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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Gilberto Bosques (1892-1995)

Dr. Winfried Hansch, Berlin

 

Retter von über 45.000 Verfolgten des deutschen und spanischen Faschismus

 

Der 4. Juli 2015 ist der 20. Todestag des ehemaligen Generalkonsuls Mexikos in Frankreich. Gilberto Bosques und seine Mitarbeiter im mexikanischen Konsulat in Marseille haben von 1938 bis 1942 über 45.000 Flüchtlingen, Antifaschisten, Juden, Interbrigadisten aus Spanien, Anhängern der Spanischen Republik, Hunderten Österreichern, Deutschen und vielen Berlinern mit der Visa-Erteilung Schutz und Asyl in Mexiko gewährt. Darunter waren auch bekannte Schriftsteller, Politiker oder Künstler wie Anna Seghers, Ludwig Renn, Bodo Uhse, Steffie Spira, Hanns Eisler, Franz Feuchtwanger, Leo Zuckermann, Gustav Regler, Paul Merker, Charlotte und Walter Janka, Jeanne und Kurt Stern, Paul Westheim, Franz Werfel, Alfred Döblin und viele andere mehr. Für alle war es ein »Visa al paraiso«, ein Visum für das Paradies. Das Parlament Mexikos und Präsident Lazaro Cardenas, wie auch sein Nachfolger Präsident Avila Camacho verkörperten mit ihrer gegen den Faschismus in Italien, Spanien und Deutschland gerichteten Politik das freie hochherzige Mexiko dieser Zeit. Mit dem Bund »Freies Deutschland« entwickelte sich in der Stadt Mexiko neben Moskau das wichtigste politische Zentrum der antifaschistischen Bewegung im deutschsprachigen Raum. [1]

Gilberto Bosques und alle Mitarbeiter des Konsulats wurden mit dem Kriegseintritt Mexikos auf Seite der Alliierten im Mai 1942 von der Gestapo verschleppt und bis Februar 1944 in Bad Godesberg interniert. Nach einem Austausch gegen Gefangene der Alliierten kehrte Bosques in seine Heimat zurück und rettete als Botschafter Mexikos in Portugal (1944-46) weitere Spanier und andere Verfolgte.

Deutschland und Berlin haben eine widersprüchliche Geschichte im Umgang mit dem Exil und seinen politischen Ursachen. Vom Flugplatz Berlin-Gatow startete ein Teil der Legion Condor zu seinem todbringenden Einsatz in Spanien. Die von den Deutschen am 6. April 1937 vernichtete baskische Stadt Guernica steht für immer als Übung für die Massenbombardements des 2. Weltkrieges. Die Spanische Allee in Dahlem erhielt ihren Namen, als die faschistische »Legion Condor« aus Spanien zurückkehrte. Aber in Friedrichshain steht das von Fritz Cremer 1966 bis 1968 geschaffene Denkmal der revolutionären Spanienkämpfer. Im Jahr 1980 erhielt Gilberto Bosques den »Stern der Völkerfreundschaft« in Gold von der DDR. In der Begründung hieß es: »Unser Volk wird nie vergessen, was Mexiko für die besten Vertreter des deutschen Volkes getan hat. Sie personifizieren die hohen Werte des Humanismus ...«. [2]

Lange Zeit blieb die große Rettungsaktion Mexikos im Verborgenen. Aber vom 2. Dezember 2012 bis 14. April 2013 wurde in der Akademie der Künste die Ausstellung »Letzte Zuflucht Mexiko. Gilberto Bosques und das deutschsprachige Exil nach 1939« gezeigt.

Demokratische Menschen in Deutschland wollten nicht in Vergessenheit geraten lassen, was die Vereinigten Staaten von Mexiko in der Zeit des Faschismus für Verfolgte aus Deutschland geleistet haben. Die Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft und Herr Dr. Hans Modrow, ehemaliger Ministerpräsident der DDR, begrüßten dieses Projekt der Akademie der Künste. Wir halten es für angemessen, dass diese große humanistische Einstellung und die Rettung verfolgter Deutscher durch Mexiko in der Person ihres Konsuls Gilberto Bosques dauerhaft auch in Berlin geehrt werden sollte.

