Zum Hauptinhalt springen
Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Die Freiheit, Frieden zu verlangen

Gina Pietsch, Land Berlin

 

Ihr Lieben, ich glaube, einige von Euch wissen, dass ich ein DDR-Kind bin. Diese Tatsache allein könnte selbstverständlich machen, dass ich diesem Pistorius den Gefallen nicht tun und »kriegstüchtig« werde. Denn, mein Ländchen hat bekannterweise nie Kriege geführt, war nie an solchen beteiligt, unsere »Friedensbewegung« zog sich durch von Kindergarten bis Regierung.

Unsere Solidaritätsbewegungen übrigens auch. Ein Beispiel: Als Mikis Theodorakis während der Juntazeit im KZ Oropos saß, schickten ihm DDR-Kinder mit einer Blume bemalte Postkarten. Mikis bat den Wärter, ihm die zu zeigen. Der lehnte ab mit den Worten, das sind ja viele Säcke voll.

Aber zurück zum Frieden. Ich mach mir Sorgen, weil es damit sogar in den mir nahen Organisationen, wie der VVN, merkwürdige Probleme gibt. Da wird die junge Welt am Tag der Mahnung ausgeladen, weil sie angeblich Israel-Hass verbreitet, eine böswillige Verwechslung der Kritik der jungen Welt an Netanjahus völkermörderischer Politik Palästina gegenüber. Da wird viel Zeit vergeudet mit der Frage, von welchen »Friedenskräften« man sich fernhalten solle. Selbstredend waren und sind Nazis niemals »Friedenskräfte«. Mein Protest gegen so unproduktive Debatten hat allerdings bisher nichts bewirkt. Ich meine, von keiner Friedenskraft soll man sich fernhalten. Die Aufforderung, an der im Februar 23 von Sahra Wagenknecht angeregten Friedensdemo nicht teilzunehmen, kam in meiner eigenen VVN-Gruppe von Seiten des Geschäftsführers, das mit dem bekannten »Rechtsoffen«-Vorwurf. Unglaublich angesichts der derzeitigen wirklichen Bedrohung des Weltfriedens. Ihr wisst alle, dass Brecht den berühmten Vergleich zog:

Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.

In Gaza stirbt mindestens alle 10 Minuten ein Kind im israelischen Bombenhagel, an Hunger oder Durst. In Russland und Ukraine gibt es täglich mindestes 500 Tote. Bei diesem »dritten« wird das alles schneller gehen, und wahrscheinlich bleibt dann auch keiner mehr übrig, der protestieren kann.

Die Amis, denen diese – nicht meine – Regierung täglich die Stiefel leckt, interessiert so was nicht. Bekannterweise haben dieVereinigten Staaten von Amerika – niemals angegriffen – in den 231 Jahren seit ihrer Gründung, insgesamt 219 mal Krieg geführt, können deshalb auch heute ohne Skrupel mit dem Gedanken des auf Europa beschränkten Nuklearkrieges spielen.

Und, was Wunder? Die systematische Kriegsführung hat sich mittlerweile zum bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt, Rüstungskonzerne sowie die Finanz- und Investmentindustrie verdienen mit Kriegen und bewaffneten Konflikten illustre Milliarden. Und, nur die seit 1946 gerechneten US-Kriege haben mindestens 7 Millionen Menschen das Leben gekostet, 4 Millionen allein nach dem berüchtigten nine/eleven. Wir haben daher allen Grund uns zu sorgen.

Dass dabei ständig gelogen wird, dass sich die Balken biegen, ist so alt wie die Welt. Schon der Gymnasiast Brecht hat als einziger in seiner Augsburger Klasse dem obligatorischen Aufsatzthema widersprochen, das da hieß: »Dulce et decorum est pro patriam mori«. Was schrieb Brecht?

Der Ausspruch, dass es süß und ehrenvoll sei, für das Vaterland zu sterben, kann nur als Zweckpropaganda gewertet werden. Der Abschied vom Leben fällt immer schwer, im Bett wie auf dem Schlachtfeld … Nur Hohlköpfe können die Eitelkeit so weit treiben, von einem leichten Sprung durch das dunkle Tor zu reden ...

