Kriegsfeld Weltraum
Moritz Hieronymi, Peking
Elon Musks Satelliten im russisch-ukrainischen Krieg
Es passt in das Bild des erratischen Unternehmers Elon Musk: Am 13. Februar ließ er bekanntgeben, dass sein Unternehmen SpaceX die Ukraine nicht mehr unterstützen werde. [1] Bereits Tage zuvor hatte der Milliardär medienwirksam vor einem 3. Weltkrieg durch die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine gewarnt. [2] Dabei gilt Musk als ein überzeugter Unterstützer der Ukraine: Kurz nach der russischen Invasion lieferte sein Telekommunikationsunternehmen SpaceX Parabolantennen nach Kiew und schaltete die Verbindung zu seinen Starlink-Satelliten frei, um die ukrainische Telekommunikationsversorgung aufrechtzuerhalten.
Diese Unterstützungshandlung erwies sich wenige Monate später als existenzieller Vorteil für das ukrainische Militär: So ermöglichte das Starlink-System die technologischen Voraussetzungen, um ukrainische Aufklärungs- und Angriffsdrohnen zu bedienen sowie die militärische Kommunikation abzusichern. [3] Unterschiedliche Militäranalysten sind sich darüber einig, dass der Einsatz von Starlink-Satelliten entscheidend für den bisherigen Kriegsverlauf war. [4] Dieses wird auch vom ukrainischen Militär bestätigt. So heißt es in einem Brief des ukrainischen Oberbefehlshabers, General Valerii Zaluzhnyi, an Elon Musk, dass das Starlink-System einen »außergewöhnlichen Nutzen« für dessen Armee habe. [5]
Aus der russischen Sicht wird das Engagement von SpaceX als eine Verletzung des humanitären Völkerrechts (Recht im Krieg) gewertet. So argumentierte der russische Außenminister Sergej Lawrow, dass durch SpaceX die Pflicht zur Neutralität von Drittstaaten in bewaffneten Konflikten verletzt werden würde. [6] Insbesondere richtet sich diese Einschätzung gegen die USA, die, aus Lawrows Sicht, längst eine Kriegspartei geworden sei. [7]
Der Fall SpaceX stellt eine Vermischung neuerer Entwicklungen im Weltraumkrieg dar: Die Privatisierung der Raumfahrt und der Weltraumnutzung, die Gefahren verschleierter Kriegshandlungen vom und im Weltraum sowie die mittelbare Beteiligung von Weltraumunternehmen an bewaffneten Konflikten. Dieses führt zu erheblichen politischen, militärischen und rechtlichen Problemen, die sich besonders im russisch-ukrainischen Krieg perpetuiert haben.
Was sind Starlink-Satelliten?
Das Weltraumunternehmen SpaceX mit Sitz im US-Bundesstaat Kalifornien wurde im Jahr 2008 gegründet. [8] Mit der Zielsetzung Mars-Missionen vorzubereiten, stellt das Unternehmen seine eignen Raumfahrtzeuge, Abschussrampen und Kommunikationssatelliten her. [9] In jüngster Zeit ist es dazu übergegangen, einen kommerziellen Internetservice aufzubauen. Hierzu wurden unter dem Namen Starlink bereits über 3.000 Satelliten in den Orbit gebracht. [10]
Die Besonderheit der Starlink-Dienstleistung besteht darin, dass nicht wie üblicherweise auf einige wenige geostationäre Satelliten (35.000 km) gesetzt wird, sondern auf mehrere Tausende, die in relativ geringer Höhe (550 km) zur Erdoberfläche operieren. [11] Diese Voraussetzungen ermöglichen es, eine hochfunktionale Internetdienstleistung mit niedriger Übertragungszeit zu gewährleisten. [12] Dabei sind die für den Empfang notwendigen Parabolantennen im Vergleich zu anderen Anbietern klein und ohne erheblichen Aufwand transportierbar. [13]
Trotz der wachsenden Space-Branche bleibt der Weltraum zuvörderst eine Domäne von Staaten. Hierzu hat sich seit dem Sputnik-Start vom 4. Oktober 1957 eine Rechtsmaterie herausgebildet, die versucht, grundlegende Handlungsprinzipien im Weltraum festzulegen.
