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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Zum XVII. Parteitag der KP Chinas, 15. – 21. Oktober 2007

Rolf Berthold, Berlin

 

Seit Ende der Kulturrevolution führt die KP Chinas regelmäßig alle 5 Jahre ihren Parteitag durch. Auf diesen Kongressen wurde die auf der historischen ZK-Tagung im Dezember 1978 beschlossene Strategie der Reformen und der Öffnung nach außen weiterentwickelt, präzisiert und durch erforderliche Korrekturen den konkreten Bedingungen angepaßt. Kein Parteitag war eine einfache Fortschreibung oder eine völlige Veränderung der politischen Linie. Die seitdem zu verzeichnende stabile und weltweit beispielgebende ökonomische Entwicklung bestätigt das.

Im Bericht des ZK an den XVII. Parteitag wurde festgestellt, daß in den fast 30 Jahren seit Beginn der neuen Politik das "Antlitz des sozialistischen China" historische Veränderungen erfahren hat. Sozialismus und Marxismus haben in China ihre Vitalität entfaltet. Das System des "Sozialismus chinesischer Prägung" entstand und hat sich bewährt. Es stimmt also nicht, daß der XVII. Parteitag "Hu’s Programm" eines "besonderen Sozialismus" bestätigt habe (ND 23.10.). Ein solches oder ähnlich formuliertes Dokument hat auf dem Parteitag gar nicht zur Debatte gestanden. Sozialismus chinesischer Prägung bedeutet wissenschaftlicher Sozialismus bei strikter Beachtung der konkreten gesellschaftlichen Situation Chinas. Im Bericht des ZK wird folgende Definition gegeben:

Der Weg des Sozialismus chinesischer Prägung beinhaltet die Errichtung eines reichen und starken, demokratischen, zivilisierten und harmonischen modernen sozialistischen Landes unter Führung der Kommunistischen Partei Chinas. Er basiert auf den nationalen Bedingungen. Zentrale Aufgabe ist der wirtschaftliche Aufbau. An den 4 Grundprinzipien [Festhalten am sozialistischen Weg (d.h. an den sozialistischen Produktionsverhältnissen), an der demokratischen Diktatur des Volkes (d.h. am sozialistischen Staat), Festhalten an der führenden Rolle der Kommunistischen Partei und Festhalten am Marxismus/Leninismus/Mao-Zedong-Ideen als Leitideologie] sowie der Politik der Reformen und der Öffnung nach außen wird festgehalten. Die sozialistische Ordnung wird gefestigt und vervollkommnet. Geschaffen wirdeine sozialistische Marktwirtschaft, eine sozialistische demokratische Politik, eine fortgeschrittene sozialistische Kultur, eine sozialistische harmonischeGesellschaft. [...] Entscheidend ist, daß wir am wissenschaftlichen Sozialismus festhalten und ihm entsprechend der Situation Chinas und der heutigen Zeit eine deutliche chinesische Prägung geben.

Seit 60 Jahren auf dem Weg zum Sozialismus

Neu ist die Aufgabenstellung, der Politik wissenschaftlich fundierte Entwicklungskonzepte zugrunde zu legen. Während in der ersten Phase der Reformen eine expansive Wirtschaftsentwicklung im Mittelpunkt stand, später die Notwendigkeit einer makroökonomischen Steuerung betont und die wirtschaftliche Entwicklung eng mit Umweltschutz, Energieeffizienz und Ressourcenschonung verbunden wurde, steht jetzt die Aufgabe, wissenschaftlich fundierte Gesamtkonzeptionen der makroökonomischen Steuerung zu erarbeiten. Diese Aufgabenstellung ist nur auf Grundlage des gesellschaftlichen Eigentums an den wichtigsten Produktionsmitteln möglich.

Im Mittelpunkt der Entwicklungspolitik steht der Mensch, die Gestaltung einer harmonischen sozialistischen Gesellschaft, das richtige Verhältnis der Entwicklung von Produktionsverhältnissen und Produktivkräften, von Basis und Überbau. Das erfordert die Lösung der verschiedensten gesellschaftlichen Widersprüche, die Sicherung von Gleichheit und Gerechtigkeit in der Gesellschaft.

