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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Herr Jörges, die Kräfte der Vernunft und DIE LINKE

Ellen Brombacher, Berlin

 

Zitat des Tages: "Ich wünsche mir, daß wir nicht jedem Straftäter mehr Resozialisierungschancen geben als jemandem, der mal in der SED war." SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel gegenüber dem Stern. Der SPD-Chef buhlt um Mitglieder der Linken, eine ehemalige SED-Mitgliedschaft soll dafür kein Hindernis mehr sein. (jW vom 26. Mai 2011, Seite 4)

Hans-Ulrich Jörges plädiert im stern 18/2011 für eine "Operation am roten Herzen". Seine Überlegungen: Da der Wettlauf zum Atomausstieg parteipolitisch alternativlos sei, sei eine schwarz-grüne Koalition nach 2013 kein Hirngespinst mehr. Das riefe nach einer Neuordnung der politischen Linken. Die Zeit sei gekommen, "das Fünfparteiensystem wieder auf vier, im Falle des parlamentarischen Untergangs der FDP gar nur auf drei maßgebliche Kräfte zurückzuführen. Die Koalitionsbildung wäre dann wieder einfach – und spannend: Rot-Grün oder Schwarz-Grün ...". Jörges geht davon aus, daß die SPD vor zwei Jahrzehnten einen schweren Fehler beging, als sie ihre Tore nicht für SED-Mitglieder öffnete. Angst vor Bürgerrechtssozialdemokraten aus der sogenannten Wendezeit und vor heftigen Attacken des politischen Gegners dürfe nicht erneut eine Neuordnung der Linken verhindern. Warum scheint Jörges die Zeit für einen "strategischen, ja historischen Schnitt" gekommen? Die Linkspartei befände sich vier Jahre nach ihrer Gründung inmitten einer zermürbenden Krise. Heillos seien die Verwerfungen. Die Partei sei in einer schier ausweglosen Lage. Die politische Substanz sei aufgezehrt, menschlich sei das innerparteiliche Klima unerträglich geworden. Die Protagonisten seien heillos verkeilt, teils bitter verfeindet. Intrigen, Verzweiflung und Untergangsstimmung grassierten. Seit der Wahl 2009 sei die Linke von 11,9 auf acht Prozent abgeschmolzen, hätte also ein Drittel ihrer Anhänger verloren.

Prima Klima in anderen Parteien

Soweit Herr Jörges über die Lage in der LINKEN. Zunächst einmal ist es schön, daß wir auf diese, gewissermaßen indirekte Weise erfahren, daß in anderen Parteien das innerparteiliche Klima sozusagen menschlich prima ist. Intrigen gehören offensichtlich nicht zu deren Leben, keiner ist dort mit keinem bitter verfeindet und nirgendwo sonst sind Protagonisten heillos verkeilt. Es ist eigentlich auch logisch, daß zum Beispiel in einer christlichen Partei die Protagonisten eher heilvoll verkeilt sind.

Nein – ich will die Lage nicht besser schreiben, als sie ist. Ich will lediglich darauf verweisen, daß es keinen Grund gibt, der LINKEN eine schier ausweglose Lage zu unterstellen, weil auch ihr innerparteiliche Konflikte nicht fremd sind und Auseinandersetzungen um Richtungen sich womöglich in der LINKEN härter gestalten als in den bürgerlichen Parteien. In denen ist nämlich eines unumstritten: Die bürgerliche Richtung. Nun höre ich förmlich den Vorwurf: Ja – aber wir sind doch eine sozialistische Partei. Da gelten doch andere Normen. Da muß man doch – im Kampf um weltweite Menschlichkeit – auch im kleinen menschlich miteinander umgehen. Selbstverständlich: Dem Anspruch eines kulturvollen Miteinanders müssen wir uns stets stellen. Aber – Politik wird von Menschen gemacht, und die sind charakterlich sehr verschieden voneinander, auch unter Sozialisten. In der Politik werden Interessen realisiert. Das ist ihr Wesen. Und durchgesetzt werden diese Interessen durch sehr verschiedene Charaktere, die demzufolge sehr unterschiedlich agieren. Das bringt Konflikte. Das im übrigen charakterisiert die Pluralität der LINKEN und ist a priori weder positiv noch negativ. Positiv ist die Möglichkeit, daß unterschiedliche Auffassungen in der Partei zur Geltung kommen können. Das sieht Herr Jörges auch so. Allerdings nicht für die LINKE, sondern für die SPD. Die SPD könne sich wieder aufladen, schreibt er, "durch die Spannung zwischen einem linken und rechten Parteiflügel". In ihrer Geschichte habe die SPD von der Integration konkurrierender Strömungen immer profitiert. Auch 1914?