Für progressiv denkende Menschen ist eine weitere Etappe im Leben von Gilberto Bosques von großem Interesse. Auf eigenen Wunsch war er von 1953 bis 1964 Botschafter Mexikos in Cuba. Er kehrte in das Land zurück, in das er 1923 in letzter Minute vor den Erschießungskommandos des damaligen Präsidenten Plutarco Elias Calles geflohen war. Jetzt erlebte er den revolutionären Übergang von der Batista-Diktatur zum freien Cuba. Aus heutiger Sicht hat Bosques einen bedeutenden Anteil daran. Wieder unterstützte Gilberto Bosques Unterdrückte und rettete Flüchtlinge. Die Botschaft Mexikos erteilte hundertfach Visa für Verfolgte der Batista-Diktatur. Wenn die vielfach Gefolterten die Tür der mexikanischen Botschaft erreichten, bekamen sie medizinische Hilfe, Tickets für die Reise und Visa. So auch spätere Führer der kubanischen Revolution. [3]

Fidel Castro erhielt nach dem gescheiterten Sturm auf die Moncada am 26. Juli 1953 eine langjährige Freiheitsstrafe. Nach der Amnestie im Mai 1955 konnte er die Gefängnisinsel »Los Pinos« verlassen. Er und sein Bruder Raul empfingen in der Botschaft Mexikos Visa mit der Unterschrift von Gilberto Bosques. Von Mexiko aus startete am 25. November 1955 die »Granma« Richtung Cuba. Nach dem Sieg der kubanischen Revolution verband eine tiefe Freundschaft die Commandantes mit dem Botschafter Mexikos, wie das zweite Foto zeigt. [4]

1964 nach Mexiko zurückgekehrt, trat er aus dem diplomatischen Dienst aus und brach mit der Regierungspolitik von Präsident Gustavo Diaz Ordaz. Das hundertfache Massaker in Tlatelolco in Mexiko-Stadt am 2. Oktober 1968 bewertete er als Drama, als Akt unbeschreibbarer Barbarei. Das war wahrscheinlich auch eine Ursache dafür, dass dieser großartige Mensch in Vergessenheit geriet.

Das humanistische Wirken von Gilberto Bosques wurde spät, aber dann in mehreren Ländern geehrt. 5 Jahre nach seinem Tod, im Jahr 2000, erhielt das Parlament des Bundesstaates Puebla seinen Namen. Am 14. Dezember 2011 beschloss der Nationale Senat Mexikos die Schaffung eines Zentrums für Internationale Studien »Gilberto Bosques«, und viele Schulen ehren mit seinem Namen sein Andenken.

Die Regierung Österreichs benannte in Wien am 4. Juli 2003 eine Straße in der Nähe des UNO-Zentrums in »Gilberto-Bosques-Promenade«. Vom Memorial für die Helden und Märtyrer des Holocausts in Israel wurde er als »Gerechter unter den Nationen« anerkannt. Posthum wurde er in die Raoul-Wallenberg-Stiftung aufgenommen.

Die Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft wirbt für das für Berlin ehrenhafte Vorhaben, im Rahmen der Städtepartnerschaft Berlin-Mexiko in Berlin eine Straße, einen Platz, eine Schule oder eine Bibliothek nach Gilberto Bosques zu benennen.

Berlin, 18. Juni 2015. Winfried Hansch ist Vorsitzender der Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft.

 

Anmerkungen:

[1] Hans Modrow, »Exil in Mexico«, Seite 3, Mexiko-Stadt, November 2011.

[2] Revista Internacional y Diplomatica, Mexico Stadt, Juni 1980, Seite 67 ff.

[3] Persönliche Mitteilung an den Autor von Gilberto Bosques in seinem Haus in Colonia del Valle, Mexiko-Stadt, am 24. September 1985.

[4] Abgeordneter Felipe David Espinoza Rodriguez in »Vida y Obra de Gilberto Bosques Saldivar« (Leben und Werk von Gilberto Bosques Saldivar), CONGRESO DEL ESTADO DE PUEBLA, 2013, Seite 37ff (vgl. issuu.com/alfredorios/docs/libro_gilberto_bosques).

 

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