Die Waffen nieder!
Dr. Wolfgang Biedermann, Berlin
Zum Export von Rüstungsgütern aus der Bundesrepublik Deutschland
Nach wie vor ist Bertha von Suttners (1843-1914) Romantitel "Die Waffen nieder!" (1889) und ihr Appell an die Herrschenden höchst aktuell. Sie widersetzte sich der chauvinistischen Volksverhetzung und der Aufrüstung in Vorbereitung auf einen kommenden Krieg.
Die BRD gilt seit geraumer Zeit als die Nummer drei unter den größten Waffenexporteuren, hinter den USA und Russland rangierend. [1] Zu den großen deutschen Rüstungskonzernen zählen: European Aeronautic Defence and Space Company (EADS), Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann und Thyssen-Krupp.
In der BRD werden konventionelle Waffen produziert und die Bundesregierung, in Sonderheit der Bundessicherheitsrat, gilt bei deren Ausfuhr als oberste Instanz: "Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz." (Kriegswaffenkontrollgesetz). Zudem heißt es, dass deutsche Rüstungsgüter ausdrücklich nicht von Staaten gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt bzw. in Krisenregionen geliefert werden dürfen. Soweit nur zu den allgemeinen Exportbestimmungen, die angeblich restriktiv gehandhabt werden.
Rüstungsgüter bezeichnen solche Güter, die vorrangig oder ausschließlich militärischen Zwecken dienen. So gehören hierzu auch LKW/PKW mit Tarnanstrich, Uniformen, Infrarot/Wärmebildausrüstungen, militärische Software, optische Geräte etc. Bestimmte Rüstungsgüter können zugleich Kriegswaffen sein (wie Lenkflugkörper oder Raketen einschließlich ihrer Abschusseinrichtungen). Die mit dem Begriff Waffen bezeichneten Dinge, die in einem Krieg zum Einsatz kommen können, sind eine Teilmenge der Kategorie Rüstungsgüter. Unterschieden werden daneben konventionelle und ABC-Waffen (Massenvernichtungswaffen).
Im Folgenden soll lediglich der monetäre Umfang der genehmigten Ausfuhren [2] von Rüstungsgütern, besonders der Kriegswaffen, im Zeitraum 1996-2012 grafisch dargestellt werden (Abbildungen vom Autor). Analoges betrifft den Export von Kleinwaffen, SALW (Small Arms and Light Weapons), die Bestandteil der Kriegswaffen bzw. der Rüstungsgüter sind.
Die Abbildung 1 veranschaulicht den Wert in Euro der Ausfuhrgenehmigungen von Rüstungsgütern und Kriegswaffen im angegebenen Zeitraum. Die Daten, die begrifflich den Kriegswaffen zugrundeliegen, entsprechen wohl den tatsächlichen jährlichen Exporten und sind in der Kategorie Rüstungsgüter enthalten.
In den Jahren 1999, 2003, 2008 und 2010 hatten Kriegswaffen wie Panzer, Schiffe, Kampfflugzeuge, Gewehre etc. einen Anteil von ungefähr 50% am Rüstungsgüterexport. Wie die Grafik weiterhin verdeutlicht, ist der Export nicht konstant. Ein signifikanter Anstieg bei den Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter ist allerdings nicht erkennbar.
Kleinwaffen -auch ein deutscher Exportschlager
Unter diesem scheinbar harmlosen und euphemistischen Begriff sind Waffen zu verstehen, die von einer Person getragen und bedient werden können: Faustfeuerwaffen (Pistolen/Revolver), Handfeuerwaffen (Gewehre, Karabiner, Sturmgewehre, Maschinenpistolen, Schrotflinten, leichte Maschinengewehre) sowie militärisch genutzte Sprengmittel (Handgranaten oder Minen). Mörser, tragbare Raketenwerfer (MANPADS), mittlere und schwere Maschinengewehre zählen desgleichen dazu.
Firmen wie Heckler & Koch (Sturmgewehr der G-Serie), Rheinmetall (Maschinengewehre) oder Carl Walther (Pistolen) sind berüchtigte Kleinwaffenhersteller. Vor allem das Sturmgewehr gehört neben dem M16 (USA) und der Kalaschnikow (Russland) zu den Waffen, die weltweit am häufigsten eingesetzt werden.