Aber man sollte das Streben nach einer harmonischen sozialistischen Gesellschaft nicht mit "Klassenkompromiß" oder Verzicht auf Klassenkampf verwechseln, wie das in einem Bericht der UZ (26.10.) der Fall war. Zwischen den Aufgaben einer Partei, die seit fast 60 Jahren ein Volk auf dem Weg zum Sozialismus führt und einer Partei, die im harten Klassenkampf gegen die herrschende Großbourgeoisie steht, muß wohl unterschieden werden. Seit nunmehr fast 60 Jahren widersetzt sich die KP Chinas erfolgreich allen Versuchen, die Errungenschaften der chinesischen Revolution zunichte zu machen, sie hat unter Überwindung eigener Fehler den Weg des Volkes in eine sozialistische Zukunft geebnet. Handelt es sich hier etwa nicht um Klassenkampf?

Sehr offen wurde im Bericht über die vorhandenen Probleme gesprochen. Es heißt:

Mit dem Blick auf das Erreichte müssen wir erkennen, daß noch ein deutlicher Abstand zwischen unserer Arbeit und den Erwartungen des Volkes besteht. Beim Vorwärtsschreiten bestehen noch zahlreiche Probleme: das wirtschaftliche Wachstum verlangt einen zu großen Aufwand an Rohstoffen und einen zu hohen Preis für die Umwelt; die Entwicklung zwischen Stadt und Land, zwischen einzelnen Regionen ist unausgeglichen; es ist komplizierter geworden, Übereinstimmung zwischen einer stabilen Entwicklung der Landwirtschaft und einem anhaltenden Wachstum des Einkommens der Bauern zu erreichen; bei den die unmittelbaren Lebensinteressen der Massen betreffenden Fragen, wie Bereitstellung von Arbeitsplätzen, Sozialversicherung, Einkommen, Bildung und medizinische Versorgung, Wohnraumbeschaffung, Produktionssicherheit, Rechtswesen und öffentliche Sicherheit bestehen noch große Probleme. Die ideologische und moralische Erziehung muß verbessert werden. Die Fähigkeit der Partei zur Ausübung der Macht entspricht nicht völlig den Erfordernissen. Wichtige Fragen einer stabilen Entwicklung der Reformen erfordern tiefgründigere Untersuchungen. Es gibt schwache Grundorganisationen der Partei, viel Formalismus und Bürokratie, Verschwendung und Korruption.

Ein historisch langer Zeitraum und die Strategie der KP Chinas

Der Parteitag stellte das Ziel, bis zum Jahr 2020 eine Gesellschaft mit angemessenem Wohlstand zu schaffen. Das Pro-Kopf-Inlandprodukt soll gegenüber 2000 vervierfacht, ein flächendeckendes Sozialsystem geschaffen, die Armut in Stadt und Land vollkommen beseitigt werden. Die sozialen Fragen stehen jetzt deutlicher im Vordergrund, weil die Möglichkeiten ihrer Lösung größer geworden sind. Die sozialen Fragen standen noch nie "hinten an", aber es mußten erst die materiellen Voraussetzungen geschaffen werden. Die Lehren aus den Ereignissen in China 1989 und der Niederlage des Sozialismus in der UdSSR und anderen Ländern werden bei der Ausarbeitung der Strategie der KP Chinas gründlich ausgewertet.

Die Lösung der bis 2020 gestellten Ziele beinhaltet einen weiteren Schritt auf dem Weg der Anfangsphase des Sozialismus, für die mit einem historisch langen Zeitraum gerechnet wird. Auch darin besteht eine Lehre aus der Niederlage in der UdSSR und anderen Ländern, deren Parteien davon ausgingen, daß höhere Phasen der gesellschaftlichen Entwicklung in historisch kurzen Zeiträumen möglich sind.

Auf dem Parteitag wurde der weiteren Ausgestaltung der sozialistischen Demokratie große Bedeutung beigemessen. Volksdemokratie wurde als das Leben des Sozialismus bezeichnet. Aber, so wird im Bericht betont, die Vertiefung der Reform der politischen Strukturen erfordert eine korrekte politische Richtung, die führende Rolle der Partei. Herrschaft des Volkes und Regierung auf gesetzlicher Basis bilden eine Einheit. Wenn im Neuen Deutschland geschrieben wird, "... hinter den Erfordernissen zurück blieben die angekündigten politischen Reformansätze" (23.10.), muß man schon fragen, welche und wessen Erfordernisse hier gemeint sind.