Der Hohlkopf hieß übrigens Horaz.

Zwei Freundinnen widerstanden in anderer Weise: Rosa Luxemburg rief in Frankfurt/Main am 25. und 26. September 1913 einer Menge von Hunderttausend zu:

Wenn uns zugemutet wird, die Mordwaffen gegen unsere französischen oder anderen ausländischen Brüder zu erheben, so erklären wir: Nein, das tun wir nicht!

Und ihre beste Freundin Clara Zetkin sagt dann, als der Krieg ausgebrochen war:

Wenn die Männer töten, so ist es an uns Frauen, für die Erhaltung des Lebens zu kämpfen. Wenn die Männer schweigen, so ist es unsere Pflicht, die Stimme zu erheben.

Beide Appelle hatten, wie wir wissen, nicht den gewünschten Effekt.

Lenin hatte mit der Oktoberrevolution andere Möglichkeiten.Schonam 26. Oktober 1917 nahm der Zweite Gesamtrussische Sowjetkongress das Dekret über den Frieden an, das in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung bis heute kaum zu überschätzen ist, und die Bolschewiki nannten die Fortsetzung des Krieges das größte Verbrechen an der Menschheit.

Nun ist die Menschheit, ja, die menschliche Existenz, bedroht. Trotzdem, wir hoffen auf das Ende des Tötens in der Ukraine, in Russland, in Israel, in Gaza, im Iran und den Ländern mit rund 20 weiteren Kriegen. Wir hoffen auf das Ende der furchtbaren Flüchtlingsströme, wichtiger noch, das Ende der Fluchtursachen. Wir fordern Verhandlungen zu Waffenstillstand und das Ende von Waffenlieferungen, denn Waffen in Krisengebiete zu schicken ist nach meiner Kenntnis laut Grundgesetz der Bundesrepublik verboten. Wir wissen, dass Kriege besonders stark und besonders sinnlos zur Umweltzerstörung beitragen, dass ein Bombenflugzeug von heute in einer Stunde so viel Treibstoff verbraucht wie ein Autofahrer in sieben Jahren.

Rede ich also weiter vom Frieden und von der Freiheit, die dieses Land gern vor sich herträgt. Ich rede von der Freiheit mit Bertolt Brecht. 1951 sagt der:

Lassen Sie uns doch alle gesellschaftlichen Systeme zu allererst daraufhin untersuchen, ob sie ohne Krieg auskommen. Lassen Sie uns zuallererst um die Freiheit kämpfen, Frieden verlangen zu dürfen. Sage keiner: erst müssen wir darüber sprechen, was für ein Friede es sein soll. Sage jeder: Erst soll Friede sein. Dulden wir da keine Ausflüchte, scheuen wir da nicht den Vorwurf, primitiv zu sein. Seien wir einfach für den Frieden. Diffamieren wir alle Regierungen, die den Krieg nicht diffamieren. Erlauben wir nicht, dass über die Zukunft der Kultur die Atombombe entscheidet.

Das war 1951. Und doch: seitdem hat es in der Welt kein Jahr ohne Kriege gegeben. Ich habe noch keinen erlebt, bin im ersten Friedensjahr in Deutschland geboren. Dass er aber bleibt, der Frieden, in Deutschland, ist überhaupt nicht selbstverständlich. Und so werde ich deshalb auch weiter jede Aktion der Institutionen unterstützen, die sich trotz der perversen Pläne zur Erhöhung der Rüstungsausgaben als Punkt eins den Frieden auf ihre Fahnen heften, werde ihre Petitionen unterschreiben, Friedenslieder singen, auf Friedensdemos und Kundgebungen laufen – die nächste am 3. Oktober – und ich bin sicher, mit Euch zusammen.

Danke für Eure Aufmerksamkeit.

 

Mehr von Gina Pietsch in den »Mitteilungen«: 

2024-08: Dichterfürst oder Fürstendichter? 

2024-05: Dank an eine Lehrerin zu deren 100. Geburtstag

2024-02: Bleib am Leben, sie zu ärgern!