibenden Eisberg des Restsozialismus erhalten". Der beträfe ganze Heerscharen von Trägern des ehemaligen DDR-Systems. Ohne sie könne die Linkspartei nicht existieren. Man könnte fast glauben, das Buch über die Mitverantwortung des NS-Auswärtigen Amtes für den Holocaust und die nach 1945 ungebrochene Fortführung von Karrieren im diplomatischen Dienst – und bei weitem nicht nur dort – beträfe das Außenministerium der DDR. Das nur nebenbei. Nun hat, wie bereits erwähnt, die jüngste Diskussion zu der Schlußfolgerung geführt, in das zukünftige Programm aufzunehmen, daß auch die LINKE, ausgehend von den "beispiellosen Verbrechen der Deutschen an Jüdinnen und Juden während des deutschen Faschismus" in der Verantwortung steht, "für das Existenzrecht Israels einzutreten". Das wäre, wie gesagt, nicht nötig gewesen, ist aber – im Zusammenhang mit der Forderung nach "völkerrechtliche(r) Anerkennung eines eigenständigen und lebensfähigen palästinensischen Staates auf der Basis der Resolutionen der Vereinten Nationen" – auch nicht falsch. Es wäre auch nicht nötig gewesen, in diesem Kontext zu formulieren, daß dies im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung erfolgen sollte. Wie auch immer: In Frage zu stellen, daß das Eintreten für das Existenzrecht Israels im zukünftigen Programm fixiert bleibt, hieße nicht nur, bisherige Selbstverständlichkeiten in der PDS bzw. LINKEN in Frage zu stellen, sondern auch, das Klima während der noch verbleibenden drei Monate der Programmdebatte zu vergiften. In einem solchen Klima könnte nichts Gutes herauskommen: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde vielmehr eine solche erneute Debatte dazu führen, die Richtung des Programms insgesamt zu verändern. Man muß sich nur die pseudotheoretischen Ergüsse der BAK-Shalom-Protagonisten anschauen, um zu wissen, daß jede erneute Antisemitismusdiskussion in einem von den Mainstream-Medien unterstützten Kampf dieser Leute münden würde, die antikapitalistische und antiimperialistische Grundlinie des Programmentwurfs zu liquidieren. Das braucht weder die LINKE insgesamt, noch wäre dies zu Gunsten der marxistisch orientierten Kräfte in der Partei. Die KPF sollte sich in Anträgen nicht zuletzt darauf konzentrieren, auch die Verantwortung zu thematisieren, die sich aus den ungeheuerlichen Verbrechen der Deutschen während des deutschen Faschismus an Sinti und Roma und an weit über 20 Millionen Sowjetbürgern ergeben. Was wir unterstützen sollten, ist – wie dies der VVN-BdA-Kongreß forderte – den Sinti und Roma einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland zu gewähren, statt sie auszugrenzen und abzuschieben. Und – in Anbetracht der zunehmenden antirussischen Stimmungen im Lande, die von den gleichen Medien geschürt werden, die der LINKEN Antisemitismus vorwerfen, sollte unsere Partei programmatisch die besonderen Verpflichtungen benennen, die sich für die BRD aus dem Raub- und Vernichtungskrieg der Faschisten gegen die SU ergeben, und die unsere Partei daher in aller Offenheit artikuliert. Das in der BRD permanente, ins Perverse gehende Schüren antirussischer Ressentiments gehört mit Sicherheit nicht zu diesen Verpflichtungen.

Soweit zu den Hauptauseinandersetzungen, die bisher im Rahmen der Programmdebatte stattfanden. Vor uns steht aller Voraussicht nach auch die Fortführung des seit mehr als anderthalb Jahrzehnten währenden Streits um die friedenspolitischen Prinzipien unserer Partei. Stefan Liebich "erkennt im außen- und sicherheitspolitischen Teil des Entwurfs 'schmerzhafte Mängel'", meldete das ND vom 13. Juli 2011. Uns geht es da anders. Aber – das dürfte für keinen Leser der Mitteilungen eine Überraschung darstellen. Mit dieser Problematik haben wir uns gerade in den letzten anderthalb Jahren intensiv befaßt. Im kommenden Mitteilungsheft werden wir über die Ergebnisse der August-Sitzung des KPF-Bundeskoordinierungsrates informieren und die nächsten Schlußfolgerungen für die Vorbereitung des Erfurter Parteitages ziehen.

Anhang:

Wortlaut des Offenen Briefes "Jegliche programmatische Anpassung wäre von Übel" vom 30. September 2010: "Liebe Genossinnen und Genossen, den am 20. März 2010 vorgelegten Programmentwurf für die Partei DIE LINKE haben wir vorwiegend positiv aufgenommen. Es war und ist an der Zeit, solch deutliche Worte zur Charakterisierung des 'modernen' Kapitalismus auszusprechen. Mit dem Programmentwurf haben 'einige – auch Spitzenfunktionäre – [die] den Entwurf sofort, vor jeder Diskussion, mehr oder weniger verrissen haben' [Gesine Lötzsch auf dem ND-Pressefest am 19. Juni 2010, www.neues-deutschland.de] Schwierigkeiten. Auch das forum demokratischer sozialismus (fds) beteiligt sich in seinen jüngsten 13 Thesen an diesem Verriß. Wir nicht! Die Klarheit der Kapitalismusanalyse des Programmentwurfs muß erhalten bleiben. Das gilt besonders für die Kernaussagen zur Eigentumsfrage. Die klaren Aussagen zur außenpolitischen Ausrichtung unserer Partei müssen unangetastet bleiben. DIE LINKE ist gegen Kriegseinsätze ohne Wenn und Aber, programmatisch und im politischen Tagesgeschäft. Und noch etwas liegt uns besonders am Herzen: Die Beibehaltung der im Programmentwurf fixierten inhaltlichen Kriterien für Regierungsbeteiligungen. Der Innenminister will die weitere Charakterisierung der LINKEN von ihrem zukünftigen Programm abhängig machen. Ähnliche Töne hören wir wieder und wieder von SPD- und Grünen-Politikern. Das zukünftige Programm der LINKEN muß den Grunderfahrungen, -stimmungen und grundsätzlichen Zielvorstellungen der Parteibasis entsprechen. Jegliche programmatische Anpassung wäre von Übel." http://www.die-linke.de/index.php?id=7035

 

Mehr von Ellen Brombacher in den »Mitteilungen«: 

2011-07: Entschieden gegen Antisemitismus – aber nicht so!

2011-06: Herr Jörges, die Kräfte der Vernunft und DIE LINKE

2011-05: Rede am 125. Geburtstag von Ernst Thälmann