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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

China wird niemals Vorherrschaft und militärische Expansion anstreben

Rolf Berthold, Berlin

 

In den letzten Jahren hat es eine signifikante Veränderung der Rolle Chinas in der Welt gegeben. Es ist eine schon lange bekannte Tatsache, daß China fast ein Fünftel der Weltbevölkerung [Die chinesische Bevölkerung beträgt nach der Statistik Ende 2009 1,33 Mrd., die jüngsten Angaben über die Weltbevölkerung betragen 6.86 Mrd., demnach sinkt der Anteil Chinas von ehemals 23% auf ca. 20%.] hat und territorial der Größe Europas gleichkommt. Aufgrund des Standes der wirtschaftlichen Entwicklung wurde das Land im internationalen Geschehen eher als weniger bedeutend wahrgenommen. Das führte aber schon seit geraumer Zeit zu verhängnisvollen politischen Fehleinschätzungen. Hier sei nur auf die Unterbewertung des Beitrages Chinas im antifaschistischen Kampf im Zweiten Weltkrieg und an die Unterschätzung der Bedeutung der Erfolge in der ersten Phase des sozialistischen Aufbaus des Landes unmittelbar nach der Gründung der VR China verwiesen.

Angesichts der heutigen Weltlage, die durch die kapitalistische Wirtschafts- und Finanzkrise mit immer deutlicheren Anzeichen einer politischen Krise geprägt ist, wird mehr und mehr die Frage nach der Rolle Chinas in der Welt aufgeworfen. Die Machthaber der großen kapitalistischen Staaten waren einem verhängnisvollen Irrtum erlegen, als sie glaubten, mit der Zerstörung des Sozialismus in der UdSSR und den europäischen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft sei das Problem Sozialismus für sie ein für alle Mal vom Tisch. Sie mußten zur Kenntnis nehmen, daß die VR China gemeinsam mit weiteren Ländern am sozialistischen Entwicklungsweg festhält und diesen auf neue Weise, unter Beachtung der Lehren aus fehlerhaften Entwicklungen erfolgreich beschreitet. Sie mussten auch die Lehre ziehen, daß Versuche, in China eine Veränderung des politischen Systems mit Hilfe aus dem Ausland gesteuerter antikommunistischer Kräfte herbeizuführen, nun schon mehrfach gescheitert sind und weitere derartige Versuche immer weniger Chancen auf Erfolg haben. Offenbar waren maßgebliche politische Entscheidungsträger im Westen dem Irrtum verfallen, daß die wirtschaftliche Entwicklung Chinas gleichzeitig zur Verwestlichung der Gesellschaft führt. Es wurde nicht begriffen, daß China eigene Werte des Sozialismus chinesischer Prägung entwickelt und mit ihnen die Menschen, vor allem die Jugend, erreicht und gewinnt. Ein realistisches Verständnis Chinas ist ohne konkrete Kenntnis der Lage im Lande, ohne Verständnis für die Geschichte und Kultur nicht möglich.

Die USA halten an ihrer Politik des "containment" (Einkreisungs-, Eindämmungsstrategie) fest. Rings um China haben sie Truppen stationiert und Vereinbarungen mit verbündeten Staaten über gemeinsame militärische Manöver in Gebieten nahe der Grenzen Chinas getroffen. Die USA führen ständig strategische Langzeitspionageflüge und seegestützte Spionageeinsätze im Grenzgebiet zu China durch. China hat eine Landgrenze von 22 800 km (zum großen Teil in sehr komplizierten Regionen) und eine Küstenlinie von 32 000 km (18 000 km Festland, 14 000 km Inseln). Auch die Militarisierung des Weltraumes durch die USA richtet sich nicht zuletzt gegen China.

Von ausschlaggebender Bedeutung sind die Erfolge der wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Entwicklung Chinas in den nun schon mehr als 30 Jahren seit Beginn der Reformen und Öffnung nach außen, der Konzentration aller Kräfte auf den wirtschaftlichen Aufbau. Chinas Wirtschaft hat in diesem Zeitraum ein durchschnittliches Wachstum von 9-10% jährlich aufzuweisen. Die VR China ist heute die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. China hat zwar die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise nicht verursacht, sie wurde aber auch von ihr betroffen, u.a. durch den Rückgang der Exporte in die USA. Das anhaltend hohe Wachstumstempo (2009 über 9%), hohe Devisenreserven sowie die Stabilität der chinesischen Währung führen dazu, daß China auch von bürgerlichen Ökonomen als ein Land betrachtet wird, welches die Folgen der kapitalistischen Krise für die Völker verringern kann.