Nach Schätzungen von "Small Arms Survey" (unabhängiges Forschungsprojekt am Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung, Genf) existieren weltweit rund 875 Millionen (!) Schusswaffen. Hiervon sind annähernd 75% im Besitz von Privatpersonen. Weniger als ein Viertel (218 Mill.) dieser weltumspannenden Rüstkammer ist im Besitz nationaler Streitkräfte bzw. der Polizei. [3]
Wenn jene auch nur einen geringen geldlichen Anteil am Rüstungsexport haben, bedingen sie dennoch weltweit die meisten Todesopfer. Offiziellen Schätzungen zufolge werden mindestens 400.000 Menschen jährlich durch Schusswaffen getötet. [4] Deren physischen Eigenschaften (Größe, Gewicht) und deren Feuerkraft befördern die Verwendung von Schusswaffen en masse, so dass sie mit "Massenvernichtungswaffen" verglichen oder gar als solche bezeichnet werden können.
Entsprechend äußerte sich im Jahr 2006 der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan zur großen Wirkung der Kleinwaffen: "The death toll from small arms dwarfs that of all other weapons systems - and in most years greatly exceeds the toll of the atomic bombs that devastated Hiroshima and Nagasaki. In terms of the carnage they cause, small arms, indeed, could well be described as 'weapons of mass destruction'." [5]
Die Abbildung 2 zeigt die Entwicklung des Exports von Kleinwaffen, Munition und Teilen von Munition (Zünder, Hülsen, Geschosse, ...).
Im angegebenen Zeitraum beläuft sich die Summe des Transfers auf 1.051,36 Mill. €. Hiervon entfallen auf Kleinwaffen 689,15 Mill. € (66%) und auf Munition und Munitionsteile 362,21 Mill. € (34%).
Die Grafik offenbart eindeutig steigende Tendenz. Diese Tatsache korreliert mit der Aussage, dass die BRD zu einem der großen Waffenaußenhändler avancierte. Laut "Small Arms Survey" nahm die BRD im Zeitraum 2001-2008 weltweit den zweiten Platz unter den Kleinwaffenexporteuren ein. [6]
Ansteigender Export [7] ist Synonym für adäquaten Import anderenorts. Weil gerade die Kleinwaffen aufgrund ihrer Beschaffenheit mühelos zu besorgen sind, gelangen sie vor allem in sogenannten Krisenregionen zahllos zum Einsatz.
Zur Transparenz von Kleinwaffenexporten im internationalen Rahmen ist zu bemerken, dass die BRD von 25 möglichen Punkten 18,25 Punkte (Rang 6) erhielt [8], so dass die ausgewiesenen Daten annähernd tatsächliche Verhältnisse abbilden. "Deutschland lieferte dem UN-Register Daten über seine Aktivitäten 2011, aber es gab am Stichtag keine Daten über den vollständigen Beitrag des Landes in Bezug auf den Transfer von Handfeuerwaffen und leichten Waffen." [9] Als eine Sonderform des Rüstungsgüterexports ist der Export von Lizenzen [10] zu betrachten.
Anmerkungen:
[1] www.sipri.org/yearbook/2012/files/SIPRIYB12SummaryDE.pdf, S. 13. SIPRI erfasst jedoch nur die großen Waffen wie Schiffe, Panzer etc.
[2] Als Quellen dienten vornehmlich die publizierten Berichte der Bundesregierung zur Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter. Inwiefern diese Berichte den Ansprüchen an Transparenz gerecht werden, muss offen bleiben. Siehe hierzu auch Grässlin, J.: Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient, München: Wilhelm Heyne Verlag, 2013, S. 138 ff.
[3] www.smallarmssurvey.org/fileadmin/docs/A-Yearbook/2013/ge/Small-Arms-Survey-2013-Chapter-1-summary-GE.pdf.
[4] www.ag-friedensforschung.de/themen/Kleinwaffen/koetter4.html.
[5] www.un.org/events/smallarms2006/pdf/backgrounder.pdf.
[6] www.smallarmssurvey.org/fileadmin/docs/H-Research_Notes/SAS-Research-Note-11.pdf.
[7] Eine Quantifizierung der jeweiligen Rüstungsgüter würde ein sehr konkretes Abbild vermitteln.
[8] www.smallarmssurvey.org/publications/by-type/yearbook/small-arms-survey-2013.html, Small Arms Survey 2013: Kapitel 8, Zusammenfassung.
[9] Ebenda.
[10] Siehe die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Jan van Aken und anderer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. vom 29. November 2011 über "Ausfuhren von Kleinwaffen und Produktionsanlagen zur Herstellung von Kleinwaffen" in dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/079/1707926.pdf.
Mehr von Wolfgang Biedermann in den »Mitteilungen«:
2013-08: Die Schlacht am Kursker Bogen (5. bis 16. Juli 1943)
2012-06: Die Vernichtung von Lidice