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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Nachbetrachtungen zu einer teilboykottierten Veranstaltung

Ellen Brombacher, Berlin

 

Es ist von unschätzbarem Wert, daß in einer Situation zunehmenden kriegerischen Agierens der BRD in Afghanistan und in zehn weiteren Staaten Die LINKE im Bundestag ihre Stimme dagegen erhebt, daß Deutschland als kriegsführende Macht immer tiefer und nachhaltiger in den Sumpf der besonders von den USA initiierten Kriegsabenteuer sinkt. Auch in Zukunft müssen wir alles dafür tun, damit die friedenspolitischen Prinzipien der LINKEN unangetastet bleiben. Und in der LINKEN wird über Änderungen durchaus nachgedacht. Dafür sprechen nicht nur die in der PDS schon weit vor dem Münsteraner Parteitag im Jahr 2000 begonnenen Auseinandersetzungen um die sogenannte Einzelfallprüfung. Dafür gibt es auch in der Gegenwart Signale. Eines war die Rede Gregor Gysis am 14. April 2008 auf einer Veranstaltung der Rosa Luxemburg Stiftung anläßlich des 60. Jahrestages der Gründung Israels. Seinerzeit blieb unsere Reaktion nicht aus. Eine von 26 Persönlichkeiten unterzeichnete Erklärung, darunter von Prof. Dr. Sonja Mebel, Prof. Dr. Moritz Mebel, Sahra Wagenknecht (MdEP), Margot Goldstein, Kurt Gutmann, Victor Grossman, Ulla Jelpke (MdB), Prof. Dr. Detlef Joseph, Prof. Dr. Gregor Schirmer, Rosemarie Schuder-Hirsch, Dr. Friedrich Wolff und den Bundessprechern der Kommunistischen Plattform, erschien in "junge Welt" vom 28. Mai 2008, in den Mitteilungen der Kommunistischen Plattform vom Juni 2008 und im Internet unter der Adresse www.die-linke.de/kpf. Die Überschrift dieser Erklärung "Staatsräson und Regierungsbeteiligung" weist darauf hin, worum es letztlich in der Gysi-Rede geht: nämlich auch um einen weiteren Versuch, die geltenden friedenspolitischen Grundsätze der Partei – in Münster verteidigt und in den programmatischen Eckpunkten sowie im jüngsten Leitantrag unterstrichen – in Frage zu stellen.

Sieht man von den genannten Veröffentlichungen ab, so wurde diese Erklärung totgeschwiegen – und dies mit Sicherheit nicht, weil es ihr an Substanz und prominenten Protagonisten mangelte. Es stört, wenn zur Situation im Nahen Osten Positionen dargelegt werden, die nicht der Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland entsprechen, die von Solidarität mit dem palästinensischen Volk und der israelischen Friedensbewegung getragen werden und die zugleich frei sind von jenen oft plumpen Vereinfachungen, die manchmal von Antisemitismus nur noch schwer zu unterscheiden sind. Solche differenzierten und doch nicht beliebigen Positionen werden dann gerne totgeschwiegen. Dafür wird jenen Raum in den Medien eingeräumt, die, wie BAK Shalom, das unbeschreiblich entsetzliche Schicksal des jüdischen Volkes benutzen, um jeden Kritiker der israelischen Politik an den Pranger und unter Antisemitismusverdacht zu stellen. BAK Shalom selbst sieht sich so: "Wir ... sind ein Zusammenschluß innerhalb der Linksjugend ['solid] in und bei der Partei DIE LINKE. Unser Ziel ist die Bekämpfung von Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerikanismus und regressivem Antikapitalismus."

Junge Genossinnen und Genossen von Linksjugend ['solid] hielten es für politisch angebracht, eine Diskussion zum Thema "Interessen im Nahen Osten und deren Widerspieglung in der Bundesrepublik Deutschland" zu organisieren. Hierzu wurde ich mit eingeladen. Norman Paech (MdB) und Max Steiniger, Bundessprecher der Linksjugend ['solid], hatten bereits zugesagt. Ohne daß die drei Genannten nun in allen Fragen übereinstimmen würden, ist doch das Maß ihrer Übereinstimmung wesentlich größer, als es die Differenzen sind. Den jungen Genossinnen und Genossen war nicht daran gelegen, daß wir sozusagen unter uns bleiben. Deshalb hatten sie bereits im August/Anfang September führende Persönlichkeiten der LINKEN eingeladen, die den Positionen von BAK Shalom durchaus Sympathien entgegenbringen: Petra Pau (MdB), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, sowie die Mitglieder des Parteivorstandes der Partei DIE LINKE Katja Kipping (MdB), stellvertretende Parteivorsitzende der LINKEN, Bodo Ramelow (MdB), Matthias Höhn (MdL), Landesvorsitzender der LINKEN in Sachsen Anhalt, und Caren Lay (MdL). Alle waren aus Termingründen verhindert. Ca. drei Wochen vor Stattfinden der Veranstaltung wurden dann Björn Tielebein, Christin Löschner und Philipp Hänsler – Protagonisten der BAK Shalom – eingeladen. Es folgten seitens der Initiatoren der Veranstaltung noch einige Nachfragen – erfolglos. Eine Teilnahme von BAK-Shalom-Vertretern an der Podiumsdiskussion blieb aus. Die Organisatoren der Veranstaltung entschieden dann, selbige dennoch durchzuführen. Sie fand – mit ca. 70 Teilnehmern – am 13. Oktober 2008 statt. Es kann hier im Einzelnen nicht auf den inhaltlichen Verlauf eingegangen werden. Soweit ist die Aufarbeitung der Debatte noch nicht gediehen. Sagen läßt sich: Sie verlief sachlich, unterschiedliche Standpunkte wurden unaufgeregt ausgetauscht und wir, die wir im Podium agierten, vertraten die Positionen, die durch entsprechende Veröffentlichungen bekannt sind. Es bleibt die Frage: Warum blieben wir unter uns, obgleich gerade dies nicht gewollt war? Die Debatte über den Nahen Osten ist geeignet, Linke auseinanderzudividieren – härter formuliert: zu spalten. Gerade deshalb ist sachlicher Streit geboten, nicht Denunziationen über die Medien, gegen die sich Betroffene kaum wehren können. Es ist schon merkwürdig, daß für Bezichtigungen in der Öffentlichkeit Zeit ist, für die Auseinandersetzung von Angesicht zu Angesicht diese aber fehlt.

 

Mehr von Ellen Brombacher in den »Mitteilungen«: 

2008-11: Tagung des Berliner Aktivs

2008-11: Gianni Vattimo, Der authentische Kommunismus

2008-09: Zu „karfreitag kommen die kommunisten“