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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Der Putsch der Obristen

Dr. Ronald Friedmann, Berlin

 

In den Morgenstunden des 21. April 1967 putschten in Griechenland die Militärs. Innerhalb weniger Stunden übernahmen sie im ganzen Land die politische Macht und errichteten eine blutige Diktatur. Ihr »Regime der Obristen« kostete ungezählten Menschen das Leben, überall im Land entstanden KZ-ähnliche Lager, zehntausende Männer und Frauen wurden ins Exil getrieben.

Der Putsch kam keineswegs überraschend. Was jedoch viele zeitgenössische politische Beobachter überraschte und erstaunte, waren der Zeitpunkt und vor allem die Protagonisten des Staatsstreiches: Es waren keineswegs die Spitzenmilitärs, deren Eingreifen in die Geschicke des Staates man grundsätzlich für möglich gehalten und sogar erwartet hatte, sondern Offiziere aus der sogenannten zweiten Reihe, denen man eigentlich keine politischen Ambitionen unterstellt hatte.

Bürgerkrieg, weißer Terror und fortgesetzter Antikommunismus

Griechenland war seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs politisch nicht zur Ruhe gekommen. Im März 1946 hatte ein blutiger Bürgerkrieg begonnen. Nach der Befreiung von der deutschen Besetzung hatten die von der Kommunistischen Partei organisierten und geführten Partisanenverbände – weitgehend auf sich allein gestellt, also ohne nennenswerte Hilfe seitens der Sowjetunion – den Versuch unternommen, ihren Einfluss auf ganz Griechenland auszudehnen, während die königstreuen Kräfte, umfassend unterstützt von Großbritannien, ihrerseits bestrebt waren, die Herrschaft über das gesamte Land zu erringen. Großbritannien hatte allerdings der US-amerikanischen Regierung sehr bald offiziell mitteilen müssen, dass es aufgrund der erheblichen Aufwendungen zur Beseitigung der Kriegsfolgen im eigenen Land nicht mehr in der Lage sein würde, diese Unterstützung fortzusetzen und dass es nun Sache der USA sei, durch Hilfeleistungen an die antikommunistischen Kräfte in Griechenland zu verhindern, dass auch das Mittelmeerland in den »sowjetischen Herrschaftsbereich fallen« würde.

Im März 1947 nahm US-Präsident Harry S. Truman die britische Erklärung zum Anlass, um in einer Rede vor beiden Kammern des US-amerikanischen Kongresses seine Politik des »Containment«, der »Eindämmung des Kommunismus«, zu verkünden, die für mehr als zwei Jahrzehnte zur bestimmenden Maxime der US-amerikanischen Außenpolitik wurde und die bis heute als »Truman-Doktrin« bekannt ist.

Die nachfolgende massive Einmischung der USA in Griechenland zeigte umgehend Wirkung: In den von der Regierung beherrschten Landesteilen wurden die Kommunistische Partei und die von ihr geführte Volksfrontbewegung EAM verboten. Der Druck auf die Gebiete, die von der DSE, der aus der Partisanenbewegung hervorgegangenen Demokratischen Armee Griechenlands, kontrolliert wurden, nahm ständig zu. Am 9. Oktober 1949 musste die DSE schließlich die Einstellung des bewaffneten Kampfes verkünden. Dem Ende des Bürgerkrieges folgte eine massive Welle des weißen Terrors, dem in den folgenden Jahren zahllose Menschen zum Opfer fielen. Tausende Kommunisten und andere Demokraten wurden vor Sondergerichte gezerrt, die zum Teil jahrzehntelange Haftstrafen verhängten. Hunderte Todesurteile wurden vollstreckt. Im Februar 1952 war Griechenland reif für die Mitgliedschaft in der Nato.

Seit Ende der fünfziger Jahre verbanden sich die Hoffnungen auf ein Ende des »griechischen Traumas«, das durch den Bürgerkrieg und dessen Nachgeschichte ausgelöst worden war, vor allem mit dem Wirken des liberalen Politikers Georgios Papandreou, der in den Jahren der deutschen Besetzung zeitweise Chef der griechischen Exilregierung gewesen war. Im Verlaufe des Jahres1961 gelang es Papandreou, die verschiedenen, bis dahin weitgehend zersplitterten bürgerlich-oppositionellen Gruppen und Gruppierungen unter dem Dach der von ihm geführten Zentrumsunion EK zusammenzuschließen. Bei den Parlamentswahlen im November 1963 und Februar 1964 wurde die EK schließlich stärkste Kraft, Papandreou konnte das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen.