Euphorie ist kein Dauerzustand

"Ein starker pazifistischer Flügel in einer vereinten Sozialdemokratie aber", so Jörges, "wäre kein Unglück, das ließe sich demokratisch klären." Was er wohl damit meint? Daß kriegsbefürwortende Teile einer neugeordneten SPD die Mehrheit hätten und somit weiteren Kriegen – natürlich auf demokratischer Grundlage – nichts im Wege stünde?

Kommen wir auf Jörges' Feststellung zurück, die LINKE habe seit ihrer Gründung ein Drittel ihrer Anhänger verloren. Es ist gewagt, allzu prinzipielle Schlußfolgerungen aus Umfragen abzuleiten. Während der gut einstündigen Rede Westerwelles auf dem jüngsten FDP-Parteitag lief in ntv die Telefonumfrage, ob die FDP noch gebraucht würde oder nicht. Als Westerwelle zu reden begann, meinten 34%, sie habe noch eine Existenzberechtigung, und 37% meinten das Gegenteil. Als Westerwelle endete, waren 56% für die Weiterexistenz der FDP und 44% hielten sie für überflüssig. Aus der Tatsache, daß am Ende eine Mehrheit für die FDP-Weiterexistenz war, läßt sich eigentlich nur eine Schlußfolgerung ziehen: Daß Westerwelle gut geredet hat. Die Aussage von Jörges mit nur diesen Anmerkungen abzuqualifizieren, wäre allerdings kurzsichtig. Es gibt durchaus ein tiefer gehendes Problem: In den – sozusagen – Gründerjahren der LINKEN, also während des Fusionsprozesses von PDS und WASG, herrschte so etwas wie Euphorie. Alle Welt, zumindest die linke, träumte den plötzlich realistisch erscheinenden Traum von der Einheit aller Linken in Deutschland. Wenngleich dieser linke Traum nicht zeitgeistgemäß war und ist, wurde er mit großer Intensität von den bürgerlichen Medien multipliziert. Darüber, warum dies so war, kann man nur spekulieren. Vielleicht war es einfach nur das zeitweilige Hochstilisieren eines scheinbaren Phänomens, um später umso wirkungsvoller sagen zu können, die neue Linke sei schon wenige Jahre nach ihrer Gründung auf dem absteigenden Ast. Vielleicht erhoffte man sich durch das Zusammengehen mit der WASG einen Zuwachs an Antikommunismus. Eins steht fest: Gute Absichten verfolgten die Mainstream-Medien mit Sicherheit nicht, als sie den Fusionsprozeß mit großer Aufmerksamkeit und teils sogar mit vorgegebener Sympathie begleiteten. Objektiv – und durch die Medien "nur" positiv oder negativ verstärkt – wirkte und wirkt die altbekannte Tatsache, daß in politisch euphorisierten Phasen, besonders übrigens in revolutionären Zeiten, Bewegungen einen außergewöhnlichen Zustrom erfahren. Viele, die in solchen Zeiten kommen, rechnen mit schnellen Erfolgen, und wenn sich diese Hoffnung auf rasche Veränderungen als Illusion herausstellt, resignieren sie ebenso schnell wie sie vorher entflammten. Die Mühen der Ebene sind zu keiner Zeit jedermanns Sache gewesen. Es ist also ein völlig normaler Vorgang, daß nach einiger Zeit Euphorie schwindet, der Alltag Einzug hält, zu dem immer auch nicht genehme Auseinandersetzungen gehören, und somit einiger Lack abplatzt. Wer sich darüber wundert oder gar empört, ist irgendwie hinterhältig oder unprofessionell. Zumindest letzteres ist Jörges nicht. Man kann ihm also gut und gerne unterstellen, daß er mit beinahe unverhohlenem Kalkül die Lage schwarz malt, eines wissend: Wenn die Medien dies übereinstimmend lange genug gemeinsam tun, es auch alle Welt so sieht, bis tief in die Partei Die LINKE hinein.

