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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

»Ein Riese an Denkkraft …«

Günter Herlt, Berlin

 

So würdigte Friedrich Engels seinen Freund und Vertrauten Karl Marx, nach dessen Beiset­zung in London. An der Jahrtausendschwelle 1999 fragte die BBC ihre Hörer und Zu­schauer nach dem größten Denker des letzten Jahrtausends und sah Karl Marx auf Platz Eins. Das ZDF fragte 2003 nach den »größten Deutschen« und war froh, dass Adenauer vorn lag und Marx – hinter Luther – auf Platz 3 kam. Doch die fünf neuen Länder im Osten hatten ein besseres Gespür für die Neuzeit und wählten Marx zur Nummer Eins. 2017 folg­te hierzulande ein Kinofilm über den jungen Marx. Was wohl beweist: Marx lebt!

Er selbst hatte seine Taten und Schriften, seine Attacken gegen die Philosophie und Politik seiner Zeit, nicht als Bausteine für ein ewiges Dogma gesehen. Er analysierte den Erfah­rungsschatz einer Bewegung gegen die Dogmen jener Philosophen und Amtsträger, die als »Philister und Stubengelehrte« immer neue Theorien zur Erklärung der Welt erfanden, ohne sich an einer gründlichen Analyse und Veränderung der realen Zustände zu beteiligen. Er mischte sich ein mit viel Verstand und Wissen, Gründlichkeit und Leidenschaft, Klarheit und Bescheidenheit. Er lernte Sprachen, fuhr zu Konferenzen, schrieb Briefe, Artikel und Bücher, gründete Zeitungen und Organisationen, machte Entdeckungen in der Mathematik, wühlte in den Geschäftsbüchern der Konzerne und in den Lohnzetteln der Arbeiter. Er spannte stets seine Frau und die Freunde mit ein und knurrte manchmal erschöpft: »Wollte man ein Ochse sein, könnte man den ganzen Menschheitsqualen den Rücken zukehren …«.

Er entführte die Ballkönigin von Trier!

Ich musste lächeln, als ich erfuhr, dass Marx als Student an der Bonner Universität eine Eintragung in das »Karzerbuch« der Uni auslöste, weil er mit anderen Studenten – nach ei­nem »Zechgelage« – in den Straßen der verschlafenen Kleinstadt »randaliert« hatte. Er war doch in Trier, inmitten der Weinberge an der Mosel aufgewachsen. Sind das nicht »mildern­de Umstände«?

Marx hatte dann, als Sohn eines Justizrates, die schöne Jenny von Westphalen, die man die »Ballkönigin von Trier« nannte, entführt und beim Verzicht auf alle Privilegien unterstützt. Das hatte übrigens ein Nachspiel: Jennys Stiefbruder, Ferdinand von Westphalen, wurde In­nenminister von Preußen. Marx hatte das seiner Jenny scherzhaft prophezeit. Begründung: »Der ist so dumm, dass er bestimmt mal preußischer Minister wird!«

Dessen Häscher haben die beiden lange verfolgt. Um 1848 war Karl Marx bereits als ge­fürchteter »Aufrührer« gegen Monarchie, Militarismus und Menschenschinderei auf der Schwarzen Liste der Geheimdienste. Er hatte geholfen, den kleinen Londoner »Bund der Gerechten« in den »Bund der Kommunisten« zu verwandeln und gab dieser Keimzelle einer globalen Arbeiterbewegung, zusammen mit Friedrich Engels durch das »Manifest« ein Pro­gramm, das die historische Mission des Proletariats begründete und zum Signal einer neu­en Epoche wurde.

In Deutschland kam es im Mief der feudalen Kleinstaaterei zum Ausbruch der bürgerlichen Revolution. Die Konterrevolution hatte die Ausweisung von Karl und Jenny und vieler ande­rer Patrioten betrieben. Auch aus Frankreich und Belgien wurde er bald vertrieben. Dann folgte das entbehrungsreiche Exil in London, das die Familie mit drei Kindern nur dank der Zuschüsse von Engels überstand.