Dabei werden natürlich gesellschaftspolitische Faktoren wirksam. Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU formulierte in einem Strategiepapier im Oktober 2007: "Mit China steigt ein undemokratischer, nicht-liberaler Staat in der weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Hierarchie auf, der sich zudem – in Konkurrenz zum Westen – zu einem eigenen ordnungspolitischen Modell für andere Staaten entwickelt. … Dennoch besitzt dieses Modell in einigen Entwicklungsländern ganz offensichtlich eine zum Teil erhebliche Attraktion und mindert damit zugleich die Anziehungskraft westlich-liberaler Ordnungsprinzipien." [www.cducsu.de] Um es direkt zu formulieren, der sozialistische Charakter der Politik der KP Chinas ist die Ursache der erfolgreichen Entwicklung Chinas in den letzten 30 Jahren und auch der Schlüssel dafür, daß die kapitalistische Wirtschafts- und Finanzkrise auf China anders wirkt als in den kapitalistischen Hauptländern.

China wächst in eine neue Rolle in der Welt hinein. Es ist nicht mehr zu übersehen, daß es eine große Macht in der asiatischen Region, eine wichtige wirtschaftliche und politische Macht in der Welt ist. Die VR China ist ein Land, das den Weg gesellschaftlicher Veränderungen zur Überwindung des Kapitalismus und zum Beschreiten des sozialistischen Weges bahnt.

Die Wirtschaft Chinas ist ein wichtiger Bestandteil der Weltwirtschaft geworden; China ist ein wichtiges Mitglied der internationalen Gemeinschaft. Die chinesische Führung geht davon aus, daß die Zukunft und das Schicksal Chinas in hohem Maße mit der Zukunft und dem Schicksal der Welt, mit der Prosperität und Stabilität der Welt verbunden sind. Im Weißbuch der chinesischen Regierung "Chinas Landesverteidigung 2008" [Das Weißbuch zur Landesverteidigung wird am Ende jedes 2. Jahres veröffentlicht. Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich vor allem auf das Weißbuch 2008.] wird betont, daß China unter den neuen Rahmenbedingungen unbeirrt den Weg der friedlichen Entwicklung beschreitet, die Reform und Öffnung sowie die sozialistische Modernisierung vorantreibt, an der unabhängigen und selbstständigen Außenpolitik des Friedens und der defensiven Verteidigungspolitik festhält und gemeinsam mit allen anderen Ländern danach trachtet, eine harmonische Welt mit dauerhaftem Frieden und gemeinsamer Prosperität aufzubauen. Grundorientierung der Landesverteidigung ist die Wahrung der Souveränität, der Sicherheit und der Entwicklungsinteressen des Staates.

Hauptthemen der chinesischen Politik sind seit vielen Jahren Frieden und Entwicklung. Frieden ist die zwingende Notwendigkeit zur Verhinderung einer globalen Katastrophe, und Entwicklung ist für die Länder der 3. Welt die Voraussetzung zur Angleichung ihres Entwicklungsniveaus an das der entwickelten Länder. Die hoch entwickelten kapitalistischen Mächte tun alles, um die Entwicklungsländer auf den Weg des Kapitalismus zu zwingen, sie sind aber nicht gewillt zuzulassen, daß diese Länder auch nur annähernd das Niveau der hoch entwickelten kapitalistischen Länder erreichen. Der Ausweg ist zweifellos nur der sozialistische Weg. Das Weißbuch prognostiziert eine tief greifende Neuausrichtung der internationalen Gemeinschaft, aufstrebende Entwicklungsländer werden einen immer bedeutenderen Platz einnehmen. Es ist auch kein Zufall, daß sich die VR China nicht an den Tagungen der so genannten "G 8" beteiligt, sondern im Rahmen der Gruppe der 20 wirkt. In der Gruppe der BRIC-Staaten [Brasilien, Rußland, Indien, China. Mitte April 2010 fand in Brasilien die 2. Gipfelkonferenz dieser Gruppe statt.] spielt China eine aktive Rolle.

