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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Nie wieder darf das geschehen!

Ralph Dobrawa, Gotha

 

Zum 75. Jahrestag der Urteilsverkündung im ersten Ravensbrück-Prozess

Der faschistische deutsche Staat war dafür bekannt, dass er Gegnerinnen und Gegner seines diktatorischen Regimes, aber auch andere unliebsame Zeitgenossinnen und -genossen in eigens zu diesem Zweck errichteten Konzentrationslagern zusammenpferchte. Dort wurden sie oft über Jahre ohne jegliche Rechtsgrundlage ihrer Freiheit und Menschenwürde beraubt. Viele von ihnen mussten höllische Qualen überstehen, die durch Folter und Gewalt verursacht wurden. Tausende sind in diesen Lagern auf grausame Weise ermordet oder durch die furchtbaren Lebensbedingungen in den Tod getrieben worden. Andere starben an Hunger oder den Folgen medizinischer Experimente.

Eines dieser berüchtigten Lager war das KZ Ravensbrück, wo vorrangig Frauen untergebracht waren. Wie auch bei anderen Konzentrationslagern gehörten zahlreiche Außenlager dazu. Es wurde in den Jahren 1938/1939 in der Nähe von Fürstenberg an der Havel errichtet und unterstand der SS. Auch hier waren die typischen Baracken zu finden, die den Häftlingen als Unterkunft dienen sollten, aber letztlich nur wenig Schutz gegen Nässe und Kälte boten. Durch die zunehmende Überfüllung kam es zur Ausbreitung von Krankheiten und Seuchen. Nach und nach wurden aus über 30 verschiedenen Nationen Frauen nach Ravensbrück verbracht. Vor allem Frauen aus Polen und Frankreich, Jüdinnen, Sinti und Roma aus vielen europäischen Ländern verschleppten die Nazis dorthin. Bis 1945 sollen es etwa 120.000 Frauen und Kinder sowie 20.000 Männer gewesen sein, die die Hölle erleben mussten. An anderer Stelle wird sogar von 132.000 Frauen und Kindern berichtet. Zeitweilig diente das Lager auch als Hinrichtungsstätte. Als sich gegen Ende des barbarischen Zweiten Weltkrieges der Untergang des Nazireiches abzeichnete, wurden auch von Ravensbrück aus Häftlinge gezwungen, Todesmärsche anzutreten. Etwa 20.000 sollen es gewesen sein. Vorher wurden noch viele Häftlinge ermordet. Am 30. April 1945 befreite die Rote Armee das Stammlager mit ca. 2.000 verbliebenen Häftlingen und wenige Tage später auch einen Teil der auf dem Todesmarsch befindlichen Häftlinge.

Nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus ging es vor allem darum, die Verantwortlichen für die Gräuel zur Rechenschaft zu ziehen und vor Gericht zu stellen. Das geschah zunächst unter der Gerichtshoheit britischer und französischer Militärgerichte. Insgesamt wurden unter britischer Hoheit sieben Prozesse gegen Angeklagte, die in Ravensbrück als Aufseherinnen und Aufseher oder als Ärzte und andere Verantwortliche eingesetzt waren, durchgeführt.

Der erste Ravensbrück-Prozess begann am 5. Dezember 1946 in Hamburg und dauerte knapp zwei Monate. Neben einem Vorsitzenden gehörten fünf beisitzende Richter der britischen Armee sowie ein polnischer Offizier dem Spruchkörper an. Angeklagt waren insgesamt 16 Personen, unter ihnen der Schutzhaftlagerführer Johann Schwarzhuber, der Kompanieführer des SS-Wachbataillons Heinrich Peters, fünf Ärzte, eine Schwester, drei weibliche SS-Angehörige in Aufsichtsfunktionen, aber auch drei weibliche ehemalige KZ-Gefangene, die sich den Nazis angedient hatten und dabei sich schwerer Straftaten schuldig machten. Es ging vor allem um Mordtaten an Häftlingen, Misshandlungen und schwere Körperverletzungen. Keiner von ihnen räumte seine Schuld ein. Die Urteilsverkündung erfolgte am 3. Februar 1947. Elf der Angeklagten wurden zum Tod durch den Strang verurteilt, vier Angeklagte erhielten Haftstrafen zwischen 10 und 15 Jahren. Einer der angeklagten Ärzte starb noch vor der Urteilsverkündung. Unter den zum Tode Verurteilten befand sich auch der SS-Standortarzt Gerhard Schiedlausky, der später auch bei den Ermittlungen um die Ermordung Ernst Thälmanns im Konzentrationslager Buchenwald als am Tatort befindlicher Mittäter benannt wurde. Er war dort dann Lagerarzt und SS-Hauptsturmführer. Ursprünglich waren noch zwei weitere Männer angeklagt, die sich durch Flucht zunächst ihrer Verantwortung entzogen, jedoch einige Zeit nach ihrem Untertauchen entdeckt werden konnten und in einem späteren Prozess ebenfalls zum Tode verurteilt wurden. Einer von ihnen war der Lagerkommandant Fritz Suhren. Er war ab Sommer 1942 bis zur Befreiung des Lagers Ravensbrück in dieser Funktion tätig. Einige der in Ravensbrück tätigen Ärzte wurden bereits im Nürnberger Ärzteprozess angeklagt und verurteilt.