Weltraum – eine rechtsfreie Domäne?
Obwohl fünf Weltraumverträge, eine Vielzahl an UN-Resolutionen und dutzende nationale Weltraumgesetze stipuliert wurden, fehlt es einer international anerkannten Definition des Begriffs Weltraum.
Das Kernproblem einer Weltraumdefinition besteht darin, den Übergang des Luftraums zum Weltraum festzulegen. Da der Luftraum Teil des Staatsgebietes ist, besteht hierzu ein geringes Interesse in der Staatengemeinschaft, deren Mitglieder dadurch die Verkleinerung ihres staatlichen Territoriums befürchten.
Das Weltraumrecht in seiner heutigen Form fußt auf zwei Grundprinzipien: Das Verbot der Stationierung militärischer Anlagen und die friedliche Nutzung des Weltraums. Jedoch wird die Anwendbarkeit dieser international anerkannten Prinzipien im Kriegsfall angezweifelt. Das hat zur Folge, da das humanitäre Völkerrecht keine verbindlichen Bezüge zum Weltraum nimmt, dass der Weltraum in bewaffneten Konflikten keinem Rechtsregime untersteht.
Diese Schlussfolgerung kann jedoch in ihrer Ausschließlichkeit angezweifelt werden. So kennt das Völkerrecht die sogenannte Martens’sche Klausel, wonach Grundprinzipen des Rechts im Krieg [z.B. Humanität: Schutz von zivilen Personen] auch auf Kriegshandlungen anwendbar sind, die noch keine völkerrechtliche Berücksichtigung gefunden haben. Wenngleich Handlungen im Weltraum den Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts unterliegen, bestehen erhebliche Lücken in Fällen von bewaffneten Konflikten. Hierzu haben sich unterschiedliche Arbeitsgruppen gebildet, die in Kürze Vorschläge über das Recht zum Krieg im Weltraum vorlegen werden.
Neutralität im Weltraum
Somit stellt sich die Frage, ob der Einsatz von Starlink-Satelliten einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot durch die USA darstellt, wie der russische Außenminister behauptet. Selbst wenn das Neutralitätsrecht im Weltraum Anwendung finden sollte, müsste den USA die Handlung von SpaceX zurechenbar sein und einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen.
Obwohl die USA bestreiten, dass sie von dem Engagement von SpaceX im Vorfeld wussten [14], haben sie ihr Territorium dem Unternehmen SpaceX zur Verfügung gestellt, wo die Satelliten kontrolliert und entsprechend eingesetzt werden. Bloß stellt eine solche Handlung nicht unbedingt eine Verletzung der Neutralitätsgebots dar. Zwar dürfen neutrale Staaten nicht ihr Territorium zur Verfügung stellen, damit einer kriegsführenden Partei Kommunikationsmittel und -wege zur Verfügung gestellt werden. Dennoch erstreckt sich dieses Verbot nicht auf private Akteure. Die USA sind nach Art. 8 Haager Konvention V von 1907 nicht verpflichtet, die Unterstützung der Ukraine durch SpaceX zu unterbinden. Dieses erstreckt sich auch auf den Export von Kommunikationstechnologien, wie Parabolantennen, durch private Unternehmen.
Abschließende Bemerkung
Wie kann Russland gegen SpaceX vorgehen? Obwohl die USA durch SpaceX das Neutralitätsgebot nicht verletzt haben, könnte Russland die Satelliten neutralisieren. Hierzu führte die russische Armee einen elektromagnetischen Angriff im April 2022 gegen Starlink durch, der überraschenderweise keine erheblichen Auswirkungen auf das System hatte. Der Abschuss der Satelliten wäre technisch möglich, aufgrund der hohen Anzahl aber nicht effizient. Ferner würde die Zerstörung von Satelliten tausende von Trümmerteilen erzeugen, die als Weltraummüll wie Geschosse andere Weltraumobjekte beschädigen könnten.
