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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Das Ende der Ardennenschlacht im Kontext der sowjetischen Winteroffensive (am 12. Januar 1945 eingeleitet)

Dr. Wolfgang Biedermann, Berlin

 

Im Sommer 1943 war die Initiative mit der Schlacht im Kursker Bogen unumkehrbar auf die Seite der Roten Armee übergegangen. Zum Jahresende begann eine Serie von Offensiven, welche die Front bis zu 200 km nach Westen verschob. Angefügt werden muss, dass es der UdSSR gelungen war, zuvor wichtige Industrien in Richtung Osten zu evakuieren, deren Potenzial zu erweitern und die Massenproduktion neuer, moderner Waffen zu forcieren. Im Gefolge der großen Operation »Bagration« (22. Juni 1944) zerschlugen die sowjetischen Streitkräfte die Heeresgruppe Mitte. An allen Abschnitten der Ostfront gewannen sie trotz verzweifelter Gegenwehr schnell Terrain.

Im Oktober schließlich überschritten sowjetische Einheiten im Raum Tilsit, Gumbinnen und Goldap die ostpreußische Grenze. Ehemalige Satelliten wie Rumänien, Bulgarien oder Finnland scherten aus der Hitler-Allianz aus und erklärten Deutschland den Krieg.

Vor dem Hintergrund der hier skizzierten Entwicklung eröffneten im Westen die USA und Großbritannien mit der Operation »Overlord« die lang geforderte Zweite Front (am 6. Juni 1944). In Frankeich, Belgien und den Niederlanden befanden sich 58 deutsche Divisionen in den Heeresgruppen B und G zusammengefasst. Ihre Beweglichkeit war in Ermangelung von Motorisierung eingeschränkt. Etwa ein Drittel der Divisionen befand sich in Neuaufstellung (»Auffrischung«) und die deutsche Luftflotte 3 zählte gerade einmal 160 Maschinen. [1] Die absolute Luftherrschaft lag völlig auf Seiten des Invasionskorps.

Der Chef des Wehrmachtsführungsstabes, A. Jodl, resümierte in einem strategischen Überblick (13. April 1944) den qualitativen Unterschied zur Ostfront: »[…] Zusammenfassend ergibt sich, das die bei weitem überwiegende Masse des deutschen Heeres sowohl nach Zahl der Verbände wie nach ihrem inneren Wert im Osten eingesetzt ist. Auf allen anderen Fronten ist nur ein Mindestmaß der Kräfte vorhanden, teilweise sogar das Mindestmaß unterschritten. Ein großer Teil […] ist für den Osten überhaupt nicht brauchbar.« [2]

Der Hitler treu ergebene Panzerstratege H. Guderian bekräftigte rückblickend, dass die von Seiten der Roten Armee eingeleitete strategische Wende unmittelbar auf das Geschehen im Westen einwirkte: »Die heftigen, kräfteverzehrenden Kämpfe im Osten übten einen nachteiligen Einfluß auf die Ausstattung der Westfront zur Abwehr der bevorstehenden Invasion aus.« [3]

Nach anfänglichen Offensivkämpfen seitens der Wehrmacht rückten im November 1944 anglo-amerikanische Verbände im Raum Strasbourg bis an die deutsche Grenze vor, französische Einheiten besetzten Belfort und Mülhausen (Mulhouse) im Elsass. Die Hitler-Wehrmacht hatte sich zuvor zwischen Aachen und Metz auf den Westwall zurückgezogen.

In der obersten Führungsetage des »Dritten Reiches« spekulierten Hitler und dessen Paladine über einen eventuellen Bruch zwischen den Alliierten. Ferner meinten jene, eine Option wäre, den anglo-amerikanischen Truppen eine vernichtende Niederlage zu bescheren, um wenigstens im Westen das Zepter in die Hand zu nehmen. Eine solche gelungene Demonstration der Stärke verhieße eine günstige Ausgangsposition, um mit dem Westen in (politische) Verhandlung zu gelangen. [4] Das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) entschloss sich, bei günstigem Wetter die Offensive in den Ardennen einzuleiten.