Die Autoren des Weißbuches kommen zu dem Schluß, daß ein umfassender und ausgedehnter Weltkrieg auf längere Sicht vermieden werden kann. Im Weißbuch wird festgestellt, daß Frieden und Entwicklung in der Welt mit einer Reihe von Schwierigkeiten konfrontiert sind. Konflikte um strategische Ressourcen, strategische Gebiete und strategische Dominanz verschärfen sich. Hegemonismus und Machtpolitik bestehen weiterhin, lokale Instabilität breitet sich aus, Konfliktherde nehmen zu, lokal begrenzte Konflikte und Kriege treten immer wieder auf.

Im Weißbuch wird eingeschätzt, daß die Sicherheitslage im asiatisch-pazifischen Raum im Allgemeinen stabil ist. Die Wirtschaft ist vital, die regionale Zusammenarbeit im Bereich der Wirtschaft und Sicherheit entwickelt sich, zur Lösung von Konflikten bevorzugen die Länder den Dialog. Die Mitgliedsstaaten der Shanghai-Kooperationsorganisation (SCO) [2001 auf Initiative der VR China gegründete Organisation, der neben der VR China, Rußland, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan angehören. Beobachterstatus haben die Mongolei, Indien, Pakistan und Iran.] haben einen Vertrag über langfristig gute Nachbarschaft, Freundschaft und Zusammenarbeit geschlossen. Bei ihrer praktischen Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit und der Wirtschaft wurden große Fortschritte erzielt. Die Zusammenarbeit zwischen China und der ASEAN (Vereinigung Südostasiatischer Staaten), sowie zwischen der ASEAN und China, Japan und der Republik Korea (10 + 3) brachte gute Ergebnisse. Der Ostasiengipfel und die Zusammenarbeit in der Südasiatischen Vereinigung für regionale Kooperation (SAARC) entwickeln sich weiter. Bei den Sechs-Parteien-Gesprächen über das Atomproblem auf der koreanischen Halbinsel wird um Fortschritte gerungen.

Konfliktfreie Beziehungen und gute Zusammenarbeit mit den benachbarten Ländern ist eine Grundorientierung der Außenpolitik der VR China.

Im Weißbuch wird eingeschätzt, daß sich die Bedingungen für die nationale Sicherheit verbessert haben: das Gesamtpotential des Landes wurde beträchtlich erhöht, der Lebensstandard des Volkes stieg weiter, die Gesellschaft ist stabil und solidarisch, die Fähigkeit zur Bewahrung der nationalen Sicherheit hat sich weiter verstärkt. Die Absicht der separatistischen Kräfte von Taiwan nach einer juristischen Unabhängigkeit von Taiwan ist gescheitert.

Die Beziehungen zwischen China und den entwickelten Ländern gestalten sich stabil, die gute Nachbarschaft mit den angrenzenden Ländern verstärkt sich. Im April 2010 fand ein Treffen zwischen dem vietnamesischen Verteidigungsminister und dem Vizepräsidenten der VR China statt, bei dem die weitere strategische Zusammenarbeit beider Länder im Mittelpunkt stand. Mit den Entwicklungsländern vertieft sich die traditionelle Freundschaft. China spielt in multilateralen Angelegenheiten eine konstruktive Rolle. Die internationale Stellung und der internationale Einfluß Chinas haben sich beträchtlich erhöht.

Gleichzeitig wird im Weißbuch auf komplizierte Sicherheitsbedrohungen verwiesen: China ist mit der wirtschaftlichen, wissenschaftlich-technischen und militärischen Übermacht der entwickelten Länder, der ausländischen strategischen Eindämmung sowie der Sabotage durch feindliche und separatistische Kräfte konfrontiert. Die separatistischen Kräfte für die "Unabhängigkeit Taiwans", die "Unabhängigkeit Ost-Turkestans" und die "Unabhängigkeit Tibets" bedrohen die Einheit und Sicherheit des Staates. Gefährdung durch Terrorismus, Naturkatastrophen und die Bedrohung der Wirtschafts- und Informationssicherheit nehmen zu. Instabile Faktoren im Umfeld des Landes beeinflussen die Sicherheit und Entwicklung Chinas. Die USA verstoßen gegen die zwischen beiden Staaten getroffenen Vereinbarungen und liefern weiterhin Waffen an Taiwan, was den chinesisch-amerikanischen Beziehungen sowie dem Frieden und der Stabilität in der Taiwan-Straße schweren Schaden zufügt.