Funktionstüchtige, vitale Funktionsstrukturen

Daß Jörges selbst in Wirklichkeit die Lage in unserer Partei wesentlich differenzierter bewertet, wird durch folgende Formulierung überdeutlich, bezogen auf seinen vermeintlich strategischen Vorschlag, die SPD möge mit den pragmatischen und einigungswilligen Teilen der Linkspartei zusammengehen: "Die Sozialdemokraten könnten damit in den neuen Ländern, wo sie teils erbärmlich schwach dahindämmern, funktionstüchtige, vitale Parteistrukturen der Linken übernehmen und sich als Gesamtpartei wieder politisch aufladen ...". Eine, zurückhaltend formuliert, merkwürdige Logik: Die Linkspartei "in einer schier ausweglosen Lage", die zugleich über "funktionstüchtige, vitale Parteistrukturen" verfügt. Aber auch hier dürfen wir es uns nicht zu einfach machen, und Jörges nur abtun. Wenn aus einer Partei, vor allem aus manchen gewählten Leitungen und parlamentarischen Vertretungen selbst heraus, der Eindruck erweckt wird, sie habe keinen "Gebrauchswert" mehr, dann lähmt das die Gesamtstrukturen, weil politisches Selbstbewußtsein zerstört wird. Eine solche Selbstbezichtigung wird von den Mainstream-Medien multipliziert und, wenn sie nachhaltig betrieben wird, verstetigt. Nehmen wir das mehr als achtseitige fds-Papier: "Einige Feststellungen zur aktuellen Situation der LINKEN aus der Sicht des fds-Bundesvorstandes". Nachfolgend soll ein Extrakt dieser Überlegungen verdeutlichen, wo gedankliche Quellen des Runterschreibens der LINKEN auch zu finden sind, aus welchen Gründen auch immer.

Wer sind die Kräfte der Vernunft?

Nicht die Reaktorkatastrophe in Fukushima, das aktuelle Hoch der Grünen in den Umfragen oder die Politik der SPD, so das fds, seien Ursachen für die Krise unserer Partei. Sie sei hausgemacht und offenbare den derzeit fehlenden Gebrauchswert der LINKEN. Seit der Bundestagswahl 2009 und gemeinsam in der Opposition mit SPD und Grünen hätten sich für DIE LINKE eine Reihe von Alleinstellungsmerkmalen relativiert.

Darauf müßten strategische, inhaltliche und organisatorische Antworten gefunden werden. Doch nach knapp einem Jahr des amtierenden Parteivorstandes ließe sich sagen, "daß es an Reflexion dieser Situation ebenso mangelt wie an kultureller, intellektueller und politischer Ausstrahlung". Diese Defizite verknüpften sich "mit einem Mangel an Professionalität, Strategie- und Diskursfähigkeit sowie der notwendigen Konzentration bei Kampagnen". Vor allem jedoch fehle der Integrationswille. Jörges nennt so etwas "eine zermürbende Krise".

Die Partei, heißt es weiter, habe sich auf die neue Situation der schwarz-gelben Regierungszeit nicht ausreichend eingestellt, und es gelinge ihr in der Wirtschafts- und Finanzkrise nicht, überzeugende Lösungen und Perspektiven anzubieten. Eine Radikalisierung der Forderungen brächte die Partei nicht weiter. Negativszenarien sollten zurückhaltender projiziert werden.

Angesichts der komplexen Sachlage ließe sich nicht einfach am erfolgreichen Kurs von Oskar Lafontaine anknüpfen. Genau so wenig wie es möglich sei, die Zeit anzuhalten oder zurückzudrehen. Der Kurs unserer Partei aus den Jahren 2005 bis 2009 müsse an die heutigen Bedingungen angepaßt und modifiziert werden. Im Rahmen der strategischen wie der Programmdebatte stünde die Herausforderung, auch mittelfristig offene Fragen weiter zu diskutieren und Antworten zu beschreiben. Eine solche offene Frage ist für das fds die der "friedlichen Außenpolitik".