Der Weltraum ist seit dem Sputnik-Start eine entscheidende Domäne für Kriegshandlungen. Zugleich findet zusehends eine Privatisierung vom Weltraumaktivitäten statt, die effektiv Einfluss auf Kriegsgeschehnisse haben. Somit besteht die Gefahr, dass private Weltraumagenturen zum Feigenblatt von staatlichen Unterstützungshandlungen für Kriegsparteien werden könnten. Am Beispiel des Starlink-Systems zeigt sich das am deutlichsten: Ein privater Akteur mischt sich mittelbar in Kriegshandlungen ein, und dieses ist nach der hier vertretenden Auffassung vom Völkerrecht gedeckt.
Der Weltraum mutiert zu einem riesigen Kampffeld, in dem die Staaten unbehelligt ihre Ziele mit allen Mitteln durchsetzen können. Hinsichtlich des russisch-ukrainischen Krieges hat es gezeigt, wie einfach über den Weltraum Einfluss auf die Erde genommen werden konnte und wie schwierig es ist, die Erde vor dem Einfluss aus dem Weltraum zu schützen.
Anmerkungen:
[1] Bergman, Elon Musk Fears His Starlink Could be Misused to Trigger »WW3«, Slay, 13.2.2023, abrufbar: slaynews.com/news/elon-musk-starlink-misused-trigger-ww3/ [17.2.2023].
[2] Olinga, Elon Musk Has Tough Questions About the War in Ukraine, 4.2.2023, abrufbar: www.thestreet.com/technology/elon-musk-has-tough-questions-about-the-war-in-ukraine [17.2.2023].
[3] Allen/Titcom, Elon Musk’s Starlink helping Ukraine to win the drone war, The Telegraph, 18.3.2022, available: www.telegraph.co.uk/world-news/2022/03/18/elon-musks-starlink-helping-ukraine-win-drone-war/ [5.2.2023].
[4] Miller/Scott/Bender, UkraineX: How Elon Musk’s space satellites changed the war on the ground, POLITICO, 6.9.2022, available: www.politico.com/news/2022/06/09/elon-musk-spacex-starlink-ukraine-00038039 [5.2.2023].
[5] Marquardt, Exclusive: Musk’s SpaceX says it can no longer pay for critical satellite services in Ukraine, asks Pentagon to pick up the tab, CNN, 14.10.2022, available: edition.cnn.com/2022/10/13/politics/elon-musk-spacex-starlink-ukraine/index.html [5.2.2023].
[6] Russian Federation on Ukraine, Press Conference, United Nations, 24.9.2022, availabale: youtu.be/kjyssk7z8_e [8.2.2023].
[7] Ibidem.
[8] Eldridge, »SpaceX«, Encyclopaedia Britannica, 3.1.2023, available: www.britannica.com/topic/SpaceX [5 February 2023].
[9] Ibidem.
[10] Ibidem.
[11] Pultarova/Howell, Starlink satellites: Everything you need to know about the controversial internet megaconstellation, space.com, 23.11.2022, available: www.space.com/spacex-starlink-satellites.html [5.2.2023].
[12] Starlink, World’s most advanced broadband satellite internet, available: www.starlink.com/technology [5.2.2023].
[13] Hannula, Starlink Internet vs. Other Satellite Providers: Hot it compares, WhistleOut, 27.7.2020, www.whistleout.com/Internet/Guides/starlink-satellite-internet-vs-viasat-hughesnet [5.2.2023].
[14] Tucker/Alonso/Wattles, SpaceX Starlink user terminals arrive in Ukraine, official says, CNN, 28.2.2022, available: edition.cnn.com/2022/02/27/business/starlink-activated-ukraine/index.html [5.2.2023].
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2023-02: Viel Lärm um den Kosovo
2023-01: Werteimperialismus
2022-12: Die Europäische Union – nicht Europa