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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Gelebter Antifaschismus – Beate Klarsfeld zum 80. Geburtstag

Ralph Dobrawa, Gotha

 

Beate Künzel, die am 13. Februar 1939 in Berlin geboren wurde, ging 1960 als Au-pair-Mädchen nach Paris. Dort lernte sie alsbald den französischen Rechtsanwalt und Historiker Serge Klarsfeld kennen und lieben. Er war Überlebender des Holocaust. Sein Vater wurde wegen seiner jüdischen Abstammung von den Nazis im KZ Auschwitz ermordet. 1963 heirateten beide und trugen nunmehr den gemeinsamen Familiennamen Klarsfeld. Zwei weitere Jahre später wurde Sohn Arno geboren, die Tochter Lida 1973.

Beate hatte bereits in ihrer Jugendzeit Auseinandersetzungen mit ihren Eltern über deren Rolle in der Nazizeit. Durch ihren Mann Serge wurde sie nunmehr mit den Gräueln des Mas­senmordes, der Deportation französischer Juden in die Gaskammern der Faschisten kon­frontiert. So begann die junge Frau sich zunehmend mit diesen Verbrechen zu beschäf­tigen und sich für deren Helfer und Unterstützer – die Täter – zu interessieren. Eine Kam­pagne gegen den 1966 gewählten deutschen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger war eine ihrer ersten Initiativen. Kiesinger war bereits seit Anfang 1933 Mitglied der NSDAP und später stellvertretender Leiter der rundfunkpolitischen Abteilung im Außenministerium Hit­lers. Hier arbeitete er eng mit dem Reichspropagandaministerium von Goebbels zu­sammen. Bereits im Frühjahr 1968 forderte sie Kiesinger wegen seiner Nazivergangenheit zum Rücktritt als Bundeskanzler auf. Wenig später kündigte sie vor Studenten an, ihn öf­fentlich zu ohrfeigen, was aber offensichtlich nicht ernst genommen wurde. Am 7. Novem­ber desselben Jahres war es dann so weit. Auf dem in der Berliner Kongresshalle tagen­den CDU-Parteitag gelang es ihr, bis zu Kiesinger im Präsidium vorzudringen und ihm die Ohrfeige mit den Worten »Nazi! Nazi!« zu verpassen. Dieser war damit öffentlich gebrand­markt und stellte beleidigt Strafantrag gegen Beate Klarsfeld. In einem beschleunigten Ver­fahren wurde sie zunächst zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Dieses Urteil ist ein Jahr später aufgrund eingelegter Berufung auf vier Monate reduziert und seine Vollstreckung nunmehr auch zur Bewährung ausgesetzt worden. Dabei war es ihr wichtig darauf hinzu­weisen, dass sie die Ohrfeige auch im Namen der Opfer des nazistischen Massenmordes an der jüdischen Bevölkerung und der Millionen Opfer des von Deutschland angezettelten Zweiten Weltkrieges  gegeben hatte.

Auch in der Folgezeit engagierte sich Beate Klarsfeld vor allem bei der Auffindung  faschistischer Mörder, die sich auf der ganzen Welt Unterschlupf gesucht hatten. So spürte sie Kurt Lischka, einst Gestapo-Chef in Paris, auf, der in Köln im Telefonbuch stand. Alois Brunner, der Stellvertreter Eichmanns, Klaus Barbie und Kurt Asche, die sich im Ausland verborgen gehalten hatten, wurden ebenfalls von ihr enttarnt, später vor Gericht gestellt und verurteilt.1972 scheiterte zwar der Versuch, Lischka in Köln zu entführen, um ihn nach Frankreich zu verbringen, wo er angeklagt werden sollte, aber 1979 musste dieser sich dann doch mit zwei weiteren Kumpanen vor dem Landgericht Köln für seine Mitwirkung an der Deportation von über 76.000 Juden aus Frankreich verantworten. Sie suchte intensiv nach Walther Rauff und Josef Mengele. Die Wahrung des Ansehens und der Ehre der Opfer des Holocaust und die Verfolgung der Täter wurden für sie und ihren Mann zur Lebensauf­gabe.

Im Jahr 2012 kandidierte Beate Klarsfeld als Kandidatin für DIE LINKE zur Wahl des Bundespräsidenten. Sie und ihr Ehemann wurden in Frankreich wiederholt – zuletzt im ver­gangenen Jahr – mit hohen staatlichen Ehren bedacht. In Deutschland brauchte es bis zum Jahr 2015, dass beiden endlich für ihr Lebenswerk das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde. Seit mehreren Jahren tritt sie am 10. Mai beim »Lesen gegen das Vergessen« auf dem Ber­liner Bebelplatz als Mitwirkende auf. Eine engagierte Frau kann auf ein beachtli­ches Leben zurückblicken und bleibt auch weiterhin aktiv auf antifaschistischer Ebene tä­tig.

Liebe Beate! Alles Gute und beste Gesundheit zu Deinem Jubiläum!

 

 

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