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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Klaus Barbie

Klaus Eichner, Lentzke

 

Mitte Januar 2011 informierten deutsche Medien darüber, daß der als "Schlächter von Lyon" berüchtigte Gestapomörder Klaus Barbie seit 1966 Agent des Bundesnachrichtendienstes war. Er sei "kerndeutscher Gesinnung" und "entschiedener Kommunistengegner", schrieb der BND. Beides war wohl Bedingung dafür, den Schlächter und Folterer durch die Aufnahme in einen deutschen demokratischen Geheimdienst faktisch zu rehabilitieren. Gäbe es nur ein einziges Monster wie Barbie in einem bundesdeutschen Geheimdienst, so müßte schon dann die Frage erlaubt sein, woher die veröffentlichte Meinung seit 20 Jahren die Dreistigkeit nimmt, das MfS zum schlimmsten der deutschen Dienste zu erklären.

Klaus Barbie trat 1935 der SS bei. Sein erster Einsatz erfolgte im Büro für jüdische Angelegenheiten in Den Haag und Amsterdam. Dort inhaftierte Barbie Hunderte von Juden und deutschen Flüchtlingen. Nach mehreren Beförderungen wurde er an die Ostfront, zur Bekämpfung der sowjetischen Widerstandsbewegung, eingesetzt.

1942 ernannte ihn das RSHA zum Gestapo-Chef von Lyon, einem der Zentren der französischen Widerstandsbewegung. Zur Schreckensbilanz des Wirkens von Barbie in dieser Region gehören: Inhaftierung von mehr als 14.000 Kämpfern der Résistance; Teilnahme an mehr als 4.300 Ermordungen und Deportation von 7.591 Juden in die Gaskammern von Auschwitz. Nach Augenzeugenberichten nahm Barbie persönlich an einer Vielzahl von Folterungen und Morden teil.

Bei Kriegsende gelang es Barbie, aus Frankreich zu entkommen, er floh in die amerikanische Besatzungszone und stellte sich den amerikanischen Behörden. Als erstes "Mitbringsel" bot er den US-Geheimdiensten Informationen über die Französische Kommunistische Partei im Raum Lyon an.

Zu Ziel und Zweck der nachrichtendienstlichen Nutzung aktiver Nazis sagt der internationale Geheimdienst-Experte Phillip Knightley: "Andere ehemalige deutsche Nachrichten- und Sicherheitsleute wurden angeworben, weil sie angeblich intakte Organisationen hinter dem Eisernen Vorhang hatten oder, wie Klaus Barbie, der 'Schlächter von Lyon' dabei behilflich sein konnten, Geheimdienstler zu finden, die sich versteckt hielten, und sie ebenfalls anzuwerben." [Vgl. Phillip Knightley: Die Geschichte der Spionage im 20. Jahrhundert; Verlag Volk und Welt Berlin, 1990, S. 266]

Davon zeugt auch ein Originaldokument des CIC (Counter Intelligence Corps – Abwehr- und Aufklärungsdienst der US-Army):

19. Februar 1949; an Commanding Officer, 797th CIC Group, Reg. IV, APO 407-A. Subject: Kurt Merk, Klaus Barbie. Es enthält folgende Passage: "Der neue Aktionsplan erfordert dringlich die Gewinnung sämtlicher neuer Quellen, die Auffindung so vieler alter Gestapo- und SS-Informanten wie möglich, besonders jener, deren Auftrag unter dem Nazi-System in der Infiltration der KPD bestand." [Mary Ellen Reese: Organisation Gehlen: Der Kalte Krieg und der Aufbau des deutschen Geheimdienstes; Rowohlt Berlin Verlag GmbH, Berlin, 1992, S. 293, Fn.12]

Die französische Regierung forderte mehrfach die Auslieferung von Barbie. Im August 1944 hatte die französische Regierung eine Erklärung an die alliierte Kriegsverbrecher-Kommission gesandt und dabei Barbie des Mordes, der Massaker, des systematischen Terrorismus und der Tötung von Geiseln beschuldigt.

Barbie war im amerikanischen Kriegsverbrecherregister CROWCASS sowie in den internen Listen des CIC als gesuchter Kriegsverbrecher enthalten. [Vgl. Counter Spy, März-Mai 1984, S. 19]

Obwohl er nachweislich auf der Gehaltsliste der CIA stand (mit einem Salär von immerhin 1.700 Dollar pro Monat), [Vgl. Counter Spy, June-August 1983, S. 42: Konrad Ege: Klaus Barbie: Global Nazi] verneinte das State Department mehrfach jedes Wissen um die Existenz und den Aufenthalt von Barbie.

