»Menschen, ich hatte euch lieb, seid wachsam.« [1]
Ellen Brombacher
In den letzten Wochen meldeten sich bei uns mehrere Genossen. Sie hatten in ihren Briefkästen Werbematerial von einem Verlag »Deutsche Militärzeitschrift« (DMZ) erhalten. Die DMZ erscheint zweimonatlich. »… der Standpunkt dieses Hochglanzmagazins« sei »immer unzweifelhaft – patriotisch!« Zum »Patriotismus« gehört für die Macher des Magazins ebenso unzweifelhaft die Verherrlichung von Wehrmacht und Waffen-SS.
Über letztere lesen wir u.a. im Werbematerial: »Informationen über die Waffen-SS gibt es weder im Geschichtsunterricht, der Schule noch in Zeitungen oder im Fernsehen. Lediglich das ZDF erweckt den Anschein, in sogenannten Dokumentationen über Geschichte zu informieren. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus: Es handelt sich dabei um blanke Desinformation. Doch immer mehr Menschen – vor allem Jugendliche – wollen mehr über die eigene deutsche Geschichte erfahren. Dieser steigenden Nachfrage kommen wir mit DMZ-Zeitgeschichte entgegen. Diese eindrucksvolle Zeitschrift beschäftigt sich mit einer militärischen Ausnahmetruppe, die im Streit der Meinungen hart umkämpft ist. Die Vokabeln reichen von ›verbrecherisch‹ (Nürnberger Tribunal) bis zu ›Soldaten wie andere auch‹ (Konrad Adenauer). DMZ stellt sich dieser Diskussion: Mit gut recherchierten Fakten wird über die Waffen-SS, ihre Verbände, ihre Einsätze und ihre Männer informiert. Nüchtern, sachlich historisch einwandfrei. … die Texte beruhen auf Erlebnisberichten ehemaliger Soldaten und berücksichtigen jüngste Forschungserkenntnisse.«
Da kommt einem doch unwillkürlich Herr Gauland von der AfD in den Sinn. Kein Volk habe so gründlich mit seiner falschen Vergangenheit aufgeräumt wie das Deutsche, sagte er im September 2017 in der FAZ. »Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen.« In diesem Kontext fordert Gauland eine Neubewertung der Taten deutscher Soldaten in beiden Weltkriegen. Wenn Franzosen und Briten stolz auf ihren Kaiser oder den Kriegspremier Winston Churchill seien, »haben wir das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.«
Die Verlagsgruppe »Lesen & Schenken« vom Arndt-Buchdienst / Nation & Europa, die ebenfalls ihr Werbematerial beilegte, ist stolz und empfiehlt den Kalender »Männer der Waffen-SS 2018«. »Dieser Jahresweiser«, so preisen sie an, »zeigt mit Bild und Kurzbiographie sowie unter Hervorhebung ihrer Waffentaten 13 Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg Herausragendes geleistet haben und häufig mit verschiedensten Tapferkeitsauszeichnungen bedacht worden sind«. Über diesen Buchdienst kann man auch »Verbrechen an der Wehrmacht« bestellen. Darüber heißt es u.a.: »Als schärfste Waffe gegen die verleumderische Anti-Wehrmacht-Ausstellung des Tabakmillionärs Reemtsma erschien dieses Werk 1998/2000 erstmals in zwei Büchern.« Übrigens: Als kleines »Dankeschön« für eine Kataloganforderung sendet der Arndt-Buchdienst als Geschenk das Skatspiel »Ritterkreuzträger« im Warenwert von 11,80 Euro.
Die Verherrlichung von SS und Wehrmacht in diesen Materialien sind unerträglich. Das alles ist legal unter läuft unter dem Stichwort Meinungsfreiheit. So, wie unter dem Stichwort Demonstrationsfreiheit die Nazis aufmarschieren, jüngst in Berlin-Spandau, in Lichtenberg und Friedrichshain. Natürlich stellten wir uns denen entgegen. Wir waren mehr als die. Verbote von Nazi-Aufmärschen wären besser. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. An der Richtigkeit dieser Aussage hat sich nichts geändert. Dass Vertreter der AfD in Bundestag und in 14 Landtagen ihre rassistisch-völkischen Reden halten, legal, von nicht wenigen Wählerinnen und Wählern legitimiert, macht das zwar mittlerweile alltäglich, aber deswegen nicht ungefährlicher. Unerträglich ist es, dass im sächsischen Vorwahlkampf AfD und PEGIDA zunehmend gemeinsame Sache machen.
Das alles und vieles andere mehr geschieht in Deutschland. Auch andernorts, aber hier soll die Rede sein von dem Land, in dem wir leben. Kein anderes Land hat über Europa ein so unendliches Leid gebracht. Von Deutschland ging der mörderischste aller bisherigen Kriege aus. Hier wurde der industrielle Massenmord erfunden, nachdem in Nürnberg zuvor 1935 die vorbereitenden Rassegesetze in Kraft gesetzt worden waren. In eben diesem Nürnberg saßen die Nazikriegsverbrecher vor Gericht.
Ihr Vermächtnis hat sich nicht erledigt. Allein das Maß an neuerlichem Rassismus belegt das. Nehmen wir das alles ernst genug? Klären wir genügend darüber auf, was es eigentlich bedeuten würde, wenn die Nazis von heute irgendwann das Sagen hätten, wenn die die Rahmenbedingungen für Profitmaximierung gewährleisten würden? Wir haben uns entschieden, eine Zeitzeugin von damals zu Wort kommen zu lassen: Erika Buchmann, deutsche Kommunistin und lange Jahre – bis 1945 – Gefangene im KZ Ravensbrück. Ein Dokument des Schreckens. Doch daran muss erinnert werden.
Anmerkung:
[1] Julius Fucik »Reportage unter dem Strang geschrieben«.
Mehr von Ellen Brombacher in den »Mitteilungen«:
2018-08: Kehrtwende zu weniger Rüstung nicht in Sicht
2018-07: Für den Erhalt und die Stärkung unserer Partei