Mord ohne Sühne
Ralph Dobrawa, Gotha
Vor 75 Jahren ermordeten die Faschisten Ernst Thälmann
Es dauerte nur wenige Wochen nach dem Machtantritt Hitlers, bis Ernst Thälmann am 3. März 1933 durch die Nazis verhaftet wurde. Er sollte seine Freiheit nie wieder bekommen. Sie verschleppten ihn zunächst in das Berliner Polizeipräsidium am Alexanderplatz und sodann in die Untersuchungshaftanstalt Moabit. Von dort wurde er mehrfach in die Gestapo-Zentrale Prinz-Albrecht-Straße geholt und schließlich wieder nach Moabit verbracht. 1937 verlegte man ihn in das Gerichtsgefängnis Hannover und späterhin in die Haftanstalt Bautzen. In der Nacht vom 17. zum 18. August 1944 wurde er von dort mit einem Pkw in das Konzentrationslager Buchenwald geschafft und dort beim Betreten des Krematoriums hinterrücks erschossen. Seine Leiche wurde noch in derselben Nacht verbrannt. Ursprünglich hatten die Nazis geplant, ihn wegen Hochverrats anzuklagen. Davon nahmen sie aber 1935 endgültig Abstand, weil ihnen das Risiko zu groß war, ein gleiches Fiasko zu erleben wie im Prozess gegen Georgi Dimitroff.
Gegen Ende der faschistischen Diktatur kam man am 14. August 1944 bei einer Besprechung von Himmler mit Hitler in der Wolfsschanze auch auf Thälmann zu sprechen. Auf dem Notizzettel Himmlers ist unter Ziffer 12 hinter dem Namen Thälmann vermerkt: »ist zu exekutieren«. Das war der klare Mordbefehl von Hitler, den die namentlich bekannten Handlanger in jener Augustnacht 1944 in die Tat umsetzten. Beobachtet wurden sie dabei durch den späterhin als Zeugen vernommenen polnischen Staatsangehörigen Marian Zgoda, der sich hinter einem Schlackehaufen versteckt hatte und beobachten konnte, wie acht ihm bekannte SS-Angehörige nach und nach das Krematorium betraten. Zu ihnen gehörten auch der frühere Leiter des sogenannten »Genickschusskommandos« SS Stabsscharführer Wolfgang Otto und der weitere SS-Angehörige Alfred Berger. Obgleich die genaueren Umstände der Ermordung Ernst Ehemanns bereits 1947 hätten näher untersucht werden können, dauerte es bis zum Frühjahr 1962, dass förmlich Strafanzeige gegen beide erstattet werden konnte. Die Ermittlungen der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft mussten 1952 eingestellt werden, da sich auf dem Gebiet der DDR keine Tatverdächtigen mehr aufhielten. Bezüglich beider ging man bis dahin davon aus, dass diese sich in anderer Sache noch in Haft befänden. Das traf aber schon länger nicht mehr zu. Die nunmehr durch die Zentralstelle des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung nationalsozialistischer Massenverbrechen in Konzentrationslagern Köln aufgenommenen Ermittlungen wurden über mehr als 20 Jahre verschleppt und das Ermittlungsverfahren immer wieder mit fadenscheinigen und zum Teil grotesken Begründungen eingestellt. Es bedurfte immer wieder der Beschwerdeeinlegung durch den von Thälmanns Frau Rosa und späterhin seiner Tochter beauftragten Rechtsanwalt Friedrich Karl Kaul, um die Staatsanwaltschaft zu zwingen, die Ermittlungen fortzusetzen. Berger war zwischenzeitlich auch bereits verstorben. Im Januar 1982 teilte die Generalstaatsanwaltschaft in Köln mit, dass die Ermittlungen nicht wieder aufgenommen werden würden und auch keine Anklage gegen die letztlich noch verbliebenen Beschuldigten Otto und Stoppe erfolgt. Nach dem Tod von Professor Kaul übernahm der Bremer Rechtsanwalt Heinrich Hannover die weitere Vertretung der Interessen von Thälmanns Tochter Irma. Er erreichte in einem sogenannten Klageerzwingungsverfahren, dass vor dem Landgericht Krefeld gegen Wolfgang Otto 32 Tage lang verhandelt wurde. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft, die Freispruch verlangte, wurde Otto zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen von seinen Verteidigern eingelegte Revision führte zur Aufhebung des Urteils durch den Bundesgerichtshof am 25. März 1987. Nach dessen Auffassung seien die Einzelheiten von Thälmanns Tod nicht genügend aufgeklärt worden. Dabei stellten die Richter Überlegungen an, die Otto versuchte, sich in dem neuen Prozess nach Zurückverweisung an das Landgericht Düsseldorf zu eigen zu machen. Auch wenn ihm dies letztlich nicht gelang, sprach man ihn nunmehr am 29. August 1988 frei. Die hiergegen von Rechtsanwalt Hannover eingelegte Revision wurde vom Bundesgerichtshof ein Jahr später verworfen. Damit verblieb es bei dem Freispruch für Otto, und die jahrzehntelange Verschleppung der Strafverfolgung führte letztlich dazu, dass der Mord an Ernst Thälmann ungesühnt blieb. Die Justiz hatte sich verhalten, »wie der Jagdhund, der zur Jagd getragen werden muss«, wie Rechtsanwalt Kaul wiederholt formulierte.
Auch gegenwärtig wird noch gegen frühere Wächter des KZ Buchenwald ermittelt. Die Änderung der Rechtsprechung seit dem Fall Demjanjuk könnte dazu führen, dass auch einer von ihnen mitverantwortlich ist für die Tötung Ernst Thälmanns, wenn er zu dieser Zeit im Lager Buchenwald »Dienst« getan haben sollte, auch wenn er nicht unmittelbar selbst an der Tat beteiligt gewesen ist.
Rest-Exemplare der gleichnamigen Broschüre von Ralph Dobrawa »Mord ohne Sühne« über die Verschleppung der Strafverfolgung gegen die Mörder Ernst Thälmanns – 2017 publiziert von der AG von Verbänden des Ostdeutschen Kuratoriums beim Landesverband DIE LINKE in Erfurt mit 40 Seiten – sind für zwei Euro noch erhältlich: Jochen Traut, Robert-Koch-Straße 25, 98527 Suhl, joachim.traut@t-online.de, oder Anwaltsbüro Dobrawa, Erfurter Str. 9-13, 99867 Gotha, rechtsanwalt-dobrawa@gmx.de.
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