Der CIC-Führungsoffizier des Klaus Barbie, Gene Bramel, faßte den Standpunkt des CIC wie folgt zusammen: "Es wird gefragt, warum nutzt Ihr die Nazis? Das ist eine dumme Frage. Es wäre für uns unmöglich geworden, in Süddeutschland operativ zu arbeiten, ohne den Einsatz der Nazis. Wir waren Amerikaner. Ich selbst spreche ziemlich gut Deutsch, aber sobald ich etwas zu Essen bestelle, merkt man, daß ich ein Amerikaner bin. Und wer kannte denn Deutschland besser als gerade diese Leute? Wer war am besten organisiert? Wer waren die besten Antikommunisten? Die früheren Nazis. Sie nicht zu nutzen, wäre einer vollständigen Kastration gleichgekommen. Und wir nutzten sie, die Engländer nutzten sie, die Franzosen nutzten sie, und die Russen nutzten sie auch." [zitiert in Christopher Simpson: Blowback; America's Recruitment of Nazis & its Effects on the Cold War; Weidenfeld & Nicolson, London; 1988, S. 70; nach Brendan Murphy: The Butcher of Lyon; Empire Books, New York, 1983, S. 230]

Als das CIC ab 1950 einschätzte, daß die amerikanischen Behörden möglicherweise dem französischen Druck auf Auslieferung nicht mehr standhalten könnten, erhielt Barbie 1951 einen "neuen" Paß auf den Namen Klaus Altmann, das Internationale Rote Kreuz stellte ihm auf diese Personalien eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus, und die CIA schleuste ihn über die "Rattenlinie" nach Bolivien.

Nach einem geheimen Dokument der französischen Regierung setzte Barbie dort seine Agententätigkeit für CIA und BND fort.

Nach unvollständigen Akten im Bundesarchiv verpflichtete ein BND-Werber Barbie Anfang 1966 in La Paz als Agent mit dem Decknamen "Adler". Die Quelle erhielt die BND-Registriernummer V-43118. Das erste monatliche Honorar von 500,00 DM soll er im Mai 1966 erhalten haben. Danach flossen regelmäßige Zahlungen und Leistungsprämien auf sein Konto bei der Chartered Bank of London in San Francisco. [Vgl. SPIEGEL Nr. 3/2011, S.32: "Kerndeutsche Gesinnung"] Immerhin war der Agent Barbie für den BND so bedeutsam, daß man ihn im Dezember 1966 zur Ausbildung nach Deutschland holen wollte. [Vgl. Berliner Zeitung v. 17.01.2011: "Erst Schlächer von Lyon, dann BND-Agent"]

Ein früherer hochrangiger Mitarbeiter des bolivianischen Innenministeriums bestätigte einem Reporter des "Miami Herald", daß Barbie regelmäßig das Innenministerium mit Informationen über kommunistische Aktivitäten in Bolivien und anderen südamerikanischen Staaten belieferte. Dieses Material wurde auch als Kopie an die US-Botschaft gegeben. [Vgl. Counter Spy, June-August 1983, S. 42: Konrad Ege: Klaus Barbie: Global Nazi]

Als Barbie 1951 in Bolivien ankam, war dort gerade eine liberal-demokratische Regierung an die Macht gekommen. Analog zu den Vorgehensweisen in anderen südamerikanischen Staaten verschärften die USA den Druck auf die Regierung – vor allem mit der Forderung, die Bauern und Arbeiter zu entwaffnen. Gleichzeitig konspirierten sie mit reaktionären Militärs und forderten die Schaffung einer "demokratischen Armee". Als "Berater" der Militärs fungierte Klaus Barbie. Außerdem erhielt er einen sehr einträglichen Posten bei der Compania Transmaritima Boliviana, einer Gesellschaft, die von den bolivianischen Militärs u.a. zum Waffenhandel genutzt wurde. Es wird niemand verwundern, daß Barbie in dieser Rolle mehrfach in die Vereinigten Staaten einreiste, zuletzt allein viermal in den Jahren 1969/70. Er tätigte Geschäfte mit Vertretern Israels, der BRD und soll auch mit einem Diplomatenpaß nach Frankreich eingereist sein.

Aber seine Karriere erreichte erst einen Höhepunkt, als General Hugo Banzer mit einem Staatsstreich zum Sturz von Präsident Juan José Torres in Bolivien eine Militärdiktatur errichtete. Der coup d'état wurde tatkräftig von der deutschen Kolonie in Bolivien und von Barbie direkt unterstützt. Als Belohnung setzte ihn Banzer in die Funktion des "Sonderberaters" seines Geheimdienstes ein. Mitte der 70er Jahre war Barbie der Kontaktmann der bolivianischen Regierung mit dem Apartheid-Regime in Südafrika und bereitete u.a. für den Fall des Zusammenbruchs dieses Regimes die Übersiedlung weißer Rassisten aus Südafrika nach Bolivien vor. Einschlägige Erfahrungen und Kontakte hatte er ja zur Genüge.