Die Ardennen-Offensive

Bereits im Oktober begannen im OKW unter strengster Geheimhaltung Planungen und Berechnungen zum Kräfte- und Materialeinsatz der Wehrmacht für einen überraschenden Gegenschlag an der Westfront. Neben dem üblichen Täuschungsmanöver (über Ort und Zeit des Angriffs) galt es, die entsprechenden Mengen an Betriebsstoffen und Munition bereitzustellen. Die Munitionierung erfolgte durch das Aufbrauchen der sogenannten Führerreserve. Der benötigte Betriebsstoff wiederum war nur durch rigorose Drosselung auf den anderen Kriegsschauplätzen und durch das Zusammenkratzen (»Mobilisierung von Reserven«) erhältlich. In Summa, untrügliche Anzeichen des Niedergangs der einst so erfolgreichen Kriegsmaschinerie nebst ihrer Verfügbarkeit an bedeutenden materiellen Ressourcen.

Am 10. November erging der Befehl zum Aufmarsch und zur Bereitstellung unter dem Decknamen »Wacht am Rhein«. Das »[…] Ziel der Operation sei, durch Vernichtung der feindlichen Kräfte nördlich der Linie Antwerpen — Brüssel — Luxemburg eine Wendung des Westfeldzuges und damit vielleicht des ganzen Krieges herbeizuführen.«

Alles war wie geplant auf den Überraschungseffekt angelegt. »Die 75.000 amerikanischen Soldaten an der Geisterfront von Echternach bis Monschau nahmen nicht viel Notiz davon, als es am 15. Dezember Mitternacht schlug … In dieser Nacht fürchtete kein alliierter Befehlshaber ernstlich einen deutschen Angriff.« [5]

Am frühen Morgen überrumpelten rund 800 Wehrmachtsangehörige (Diversanten), US-amerikanische Uniformen tragend und mit US-amerikanischen Waffen versehen, die Standorte der US-Army. Ein Maximum an Chaos und Panik hinter den Linien stiftend. Gleichzeitig überrollen 17 deutsche Divisionen die gegnerischen Stellungen. Bis zu 90 km tief stießen die deutschen Truppen auf einer Breite von rund 100 km bis an die Maas vor. Die amerikanischen Verluste an Kriegsgerät aller Art waren immens.

Zur Unterstützung der Ardennenoffensive startete das OKW mit 8 Divisionen zum Jahreswechsel einen Angriff in Richtung Nordelsass (»Nordwind«). Vorgesehen war, die dort dislozierten 4 bis 5 US-amerikanischen Divisionen im Gebiet Forbach und Pfalzburg (Phalsbourg) zu liquidieren. Im Eintrag des Kriegstagebuchs des OKW (5. Januar) hieß es: »In langsamem und zähem Kampf ist es gelungen, in den Nordvogesen nach Süden bis fast an den Ausgang des Gebirges vorzudringen.«

Die Lage der alliierten Truppen schien sich zu verdüstern. In dieser Situation wandte sich der britische Regierungschef W. Churchill (6. Januar 1945) in einer streng geheimen Benachrichtigung (Anfrage) an Stalin und bat um einen raschen Großangriff an der Weichsel oder anderswo. [6]

Die Winteroffensive entlastet die Westfront

Die sowjetische Armee entfaltete daraufhin, etwas früher als ursprünglich geplant, ihre größte Offensive. Die deutschen Streitkräfte verfügten Ende 1944 noch über 7,5 Millionen Mann, davon 5,3 Millionen im Einsatz. Das überwiegende Gros hiervon befand sich an der sowjetisch-deutschen Front: 3,1 Millionen Mann; ferner 28.500 Geschütze und Granatwerfer, rund 4.000 Panzer und Selbstfahrlafetten und rund 2.000 Flugzeuge.[7]

Am Weichselbrückenkopf am 12. Januar von Baranów (-Sandomierski) eröffnete die Erste Ukrainische Front, befehligt von Marschall I. S. Konew, den Angriff. Zwei Tage später folgte die Erste Weißrussische Front, kommandiert von Marschall G. K. Schukow. Der Schlag der sowjetischen Armee war äußerst heftig und riss mehrfach die Linien auf. Unaufhaltsam drang sie in Richtung Westen vor. Konews Truppen erreichten am 19. Januar Krakau (Kraków) und erkämpften einen Brückenkopf in Steinau (cinawa) an der Oder (27. Januar). Beide Fronten hatten die Heeresgruppe A (zuvor Heeresgruppe Nordukraine) zertrümmert. Deren Reste verschanzten sich an der Oder.

