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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Ein Blick zurück auf die Kuba-Krise vor 60 Jahren

Oberst a. D. Bernd Biedermann, Berlin

 

Noch leben viele Zeitgenossen, die sich an die dramatischen Ereignisse im Oktober 1962 erinnern können. Jüngere Generationen wissen dagegen nur wenig oder nichts darüber. Deshalb soll dieser Beitrag in aller Kürze an den Verlauf und den Ausgang dieser gefährlichen Konfrontation der damaligen Großmächte Sowjetunion und USA erinnern.

Im Oktober 1962 war in der Karibik eine Situation entstanden, die die weitere Existenz der Menschheit ernsthaft gefährdet hat. Nie zuvor und auch nicht wieder danach stand die Welt so nahe vor einem nuklearen Inferno. Erst in letzter Minute konnte ein Kompromiss gefunden werden, der den drohenden Krieg verhinderte.

Die eigentliche Krise dauerte nur 13 Tage (14. bis 28. Oktober).

Zur Chronologie ihrer Vorgeschichte und der Ereignisse

Von 1959 an hatten die USA in Italien eine Staffel mit 25 und in der Türkei zwei Staffeln mit je 25 nuklear bestückten Mittelstreckenraketen vom Typ Jupiter stationiert. Sie waren eindeutig auf die Sowjetunion und deren Raketenstandorte gerichtet.

Im April 1961 landeten Invasionstruppen aus Exilkubanern in der sogenannten Schweine­bucht auf Kuba. Die USA beteiligten sich direkt bei der Bombardierung kubanischer Flug­plätze. Nach drei Tagen waren die Kämpfe beendet. Die Truppen Fidel Castros besiegten sie eindeutig. 1.200 Invasoren kamen in Gefangenschaft. Trotz dieser Niederlage bereite­ten die USA weitere Aktionen gegen Kuba vor. Mit Flügen ihrer Höhenaufklärungsflugzeuge U-2 wurden im September 1961 erste Aufnahmen von sowjetischen Flugabwehrraketen vom Typ S-75 und von Kampfflugzeugen MiG-21 gemacht.

Im Juli 1962 begann die UdSSR unter dem Decknamen »Anadyr« mit der Stationierung von Militär auf Kuba.

In einer großangelegten logistischen Operation transportierten 86 Schiffe in 183 Fahrten 42.000 Soldaten und 230.000 Tonnen Ausrüstung nach Kuba, darunter 40 R-12 und 24 R-14 Mittelstreckenraketen mit Atomsprengköpfen.

Im August 1962 entdeckten die Amerikaner erstmals auf Fotos einer ihrer Höhenaufklärer U-2 Startrampen sowjetischer Luftabwehrraketen. Weitere U-2-Flüge bestätigten die Exis­tenz von 16 bis 32 Raketen SS-4 und SS-5.

Am 16. Oktober wurde Präsident John F. Kennedy über den Sachverhalt informiert. In der Administration begannen vielfältige Konsultationen, wie der Entwicklung zu begegnen sei. Auf der einen Seite gab es die sogenannten »Hawks« (Falken) und auf der anderen die »Doves« (Tauben). Während die Hawks einen Luftangriff präferierten, traten die Tauben für eine Blockade ein.

Am 22. Oktober hielt Präsident Kennedy eine Rede, in der er alle Streitkräfte der USA in erhöhte Gefechtsbereitschaft versetzte. Zirka 200 Kriegsschiffe wurden rund um Kuba in Position gebracht. Die Vertreter der NATO-Staaten Großbritannien, Frankreich, BRD und Kanada wurden informiert. Sie sicherten Präsident Kennedy ihre volle Unterstützung zu.

In einer weiteren Fernsehansprache verkündete Kennedy den Beginn der Seeblockade für den 24. Oktober. Er forderte den sowjetischen Regierungschef Nikita S. Chruschtschow auf, die Raketen aus Kuba abzuziehen und drohte für den Angriffsfall mit einem atomaren Gegenschlag.

Im Gegenzug wurden die Streitkräfte der Staaten des Warschauer Vertrags ebenfalls in die erhöhte Gefechtsbereitschaft versetzt. Das Personal musste in den Kasernen bleiben, es gab weder Urlaub noch Ausgang. Die Berufssoldaten hatten ständig ihre persönlichen Schusswaffen zu tragen.

Am 23. Oktober verkündete Chruschtschow, die Blockade nicht zu akzeptieren, versicherte aber, die stationierten Raketen dienten allein der Verteidigung. Am nächsten Tag drehten alle sowjetischen Schiffe ab.