Aus Sicht des radikalreformerischen Flügels bleibe es ein Problem, daß die Verbindung von sozialdemokratischem Flügel und radikal-antikapitalistischer Denkströmung zu einer Marginalisierung des transformatorischen und radikalreformerischen Ansatzes führte. Wesentliche Potentiale und auch Erfahrungen dieses in der früheren PDS hegemonialen Ansatzes – ein dankenswert offenes Eingeständnis – blieben damit zumindest unberücksichtigt. Wie das fds diese Feststellung wertet, offenbart vor allem der den letzten Punkt des Papiers einleitende Satz: "Unsere Partei DIE LINKE hat eine Chance, wenn die Kräfte der Vernunft wieder Oberhand gewinnen." Der Umkehrschluß liegt auf der Hand und soll nicht kommentiert werden. Das Papier endet mit einem konkreten Vorschlag, durch dessen Realisierung wohl "die Kräfte der Vernunft wieder Oberhand gewinnen" sollen. "Im Lichte der Programmentscheidungen, der analytisch zu verarbeitenden Wahlergebnisse", so heißt es, "wird Bilanz über das Wirken der Parteiführung zu ziehen sein. Aus unserer Sicht", so das fds weiter, "sollte dieser schwierige und öffentlich nicht einfache Prozeß jedoch nicht mehr bis Mai 2012 ausgedehnt, sondern mit einer neuen Legitimation eines Parteivorstandes schon im Januar 2012 beendet werden. Damit hat der neue Vorstand genug Zeit, neue politische und innerparteiliche Impulse zu setzen und langfristig das Wahljahr 2013 vorzubereiten." Und was das Wahljahr 2013 anbetrifft, so wird darauf verwiesen, es bedürfe einer starken LINKEN, wenn die schwarz-gelbe Regierung abgelöst und nicht durch die Wiederauflage von Rot-Grün als ökologisch gewendeter Sozialabbaupolitik ersetzt werden solle. Diese starke LINKE müsse "die Souveränität besitzen, über Bündnisse mit SPD und Grünen nicht nur zu theoretisieren, sondern diese Bündnisse auch tatsächlich einzugehen."

"Gott befohlen"?

Kommen wir noch einmal auf Jörges zurück. "Rot-Grün-Rot ist ausgeträumt", zitiert er Sigmar Gabriel, den "analytisch fixe(n) SPD-Chef". Und weiter gibt er Gabriel wieder: "Die Grünen werden – sollte es für Rot-Grün nicht reichen – immer einer einfachen Zweierkoalition mit der CDU den Vorrang geben." "Recht hat er", kommentiert Jörges – und fragt sich gewiß: Was tun? Für eine Fusion, so meint er, sei es zu spät. Er plädiert – nennen wir das Kind beim Namen – für eine Abspaltung. Und er nennt die Bedingungen, die seitens der SPD den "pragmatischen und einigungswilligen Teilen der Linkspartei" hierfür gewährleistet werden müßten: mit einer historisch großen und menschlich großzügigen Geste müsse diesen "einigungswilligen Teilen" die Aufnahme angeboten werden. Und nun folgt etwas ungemein Überraschendes, beinahe Unglaubliches: Dies müsse "mit der Zusicherung von Mandaten und Führungspositionen auf allen Ebenen, besonders in Ostdeutschland" verbunden sein. Welch unsittliches Angebot. Die laut Jörges "einigungswilligen Teile" in der Ostlinken sollen gekauft werden. Halten wir Jörges zugute, daß er so sehr ein Kind dieser Gesellschaft ist, daß ihm das Ehrenrührige seiner Überlegung verborgen bleibt. Bekanntlich ist im Kapitalismus ja beinahe alles käuflich, Menschen inbegriffen. Dieser Denkweise muß sich niemand in einer sozialistischen Partei anschließen. Den Rest regelt das Leben. Doch bleiben wir für einen weiteren Moment bei Jörges Denkstruktur. Könnte man einen Teil der Partei in die SPD hinüberziehen, so schlußfolgert er messerscharf, bliebe ja ein anderer Teil übrig. Jörges beschreibt diesen so: "Der kommunistische oder querulatorische Rest möge zurückbleiben. Gott befohlen. Oder treffender gesagt: in Lenins und Stalins Namen." Auf eine Auseinandersetzung mit dieser unter die Gürtellinie gehenden Berufung auf den lieben Gott sei hier verzichtet.

Wir wollen keine Spaltung!

Wesentlich ist etwas anderes. Jörges begeht hier – erinnert sei noch einmal an die von ihm kreierte, lichtvolle Beschreibung einer sterbenden Partei mit vitalen Strukturen – den zweiten großen Fehler im Rahmen seiner historischen Ratschläge. Erneut nämlich ignoriert er vor allem den eigenständigen Willen der Basis. Kaum eine Basisorganisation – und zwar in Ost wie in West – würde einen solchen Kuhhandel, fände er denn überhaupt statt, mitmachen. Folgen wir Jörges Gedankenspielen dennoch für einen weiteren Moment. Das Ergebnis der von Jörges gewünschten Abspaltung wäre nicht ein von ihm für die SPD als so heilsam betrachteter starker linker Flügel. Die Übertretenden, so sich denn solche fänden – stünden per se rechts neben dem heutigen linken Flügel der SPD, und jene von Jörges als kommunistisch und querulatorisch charakterisierten Mitglieder unserer Partei gingen nicht mit. Nicht nur Jörges, auch wir würden uns wundern, wie viele Kommunisten es in der LINKEN gibt.

