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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Ein Parteitag der etwas anderen Art

Ellen Brombacher, Berlin

 

Am 24. Mai 2008 hatte Uwe Kalbe im ND zur Kandidatur von Halina Wawzyniak für ein Stellvertreter-Amt im Parteivorstand angemerkt: "Daß Lothar Bisky sie den anrollenden Kampfwagen Sahra Wagenknechts als Reifentöter(in) in den Weg gelegt hat, ist ein kleines Manko ihrer Kandidatur, aber durchaus Indiz für ihre Positionen".

Letztere hat Halina Wawzyniak in dankenswerter Offenheit dargelegt. Ihre demonstrative Befürwortung der rot-roten Koalition in Berlin korrespondierte mit ihren "antistalinistischen" Äußerungen. 61,8% gaben ihr die Stimme. Dabei ist bemerkenswert, daß bei drei kandidierenden Stellvertretern auf drei Plätzen deren jeweilige Wahl a priori sicher war. Offenkundig wünschte ein beträchtlicher Teil der Delegierten keine gegen Kommunisten und antikapitalistische Linke gerichteten Polarisierungen. Auch deshalb war es vernünftig, daß Sahra Wagenknecht vor dem Parteitag erklärt hatte, sie würde nicht als stellvertretende Vorsitzende kandidieren. Sie tat dies bekanntlich, als sich abzeichnete, daß nicht nur Protagonisten des FdS ihre Kandidatur zu einer Zerreißprobe in der Partei machen wollten. Der Unterstützung der Medien hätten sie sich sicher sein können. Alle, die den Crash wünschten, sind ins Leere gelaufen. Auch dies war ein Grund für das von Sahra erzielte glänzende Wahlergebnis; Mit 70% der Stimmen nahm sie auf der Frauenliste die Spitzenposition ein. Vor allem aber waren es ihre glasklar vorgetragenen antikapitalistischen Standpunkte und der Respekt vor der Stetigkeit ihrer Haltung als Kommunistin, die ihr die hohe Zustimmung einbrachten.

Zugleich widerspiegelte Sahras Wahlergebnis eine starke Stimmungstendenz in Cottbus. Die meisten am Leitantrag vorgenommenen Änderungen haben diesen nach links profiliert. Besonders wichtig: Angenommen wurde der Antrag, daß jegliche Einsätze der Bundeswehr im Aus- und Inland abzulehnen sind. Faktisch schon im Vorfeld des Parteitages entschied sich auf Grund vielfältiger entsprechender Anträge, daß die Forderung nach einem NPD-Verbot in den Leitantrag aufgenommen wird. Durchaus keine Selbstverständlichkeit. Weitere Beispiele ließen sich anführen. Natürlich gab (und gibt!) es eine starke Gegentendenz; dem Abstimmungsverhalten nach vor allem durch die Vertreter des FdS verkörpert. Auf den Gängen des Parteitages wurde gemutmaßt, daß gerade sie Oskar Lafontaine die Zustimmung versagten. Der hatte mit einer brillanten antikapitalistischen Rede zuvor den lang anhaltenden, starken Beifall der großen Mehrheit der Delegierten und Gäste erhalten.

Es scheiterte – wenngleich knapp – der Antrag, zwei Grundbedingungen für Regierungsbeteiligungen in den Leitantrag aufzunehmen. Unser Antrag, auf eine Formulierung im selbigen zu verzichten, welche die Kandidatur von DKP-Mitgliedern auf Wahllisten der LINKEN (außer bei Kommunalwahlen) ausschließt, wurde abgelehnt. Allerdings: Uns war ein desaströses Abstimmungsergebnis vorausgesagt worden. Wir erhielten 25% bis 30% der Stimmen. Es war vorher absehbar, daß wir unterliegen würden. Für uns war wesentlich, solidarisch Flagge zu zeigen.

Noch vier Bemerkungen zur Gesamtatmosphäre: Im Mittelpunkt der Generaldebatte und unmittelbaren Antragsbehandlung standen soziale Probleme sowie Fragen des Friedenskampfes und des Antifaschismus. Die DDR denunzierende Bemerkungen gab es kaum. An den Mikrofonen wurden vorwiegend auf konkrete Sachverhalte bezogene, kritische Fragen gestellt. Das Miteinander von antikapitalistisch orientierten Linken aus Ost und West vertiefte sich weiter.

Der Parteitag war einer, der neue Chancen für konsequente sozialistische Politik signalisierte. Dies werden nicht zuletzt die politischen Gegner der LINKEN begriffen haben. Und dies haben auch jene in der Partei genau registriert, für die sich mit dem Wort "Chance" vorwiegend die Aussicht auf Regierungsbeteiligung verbindet. Mit ihnen wird sehr zu rechnen sein – gerade im Vorfeld der Bundestags- und Europawahlen 2009, gerade in jenem Jahr 2009, da der 60. Jahrestag der Gründung von BRD und DDR begangen wird und sich der SED-Sonderparteitag zum zwanzigsten Mal jährt. Sollte Sahra für den Deutschen Bundestag kandidieren, so wird sie auf erbitterten Widerstand stoßen. Kommunistinnen und Kommunisten in der LINKEN kennen solche Situationen und hätten ein bewährtes Gegenmittel: SOLDARITÄT. Und wir werden auch zukünftig wider den Zeitgeist agieren, denn, so Lafontaine in Cottbus: "Wer die Sprache der Herrschenden spricht, verfestigt die bestehenden Zustände."

 

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2008-03: Es gibt keinen linken Antikommunismus

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