Schwarzer Samstag

Auf einer Historikerkonferenz im Jahr 2002 offenbarte der Oberbefehlshaber der sowjeti­schen Streitkräfte, dass 1962 insgesamt 40.000 Mann sowie 42 Mittelstreckenraketen auf Kuba stationiert waren, einschließlich 80 Atomsprengköpfe.

Am 26. Oktober erhielt Kennedy ein Schreiben von Chruschtschow in dem dieser anbot, die Raketen abzuziehen, wenn die Amerikaner eine Invasion von Kuba ausschließen wür­den. Kennedy sicherte das zu.

Was damals niemand ahnte: Die sowjetischen Frachter wurden von U-Booten begleitet, die auch je einen Nukleartorpedo an Bord hatten.

Am 27. Oktober, einem Samstag, der später als »schwarzer Samstag« in die Geschichte einging, überschlugen sich die Ereignisse. Es kam zum Abschuss einer U-2 durch eine sowjetische Fla-Rakete, wobei der Pilot, Major Rudolf Anderson, den Tod fand. Eben dieser Pilot hatte die ersten Luftaufnahmen von den sowjetischen Raketen auf Kuba gemacht. Er galt in den USA als Held und war vielen hohen Militärs und Politikern persönlich bekannt. Sie forderten von Kennedy, einen massierten Luftangriff auf Kuba durchzuführen. Der Prä­sident lehnte das ab. Wie sich später herausstellte, hatte der Kommandeur der sowjeti­schen Luftverteidigung seine Befugnisse überschritten. Er hatte die eindeutige Weisung ignoriert, nur bei einem Angriff das Feuer zu eröffnen. General Gribkow, der bereits Mitte Oktober als Kommandierender auf Kuba eingetroffen war, war außer sich, konnte den Abschuss aber nicht ungeschehen machen.

In den Abendstunden jenes schwarzen Samstags fand ein Geheimtreffen zwischen Robert Kennedy und dem sowjetischen Botschafter Dobrynin statt. Der Präsident ließ seinen Bruder erklären, dass er auch einem Abzug der in der Türkei stationierten Jupiter-Raketen zustimmen würde. Noch in dieser Nacht entschied Chruschtschow, das Angebot anzuneh­men und die Raketen aus Kuba abzuziehen. Im Gegenzug erklärten sich die USA bereit, keine Invasion auf Kuba vorzunehmen. Was allerdings nicht veröffentlicht werden durfte, war die Vereinbarung über den Abzug der Raketen aus der Türkei.

Am 5. November begann der Abzug der Mittelstreckenraketen von Kuba, der innerhalb von fünf Tagen vollzogen wurde. Die USA lösten schließlich am 20. November die Seeblockade auf.

Objektive politische Beobachter schätzen auch heute noch ein, dass sich sowohl Kennedy als auch Chruschtschow der Tragweite ihrer Entscheidungen bewusst waren. Sie haben sich gegen alle diejenigen durchgesetzt, die eine militärische Lösung der Situation anstreb­ten.

Die Ergebnisse der Kubakrise sind durchaus als ein Erfolg der Sowjetunion zu werten. Durch den Abzug der US-Atomraketen aus der Türkei und Italien wurde eine günstigere Lage als beim vorherigen Status quo erreicht. Außerdem hatte die Sowjetunion bis heute wirksame Sicherheitsgarantien für Kuba erreicht.

Die Krise führte in den Jahren danach zu ersten Verhandlungen über Rüstungskontrolle, einem Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre und schließ­lich zum SALT-Abkommen.

Zum Schluss noch eine Episode am Rande

In der zweiten Hälfte des Jahres 1962 warteten die Angehörigen des Fla-Raketen-Regi­ments 13 der Luftverteidigung der DDR, das den Luftraum von Wismar bis Wittenberge schützen sollte, auf die Zulieferung ihrer sowjetischen Technik. Die ließ aber auf sich war­ten. Erst nach der Beendigung der erhöhten Gefechtsbereitschaft Ende Oktober traf sie dann ein.

Für die Übergabe kam eine kleine Gruppe sowjetischer Offiziere zu uns. Die Männer waren sonnengebräunt. Nach ein paar Tagen offenbarte mir einer von ihnen, dass sie direkt von Kuba kamen. Nun war uns klar, warum wir so lange auf unsere Technik warten mussten. Die für uns vorgesehene Ausrüstung war mit Sicherheit nach Kuba gegangen, und neue Komplexe mussten erst noch produziert werden.

 

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