Ab Mai 1944 waren auch Ernst Thälmanns Frau Rosa und seine Tochter Irma bis zur Lagerbefreiung in Ravensbrück bzw. dem Außenlager Neubrandenburg inhaftiert.

Eine weitere bekannte Insassin war Olga Benario, die bereits zur Inbetriebnahme aus dem KZ Lichtenburg bei Jessen/Elbe nach dorthin transportiert worden war und drei Jahre später in Bernburg getötet wurde.

Kennzeichnend für Ravensbrück war eine zumindest zeitweilig bestehende besondere Solidarität und auch Zusammenhalt unter den Häftlingen.

Brutalität innerhalb der Lagermauern

In allen Verfahren, wo vor allem weibliche Aufseherinnen angeklagt waren, spielte immer wieder eine Rolle, wie diese zu besonderer Brutalität und Erniedrigung fähig waren. Meist sind sie relativ jung gewesen und zeichneten sich nicht selten durch besondere Diensteifrigkeit aus. Außerhalb eines Konzentrationslagers haben sie vermutlich oft einen eher biederen Eindruck erweckt und kaum jemand hätte ihnen gewaltsame Handlungen zugetraut. Innerhalb der Lagermauern mutierten jedoch viele geradezu zu brutalen Monstern. Stockschläge oder das Hetzen von bissigen Hunden auf Insassinnen waren an der Tagesordnung, auch in Ravensbrück. Für bereits geringfügige Vergehen wurden oft drastische Strafen verhängt wie Bunkerhaft, Peitschenhiebe oder Essensentzug.

Viele Insassinnen verstarben auch infolge grausamer medizinischer Experimente, die jegliche Menschlichkeit verdrängten. Zwangssterilisationen und durch gewaltsame Eingriffe ausgelöste Schwangerschaftsunterbrechungen wurden oft an Frauen und Mädchen durchgeführt, die die Nazis nicht für würdig hielten, sich fortzupflanzen. Vor allem der KZ-Arzt Carl Clauberg tat sich hierbei hervor, der bereits im KZ Auschwitz durch solche brutalen Verbrechen von sich reden machte und zu Beginn des Jahres 1945 nach Ravensbrück wechselte. Hier setzte er seine pseudowissenschaftlichen medizinischen Versuche fort. Er gehörte zu den Nutznießern des Naziregimes, der krankhaften medizinischen Ehrgeiz und seine Karrieresucht dazu benutzte, den einst von ihm auch geleisteten hippokratischen Eid aufs Gröbste zu verletzen und rücksichtslos die Gesundheit und das Leben anderer Menschen beeinträchtigte und deren Tod billigend in Kauf nahm oder vorsätzlich herbeiführte. Bereits 1933 war er der NSDAP und SA beigetreten und wurde 1940 zum SS-Gruppenführer ernannt. Bei Himmler diente er sich an, um seinen Drang nach medizinischen Experimenten an Menschen genehmigt zu bekommen, und er erreichte schließlich 1942, dass ihm Sterilisationsversuche an weiblichen Häftlingen erlaubt wurden. Obwohl in der Sowjetunion zu 25 Jahren Haft verurteilt, gehörte er zu den sogenannten Heimkehrern in die BRD im Jahr 1955. Bereits ein Jahr später ereilte ihn eine neue Anklage zum Landgericht Kiel. Noch bevor es zur Durchführung einer Hauptverhandlung kam, starb Clauberg an einem Herzinfarkt in Haft.

 

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