Das Gespenst sollte hinter Gittern verstummen

In Köln begann am 4. Oktober 1852 der erste »Kommunisten-Prozess«. Zeitgleich wurde in London und Brüssel das Gerücht verbreitet, Marx habe von London aus Attentate auf ge­krönte Häupter inszeniert und sei ein übler Terrorist. Marx hat das ganze Lügengespinst der preußischen Minister und Juristen in einer Broschüre aus Basel überzeugend widerlegt. Was seinem Schwager wohl neuen Ärger bereitet hat. Der las in dem Bericht eines Agen­ten aus London die Zeilen: »Marx ist von mittlerer Statur, 34 Jahre alt, trotz bestem Alter werden seine Haare schon grau … sein großes durchdringend feuriges Auge hat was dämo­nisch Unheimliches; man sieht ihm auf den ersten Blick den Mann von Energie und Genie an; seine Geistesüberlegenheit übt eine unwiderstehliche Gewalt auf seine Umgebung aus.«

Gegen solche »Gewalt der Vernunft« sind preußische Beamte einfach machtlos!

Da war sein Hauptwerk »Das Kapital« noch gar nicht veröffentlicht. Das geschah erst zehn Jahre später 1867 mit Band I. Aber damit sprengte Karl Marx die Tresore aller Ausbeuter durch die Aufdeckung der Geheimnisse des Mehrwertes und der verderblichen Folgen der Jagd nach Maximalprofit.

Im März 1871 kam es in Frankreich zur ersten proletarischen Revolution in Gestalt der Pa­riser Kommune. Marx und Engels wurden ihre begeisterten Paten. Es kam zu weiteren Er­hebungen in Frankreich, bis nach zehn Wochen die militärische Konterrevolution (mit Un­terstützung preußischer Truppen) alles zerschlug. Aber diese Fackel ist nie verloschen.

Der undankbare Job der »Marxtöter«

Kein Wunder, dass eine Armee von gutbezahlten »Marxtötern« seit anderthalb Jahrhunder­ten versucht, alle Thesen unserer Vordenker zu schreddern. Das gelingt aber nicht, trotz der empfindlichen Niederlagen vieler sozialistischer Experimente und Beispiele. In der tie­fen Finanzkrise 2008 stieg die Nachfrage nach dem »Kapital« wie selten. Auch Banker und Börsianer suchten Antworten bei Charlie.

Man hört öfter, der Marxismus sei zu radikal? Nein, er ist radikal-demokratisch! Man sagt, die Kommunisten sind nach 1990 vom Erdball verschwunden? Das täuscht!

In einigen Ländern sind sie zu Splitterparteien geschrumpft. Aber 1980 gab es weltweit etwa 70 Millionen KP-Mitglieder und heute hat allein die KP-China 90 Millionen Mitstreiter. Man sagt, dass die Jugend heutzutage »entideologisiert« ist? Der klügere Teil nicht! Die Ju­sos haben gerade dem Parteivorstand der SPD mit der Forderung nach einem prinzipiellen Politikwechsel eingeheizt und tausende neue Mitglieder geworben. Auch DIE LINKE und die Grünen haben verstärkt Zuwachs. Der Wind dreht sich!

Heute brüstet sich der Vorstand der SPD als Regierungshelfer der CDU/CSU, dass er eini­ge Kuchenkrümel mehr abbekommen hat von den Geschäftsführern des Kapitals. Das ist ja auch nötig und nützlich. Aber das löst keines der großen Probleme, die Deutschland und die Welt quälen: Das Risiko atomarer Waffengänge, der drohende Klima-Kollaps der Erde und die schamlose Polarisierung von Reichtum und Elend. Das 171-seitige Koalitionspapier rettet weder die »soziale Marktwirtschaft« von Ludwig Ehrhard (CDU), noch die »neue Ostpolitik« von Willy Brandt (SPD). Die Abhängigkeit vom nationalistischen Turbo-Kapitalismus der USA wird größer. Die Rechtsradikalen wurden in Deutschland und Europa »salonfähig«. Hitler, Franco und Mussolini würden sich freuen. Marx, Bebel und Rosa würden sich im Grabe umdrehen. Es bleibt viel zu tun!

Wenn der SPD-Vorstand öfter mal in die 23 Druckseiten des »Manifest« von Karl Marx schauen würde, dann hätte kein Leithammel der Union den Widerstand der SPD-Basis ge­gen diese verderbliche Koalition als »Zwergenaufstand« diffamieren dürfen. Aber vielleicht stellen wir Linke uns auch bei der Nachhilfe für die SPD-Genossen zu schüchtern, zu nach­tragend oder zu dogmatisch an? Das sind eine halbe Million potentielle Verbündete! Und ringsum gibt es viele weitere. Streiten macht klüger. Unser »Manifest« passt als kostbarer »Navigator« in jede Tasche!  

 

Mehr von Günter Herlt in den »Mitteilungen«: 

2018-02: »Tischlein deck dich!« – Ein Kalenderblatt

2017-11: Die »Aurora« und ich

2017-05: Das Orakel vom Bodensee