Das Weißbuch formuliert die Strategie Chinas wie folgt: China hält an der Politik von Frieden, Entwicklung und Zusammenarbeit fest, geht unbeirrt den Weg der friedlichen Entwicklung, verfolgt eine Öffnungsstrategie zu gegenseitigem Nutzen und setzt sich für eine harmonische Welt mit dauerhaftem Frieden und Prosperität ein. China tritt für internationale Beziehungen auf der Grundlage von gegenseitigem Vertrauen, gegenseitigem Nutzen, Gleichberechtigung und Kooperation ein, für die friedliche Lösung internationaler Konflikte, für Gespräche und Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit, gegen die Erweiterung der Militärbündnisse sowie gegen Invasion und Expansion. "Ob gegenwärtig oder künftig, unabhängig davon, welches Entwicklungsniveau China erreicht, China wird niemals Vorherrschaft und militärische Expansion anstreben." China hat nicht die Absicht, Militärstützpunkte im Ausland zu errichten und sich an militärischen Operationen im Ausland zu beteiligen (Weißbuch).

China verfolgt eine defensive Verteidigungspolitik, eine Nuklearstrategie der Selbstverteidigung und hat erklärt, niemals einen nuklearen Erstschlag zu führen, keine Kernwaffen gegen kernwaffenfreie Länder und Zonen einzusetzen bzw. diese nicht nuklear zu bedrohen und sich nicht am nuklearen Wettrüsten zu beteiligen.

Die "Zweite Artillerie", die am 1. Juli 1966 offiziell gegründet wurde (China begann 1956 mit der Entwicklung strategischer Raketenwaffen) sind strategische Streitkräfte, die unter dem direkten Befehl der Zentralen Militärkommission stehen. Sie hat in erster Linie die Aufgabe, Länder davon abzuhalten, gegen China Kernwaffen einzusetzen. China vertritt die Position, daß sich alle Atommächte eindeutig verpflichten müssen, die Kernwaffen umfassend und vollständig zu vernichten und die Entwicklung von Kernwaffen neuen Typs einzustellen. China unterstützt die baldige Inkraftsetzung des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen und wird sein Versprechen über den vorläufigen Stopp der eigenen Atomtests weiter strikt einhalten.

China hat die Konventionen über das Verbot biologischer und chemischer Waffen unterzeichnet und hält deren Bestimmungen strikt ein. Es hat alle erforderlichen Deklarationen über neu aufgefundene chemische Waffen, die Japan in China hinterlassen hat, eingereicht [Es gibt Berechnungen, daß noch heute ca. 30.000 t japanische chemische Waffen aus dem II. Weltkrieg in China lagern.]. China bekämpft entschieden die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und deren Trägersysteme sowie die Aufrüstung und das Wettrüsten im Weltraum.

Die chinesischen Verteidigungsausgaben haben sich in den letzten Jahren schrittweise erhöht. Der Verteidigungsetat sieht für 2010 Ausgaben in Höhe von 532 Mrd. Yuan vor, eine Erhöhung um 7,5%. Das entspricht 1,4% des chinesischen Bruttoinlandproduktes (USA 4%). Ein Vergleich der Militärbudgets USA – China zeigt für 2010: USA 700 Mrd. $, China 78 Mrd. $. Ein wachsender Anteil der Verteidigungsausgaben wird für die Modernisierung der Armee und die Verbesserung der Lebensbedingungen der 2,2 Millionen Soldaten und Offiziere der Volksbefreiungsarmee eingesetzt.

 

Mehr von Rolf Berthold in den »Mitteilungen«: 

2009-10: Überlegungen zum 60. Jahrestag der Gründung der VR China

2008-07: China geht seinen Weg

2007-12: Zum XVII. Parteitag der KP Chinas, 15.-21. Oktober 2007