Daß zu seinem engsten Freundeskreis führende bolivianische Faschisten gehörten, wird niemand verwundern. Nach dem Sturz des Banzer-Regimes in Bolivien im Jahre 1978 bewährten sich die engen Freundschaften, auch mit anderen ehemaligen Gestapo-Größen, wiederum für Klaus Barbie. Er wurde ein enger Mitarbeiter von Roberto Suarez, der nach Erkenntnissen der amerikanischen Drogenfahndung zu den größten internationalen Drogenbossen gehörte. Barbie baute für Suarez eine Schutztruppe und einen Sicherheitsdienst auf.

Seit 1978 war Barbie an der Planung eines neuen Staatsstreiches beteiligt. Er war verantwortlich für den militärischen Teil des Umsturzes. Dazu reiste er u.a. in die BRD, um deutsche Söldner anzuwerben. Er übertrug das Kommando über das Bataillon "Fiancés of Death" seinem engen Vertrauten, dem Neonazi Joachim Fiebelkorn. Beim Putsch am 17. Juli 1980 sollte sich diese Söldnertruppe bei der aktiven Unterstützung des Staatsstreiches von General Luis Garcia Meza gegen die rechtmäßige Regierung Lidia Gueiler "bewähren". Barbie spielte persönlich eine herausragende Rolle bei dem brutalen Vorgehen gegen Bergarbeiter, Gewerkschafter und Studenten, die versuchten, dem Staatsstreich Widerstand entgegenzusetzen. Er unterhielt auch in dieser Zeit wiederum engste Kontakte zum Innenminister Arce Gomez und zum bolivianischen Geheimdienst Servicio Especial de Seguridad (SES). Nach Recherchen amerikanischer Journalisten war Barbie direkt an Vernehmungen in den Folterkellern des SES beteiligt.

Barbie scheute sich auch nicht, seine politische Haltung öffentlich zu demonstrieren. In einem Gespräch mit einem französischen Journalisten, dessen Vater auf Weisung von Barbie ermordet worden war, äußerte Barbie:

"Wir waren die Vorkämpfer des Kampfes gegen den Bolschewismus. Schauen Sie sich die heutige Lage an! Wenn die Amerikaner uns nicht gezwungen hätten, den Krieg zu verlieren, dann würde das heute nicht passieren" [zitiert in: V. Chernyavsky: The CIA in the Dock; Progress Publishers, Moskau, 1983]

Nachdem General Mezas Hauptaktivitäten als Präsident Boliviens, die volle Kontrolle über den Drogenhandel zu übernehmen, innen- und außenpolitisch auf immer stärkeren Widerstand gestoßen waren, mußte er abdanken. Damit war das Ende der Geheimdienst-Karriere des "Schlächters von Lyon" besiegelt. Die neue Regierung unter Siles Zuazo gab 1983 seiner Auslieferung nach Frankreich statt.

Damit war auch die Regierung der Vereinigten Staaten unter dem Druck der Öffentlichkeit gezwungen, eine Untersuchung über die Rolle offizieller und inoffizieller Stellen der USA in der Verhinderung der Bestrafung eines schwerbelasteten Kriegsverbrechers und seiner jahrelangen geheimdienstlichen Nutzung einzuleiten. [United States Department of Justice Criminal Division: Klaus Barbie And The United States Government; Exhibits to the Report to the Attorney General of the United States; August 1983, Washington D.C.; U.S.Printing Office] Mit dem vorgelegten Untersuchungsbericht zum "Fall Barbie" war jedoch auch das Ziel verbunden, das ganze Ausmaß der nachrichtendienstlichen und paramilitärischen Nutzung belasteter Faschisten aller Nationalitäten zu vertuschen, die Agentenkarriere von Klaus Barbie als eine fehlerhafte Einzelentscheidung abzutun.

Nur zur Abrundung für die Bewertung der Geisteshaltung im Freundeskreis von Barbie sei noch angemerkt: Der enge Vertraute von Barbie im Sicherheitsdienst des Drogenhändlers Suarez und beim Staatsstreich von General Meza, Joachim Fiebelkorn, wurde 1980 von zwei italienischen neofaschistischen Terroristen angeworben, die als Begleitung argentinischer Militärberater für General Meza nach Bolivien gekommen waren. Fiebelkorn war dann beteiligt an dem blutigen Terroranschlag auf den Bahnhof von Bologna im Sommer 1980, bei dem 85 Menschen starben. [Vgl. u.a "Der Spiegel", vom 31.01.1983: "Niemand wußte, wohin er ging: Die neofaschistische Internationale der Bologna-Attentäter"]

Quelle: Klaus Eichner und Gotthold Schramm (Herausgeber), Angriff und Abwehr, Die deutschen Geheimdienste nach 1945, 2. ergänzte Auflage, broschiert, 640 Seiten, Preis: 24,90 Euro, ISBN 978-3-360-01082-7, Verlag edition ost.

 

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