Damit es keinerlei Mißverständnisse gibt: Die KPF will keine Spaltung der Partei! Doch kehren wir noch einmal zu den Wünschen des Stern-Journalisten zurück: Nicht eine linkere SPD wäre das Ergebnis, würde Jörges Vorschlag sich realisieren lassen, sondern ein gewaltiger Rechtsruck der gesamten Parteienlandschaft. Zurück bliebe eine mit Sicherheit enorm geschwächte LINKE. Womöglich niemand in den Parlamenten stünde mehr gegen Kriegseinsätze. Die wirklich große Stunde der Sarrazins käme erst – und diese Typen müßten nicht einmal eine neue Partei gründen. Der Präzedenzfall, Sarrazins Mitgliedschaft in der SPD nicht anzutasten, eröffnet unheimliche Freiräume für dumpfen Rassismus und Sozialdarwinismus. Die Politik der Ausweitung des Niedriglohnsektors bliebe auch in Zukunft unangetastet. SPD und Grüne haben die Hartz-IV-Politk erfunden und sich nie davon distanziert. Daß sie sich heutzutage so geben, als stünden sie irgendwie in Opposition zu ihren eigenen verheerenden Weichenstellungen, ist demagogisch; aber kein konzeptioneller Wechsel. Wenn Jörges, ähnlich wie das fds, schreibt, die politische Substanz der Linkspartei sei aufgezehrt, mit dem Ruf nach Mindestlöhnen und Abkehr von Hartz-IV oder Rente mit 67 habe die Linke anfangs das gesamte Parteienspektrum nach links getrieben, und es gäbe heute, abgesehen von der Außenpolitik, kaum noch gravierende Differenzen zur gewendeten SPD, so setzt er originäre Politik und opportunistische Wendungen gleich. Nicht weiter verwunderlich und dennoch falsch. Denn: Mögen auch prinzipielle Unterschiede zeitweise verwischt erscheinen – wenn Entscheidungssituationen heranreifen, so kommen sie wieder zum Tragen. All diejenigen in unserer Partei, die auch in Anbetracht der Wahlniederlagen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Auffassung vertreten, die Strategie der LINKEN sei grundsätzlich realitätstauglich und ebenso die von der Parteimehrheit getragene programmatische Grundlinie, all jene tragen der Tatsache Rechnung, daß in sozialistischer Politik nicht tagespolitische Wendungen das Prä haben sollten, sondern mittel- und langfristige politische Konzepte. Hier sei nur am Rande erwähnt, daß so manche innerhalb und außerhalb der LINKEN den Wert der mehr oder weniger großen Wahlerfolge in Hamburg, Sachsen-Anhalt und Bremen offenbar mit einem anderen Maßstab messen als die Niederlagen in den bereits oben genannten Bundesländern. Nein, die wesentlich von Oskar Lafontaine geprägte politische und programmatische Linie der Partei hat sich nicht erschöpft. Oder sind die Kämpfe z.B. in Griechenland oder Spanien, sind die schon antagonistisch anmutenden Auseinandersetzungen um die Rettung des Euro oder die ungezählten täglichen Horrormeldungen aus aller Welt ein Indiz für die Bewältigung der globalen Krise eines beinahe ausschließlich auf Profitmaximierung fixierten Systems?

Konsequenzen für die KPF

  • Die Kommunistinnen und Kommunisten in der LINKEN müssen alle Anstrengungen unternehmen, um gemeinsam mit vielen Genossinnen und Genossen einer Schwächung der Gesamtpartei entgegenzuwirken. Das schließt die aktive Teilnahme an den bevorstehenden Wahlkämpfen ein. Jede Niederlage würde von der veröffentlichten Meinung als Beweis für den Niedergang der gesamten LINKEN interpretiert werden.
  • Wir dürfen gerade jetzt keine Vorwände liefern, die es ermöglichten, der nicht dem fds zugehörigen Parteimehrheit die Verantwortung für innerparteiliche Auseinandersetzungen zuzuschieben.
  • Der bevorstehende Programmparteitag muß durch gründliche Sacharbeit vorbereitet werden, unter Beibehaltung der von uns stetig vertretenen Auffassung, daß die Grundlinie des bisherigen Programmentwurfs erhalten bleiben sollte.
  • Wir werden alles in unseren Kräften Stehende tun, um die gewählte Parteiführung in ihrer Arbeit zu unterstützen. Einen vorgezogenen Wahlparteitag lehnen wir ab.

 

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