Zum Hauptinhalt springen
Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Der Unterschied zu Münster und Gera

Von Ellen Brombacher, Berlin

 

Vor dem Europaparteitag der LINKEN hatte sich der Bundesausschuß auf eine Liste geeinigt. Drei bisherige EP-Abgeordnete fehlten auf der Liste, die den Delegierten in Essen empfohlen werden sollte: Tobias Pflüger, favorisiert von der Friedensbewegung, sowie Sylvia-Yvonne Kaufmann und André Brie. Alle drei traten dennoch an. Tobias Pflüger, leidenschaftlich unterstützt von Sahra, schaffte es auf Listenplatz zehn. Nachdem Sylvia-Yvonne Kaufmann mit ihrer Kandidatur gegen die auf Platz sieben gesetzte Linke Sabine Lösing chancenlos geblieben war und auch im nächsten Wahlgang um Platz neun gegen Martina Michels unterlag, erhob sich die Frage, ob André Brie überhaupt noch kandidieren würde. Er mußte mit einer Niederlage rechnen. Bei der Wahl um Listenplatz 12 trat er gegen Sascha Wagener, den Kandidaten des Jugendverbandes ['solid] an, und scheiterte ebenfalls deutlich am Votum der Delegierten. Inzwischen hatte sich Sylvia-Yvonne Kaufmann noch einmal für Platz 13 beworben. Doch Ruth Firmenich, Mitarbeiterin von Sahra in Brüssel, entschied die Wahl klar für sich. Daß dann noch der auf den Platz 14 gesetzte René Heilig, von Petra Pau und Halina Wawzyniak empfohlen, gegen Wilfried Telkämper unterlag, war nur noch bedingt eine Überraschung.

Die Ergebnisse bei der Aufstellung der Kandidatenliste für die Wahlen zum Europäischen Parlament entsprachen in der Sache den Resultaten der Abstimmung über das Europawahlprogramm. Schon dessen Entwurf war von guter Qualität. Nicht wenige der über 60 Änderungsanträge waren darauf gerichtet, den ohnehin bereits linken Charakter des Wahlprogramms weiter auszuprägen. Von diesen auf die Vertiefung des linken Profils gerichteten Anträgen wiederum wurden viele angenommen bzw. unterlagen nur knapp. So wurde der an die Feststellung im Entwurf "Es gibt keine ›humanen Militärinterventionen‹" anknüpfende Antrag des Geraer Dialogs angenommen: "Die LINKE lehnt daher alle Kriegseinsätze, auch mit UN-Mandat ab." Ebenso kam der Antrag von Prof. Gregor Schirmer durch: "Die LINKE will eine friedliche Europäische Union, die das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen, insbesondere das Gewaltverbot, konsequent achtet und verteidigt." Aus der Formulierung im Entwurf "Der Kapitalismus, für den Arbeitsplätze zur bloßen Manövriermasse in einem globalen Finanzcasino geworden sind, muß überwunden werden." wurde: "Der Kapitalismus muß überwunden werden." Die von der Kommunistischen Plattform initiierten Anträge zum Antifaschismus waren bereits durchweg im Vorfeld des Parteitages vom Bundesvorstand übernommen worden. Soweit einige konkrete Beispiele.

Der Essener Parteitag hat mehr als nur linke Akzente gesetzt. Er steht wohl mit denen in Münster (2000) und Gera (2002) in einer Reihe. Der Parteitag hat die politische Linie von Oskar Lafontaine bestätigt, die dieser in seiner mit viel Beifall bedachten Essener Rede erneut bekräftigte. Die, denen diese Linie nicht paßt, sind nicht mehr in der Lage, die Partei mit Rücktrittsdrohungen zu erpressen. Das unterscheidet Essen von Münster und Gera. Dies werden auch die politischen Gegner der LINKEN nicht unbedingt anders sehen. Die mainstream-Medien werden entsprechend reagieren. Erhebliche Hetze ist zu erwarten, und vielleicht wird parallel versucht werden, der LINKEN den Zugang zu den Medien spürbar weiter zu erschweren. Eine schon nach Gera besonders wirksame Methode, die Partei zu schwächen. Auch das dürfte mit Lafontaine etwas schwerer zu machen sein als es damals mit Gabi Zimmer gelang.

Die politischen Gegner – darunter die bürgerlichen Medien, wo auch immer angesiedelt – hatten sich infolge der Fusionsprozesse von 2005 bis 2007 einen Rechtsruck erhofft, den übrigens ja auch wir zunächst befürchteten. Nun fühlen sich die Rechten aller Schattierungen ausgesprochen betrogen. Und sie sind stark.

Der Druck auf die LINKE wird in Vorbereitung der Europa- und Bundestagswahlen, der Landtags- und Kommunalwahlen im Jahr 2009 in womöglich bisher ungekannter Heftigkeit zunehmen. Im "Superjubiläumsjahr" werden dabei die antikommunistischen Angriffe im Kontext mit unserer Geschichte eine besondere Rolle spielen, vielleicht die entscheidende. Und an Beihilfe wird es nicht fehlen, wie ein Thesenpapier einer Arbeitsgruppe der sächsischen Linkspartei demonstriert. Gerade mit Hilfe des Geschichtsstreits werden verschiedenste politische Kräfte alles tun, um einen Keil in die Parteilinke zu treiben. Man weiß um diesbezügliche Differenzen. Unsere Gegner werden jeden unserer Fehler ausnutzen. Jede unserer Meinungsverschiedenheiten werden sie auszuschlachten versuchen. Unsere ganze Klugheit ist verlangt. Wachbuchaffären sollte die Parteilinke tunlichst vermeiden und breit angreifbare politische Statements nicht minder. Daß prinzipielle Positionen, z.B. zum Thema Geschichte, keine Steilvorlagen für politische Gegner bieten müssen, ist zigfach bewiesen. Die antikapitalistischen Kräfte in der LINKEN, die KPF eingeschlossen, haben es wesentlich in der Hand, ob der Kurs von Essen beibehalten werden kann.

 

Mehr von Ellen Brombacher in den »Mitteilungen«: 

2008-12: Referat des Sprecherrates auf der Bundeskonferenz am 22. November 2008

2008-11: Nachbetrachtungen zu einer teilboykottierten Veranstaltung

2008-11: Tagung des Berliner Aktivs