Doch er hatte kaum eine Chance, sein Reformprogramm, mit dem er vor allem den Bildungssektor modernisieren wollte, in die Tat umzusetzen: Die »Parakratos«, wie in Griechenland die im Hintergrund wirkenden politischen »Schattenmänner« genannt werden, organisierten vom ersten Tag an den Widerstand gegen die Regierung Papandreou. Denn obwohl Papandreou ein überzeugter und erklärter Antikommunist war, hatte er im Wahlkampf die Unterstützung der Demokratischen Linkskoalition EDA akzeptiert, die 1951 unter maßgeblicher Mitwirkung der illegalen Kommunistischen Partei gegründet worden war. Das allein genügte in den einschlägigen Kreisen, den gewählten Ministerpräsidenten als »Risiko für die nationale Sicherheit« zu betrachten. Zum Showdown kam es im Sommer 1965, als regierungsfeindliche Zeitungen eine angebliche Verschwörung linksgerichteter Offiziere »aufdeckten«, zu denen auch Andreas Papandreou, der Sohn des Ministerpräsidenten, gehören sollte. Georgios Papandreou nahm dieses Ereignis zum Anlass, um die Möglichkeit zu prüfen, die Eigenständigkeit der Streitkräfte einzuschränken und sie der Kontrolle durch das Parlament zu unterstellen. Damit hatte er im Verständnis der »Parakratos« allerdings eine unantastbare Grenze überschritten. Der junge und politisch unerfahrene König Konstatin II., der erst im Jahr zuvor die Nachfolge seines verstorbenen Vaters angetreten hatte, erwies sich als ein willfähriges Instrument: Er nötigte Papandreou zum Rücktritt und setzte einen den »Parakratos« genehmen Regierungschef ein, der im Parlament jedoch keine Mehrheit erhielt. Es folgten wochenlange Demonstrationen mit der Forderung nach Neuwahlen und der Wiedereinsetzung des gestürzten Regierungschefs Papandreou.

Auch im Interesse der USA

In dieser Situation entwickelten der König und die ihm nahestehenden ranghöchsten Generäle, die sogenannte Große Junta, erste Pläne für die Errichtung einer Militärdiktatur. Nach mehrwöchigen Bemühungen gelang es allerdings mit Hilfe von bestochenen Überläufern aus der Zentrumsunion doch noch, einen »geeigneten« Ministerpräsidenten zu installieren. Die Putschpläne konnten also zunächst in der sprichwörtlichen Schublade bleiben.

Im Frühjahr 1967 spitzte sich die innenpolitische Lage in Griechenland erneut zu. Neuwahlen im Mai 1967 sollten die Situation klären, doch »drohte« der Sieg eines (sehr gemäßigten) Mitte-Links-Bündnisses unter Führung von Papandreou. Während man in der Großen Junta noch die Alternativen diskutierte, handelte zur allgemeinen Überraschung eine später so genannte Kleine Junta, eine Verschwörergruppe um Oberst Georgios Papadopoulos. Der König ließ die Putschisten gewähren und verzichtete auf eigene Schritte.

Auch fünfzig Jahre nach dem Putsch der Obristen sind die Rolle der US-Regierung und insbesondere der CIA nicht wirklich klar. Offiziell wird – kaum überraschend – jede Mitwirkung abgestritten. Über die Staatsstreichpläne des Königs und seiner Großen Junta sei man in Washington offensichtlich informiert gewesen, so heißt es bis heute aus einschlägig informierten Kreisen, doch der Putsch der Obristen habe auch die Administration von US-Präsident Johnson überrascht. Es kann allerdings kein Zweifel daran bestehen, dass es durchaus im Interesse der USA lag, dass die für Mai 1967 geplanten Parlamentswahlen nicht stattfanden. Und auch das gehört zur historischen Wahrheit: In allen Nato-Staaten gab es bis mindestens 1990 hochgeheime sogenannte Stay-behind-Organisationen, die der verdeckten Kriegführung, auch gegen die eigenen Bevölkerung, dienen sollten. In Griechenland waren das jene Teile der Gebirgsjägertruppen, die beim Putsch vom 21. April 1967 eine zentrale Rolle spielten.

Zum Symbol des Kampfes gegen das Regime der Obristen wurde innerhalb weniger Monate der damals erst 42 Jahre alte Komponist, Schriftsteller und Politiker Mikis Theodorakis, der sich bereits zwei Tage nach dem Putsch mit einem Appell zum Kampf gegen die Militärdiktatur an die Menschen in Griechenland wandte. Vier Monate lang kämpfte er mit der von Kommunisten gegründeten Patriotischen Front im Untergrund. Dann wurde Theodorakis verhaftet. Er wurde gefoltert und unter grausamen Bedingungen gefangen gehalten. Erst im Frühjahr 1970 konnte er nach Frankreich ins Exil gehen. Bereits am 1. Juni 1967 war seine Musik mit dem Armeebefehl Nr. 13 verboten worden. Der Besitz seiner Platten, sogar das Singen und Hören seiner Lieder, wurden mit Gefängnisstrafe geahndet.

Mehr als sieben Jahre konnte sich das Militärregime halten, nicht zuletzt deshalb, weil man an der Spitze der Nato an »stabilen Verhältnissen« in Griechenland interessiert war. Mit dem Aufstand der Studenten am Athener Polytechnikum im November 1973 begann die Endkrise des Regimes. Die Militärs waren immer weniger in der Lage, für »Ruhe und Ordnung« im Land zu sorgen. Doch letztlich war es der griechisch-türkische Konflikt um Zypern, der das Schicksal der Militärdiktatur besiegelte: Einen Krieg zwischen zwei Nato-Staaten konnte man in Washington keinesfalls gebrauchen. Das Regime in Athen wurde fallengelassen. Am 23. Juli 1974 übernahm ein ziviler Ministerpräsident die Amtsgeschäfte. Die politischen Parteien wurden wieder zugelassen und am 17. November 1974 fanden Parlamentswahlen statt. Am 11. Juni 1975 trat eine neue Verfassung in Kraft. Und am 28. Juli 1975 begann ein Prozess gegen achtzehn Hauptverantwortliche des Staatsstreiches vom 21. April 1967.

 

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2016-08:  Deutsche Interessen am Hindukusch und andernorts

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