Zum Verlauf der Kämpfe an der Ostfront äußerte sich der Oberbefehlshaber der alliierten Invasionsstreitkräfte General D. Eisenhower: »Das war für uns eine langerwartete Offensive. Uns allen fiel ein Stein vom Herzen, besonders als wir die Mitteilung erhielten, daß die Offensive sich mit großem Erfolg entwickelte. Wir waren überzeugt, daß die Deutschen ihre Westfront jetzt schon nicht mehr verstärken könnten.« [8]

Das Einsetzen der sowjetischen Winteroffensive ermunterte ferner die westlichen Alliierten zu einem Gegenangriff in den Ardennen. Das dauerhafte Vorwärtsdrängen der Roten Armee vor allem erzwang den Rückzug der deutschen Wehrmacht auf den sogenannten Westwall. Das OKW hatte befohlen, im Westen zur Verteidigung überzugehen, um bevorzugt die noch gut intakten Panzerverbände für den Angriff an der Ostfront freizustellen.

Bereits am 20. Jannuar erging der Befehl, die 6. SS-Panzerarmee [9] in Richtung Ungarn zu transportieren – die Rote Armee hatte Budapest befreit und das OKW befürchtete den Verlust der ungarischen Erdölfelder im Süden des Landes. Die ohnehin angespannte Treibstofflage hauptsächlich verzögerte jedoch das Vorhaben bis Ende Januar.

Die Verluste während der Kämpfe in den Ardennen beliefen sich auf rund 77.000 Mann, darunter 8.600 Gefallene, seitens der Alliierten. Die Wehrmacht verlor ungefähr 82.000 Mann, hiervon 12.600 Gefallene. [10]

Bis zum 1. März hatte die Westfront insgesamt 14 Verbände, davon 10 bis Mitte Februar, an die Heeresgruppen Süd und Weichsel abgegeben. Konkret fünf SS-Panzerdivisionen, zwei Infanteriedivisionen, eine Panzergrenadierdivision, eine Volksgrenadierdivision … Als Ersatz sollten drei Verbände aus dem Norden eintreffen. Neben der Truppenverschiebung vom westlichen Kriegsschauplatz in Richtung Ostfront hatte nach wie vor die Belieferung dieser Front mit (schwerem) Kriegsgerät den absoluten Vorrang. Das Kriegstagebuch des OKW vermerkte beispielsweise: »An Sturmgeschützen usw. wurden im Februar [1945] abgegeben: an den Osten 1555, an den Westen 67, an den Südwesten 20.«

Es lag in der Natur der Sache: für den deutschen Faschismus war die UdSSR auf dem Weg zur Vorherrschaft in Europa der Hauptgegner. So wird folgerichtig die Westfront, im Gegensatz zum östlichen Pendant, durch Mangel an kampffähigen Truppen ab April der Selbstauflösung anheimfallen.         

 

Anmerkungen:

[1] Siehe: Der zweite Weltkrieg 1939–1945. Kurze Geschichte, Berlin: Dietz-Verlag 1985, S. 528 f.

[2] H. Bergschicker, Deutsche Chronik 1933–1945. Ein Zeitbild der faschistischen Diktatur, Berlin: Verlag der Nation, S. 529.

[3] H. Guderian, Erfahrungen im Rußlandkrieg, in: Bilanz des Zweiten Weltkrieges. Oldenburg: Stalling Verlag 1953, S. 96.

[4] Über alle möglichen Kanäle existierten geheime Kontakte.

[5] J. Tolland, Ardennenschlacht 1944, Bern und Stuttgart 1960, S. 13 ff. Zitat in: Der zweite Weltkrieg 1939–1945, a. a. O., S. 538.

[6] Der zweite Weltkrieg 1939–1945, a. a. O., S. 540.

[7] G.K. Shukow, Erinnerungen und Gedanken, Bd. II, Berlin: Deutscher Militärverlag, S. 238 f.

[8] Zitat in: Ebenda, S. 381.

[9] War ein Großverband der Wehrmacht, bestehend aus mehreren Korps, Divisionen … Jene verfügte gleichfalls nicht mehr über die ursprüngliche Kampffähigkeit.

[10] Der zweite Weltkrieg 1939–1945, a. a. O., S. 541.

 

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