Entwicklung der Demokratie, friedliche Außenpolitik und Marxismus

Besondere Bedeutung wurde auf dem Parteitag der Entwicklung der Demokratie an der Basis beigemessen. Die KP Chinas stützt sich auf die Arbeiterklasse. Das seit vielen Jahren bestehende System der Belegschaftsdelegiertenkonferenzen soll als wichtiger Bestandteil der demokratischen Verwaltung der Betriebe weiter vervollkommnet werden.

In jedem grundsätzlichen Dokument der KP Chinas ist ein Abschnitt der Taiwan-Frage gewidmet, so auch im Bericht an den XVII. Parteitag. In dieser Frage kreuzen sich bedeutende innen- und außenpolitische Probleme. Die Taiwan-Frage entstand, weil sich die Reste des im Volksbefreiungskrieg besiegten Tschiang-Kai-schek-Regimes 1949 auf die Insel Taiwan absetzten und dort bis heute als "Republik China" firmieren. Gleichzeitig ist es das sensibelste Problem in den Beziehungen zwischen der VR China und den USA, da die USA immer wieder versuchen, mittels der Taiwan-Frage Druck auf die VR China auszuüben.

Die VR China tritt für eine friedliche Vereinigung nach dem Prinzip "ein Land, zwei Systeme" ein, aber sie ist gegen jede Form einer "Unabhängigkeit" Taiwans. Ergänzend zu den zahlreichen Vorschlägen der VR China, die in der Vergangenheit zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen beiden Seiten unterbreitet wurden, gab es im Bericht an den Parteitag eine neue Formulierung: "Laßt uns auf der Basis des Ein-China-Prinzips über ein formelles Ende der Feindseligkeiten beraten, einen Friedensschluß erreichen, einen Rahmen für eine friedliche Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwan-Straße schaffen und eine neue Phase der friedlichen Entwicklung einleiten."

Auf außenpolitischem Gebiet hat der Parteitag das Streben nach Frieden und Entwicklung unverändert in den Mittelpunkt gestellt. China ist gegen Hegemonie und Gewaltpolitik, für eine harmonische Welt. Bekräftigt wird der Verteidigungscharakter der Militärpolitik. China beteiligt sich nicht am Wettrüsten, droht keinem Staat mit Waffengewalt, betreibt keine Expansionspolitik.

Nachdrücklich unterstrichen wird die Solidarität und Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern, die Vertiefung der Freundschaft und die Hilfeleistung im Rahmen der Möglichkeiten sowie die Verteidigung der gerechten Forderungen und gemeinsamen Interessen der Entwicklungsländer.

Das internationale Gewicht der VR China hat sich deutlich erhöht. Alle Anschuldigungen, China sei eine Gefahr für andere Länder, erweisen sich als böswillige Verleumdungen. Die Politik der VR China ist ein starker Faktor gegen das imperialistische Weltherrschaftsstreben, sie bietet den Staaten der dritten Welt eine gesellschaftliche Alternative.

Intensiv hat sich der Parteitag mit der Entwicklung der Partei beschäftigt. Ausgehend von den Problemen der eigenen Entwicklung und den Lehren aus der Niederlage in der UdSSR und anderen Ländern wurde auf die weitere Stärkung der Partei als marxistische Regierungspartei orientiert. Der sich entwickelnde Marxismus ist Leitlinie der Partei, sie muß die Gesetzmäßigkeiten der Machtausübung, des sozialistischen Aufbaus und der gesellschaftlichen Entwicklung der Menschheit immer besser beherrschen.

Die Kontrolle der Partei muß mit den Mitteln der Partei erfolgen. Deshalb wurde neu in das Statut aufgenommen, daß die Delegierten der Parteitage und Parteidelegiertenkonferenzen aller Ebenen als Institution für die gesamte Wahlperiode fungieren und die Aufgabe haben, die Arbeit der Parteikomitees zu kontrollieren. Den Grundorganisationen werden erweiterte Rechte zugeordnet, die Transparenz der Arbeit der Parteikomitees soll verbessert werden. Auf diesem Weg soll die innerparteiliche Demokratie entwickelt und das Verhältnis zwischen Partei und Volk gefestigt werden.

Die KP Chinas hat über 73 Millionen Mitglieder. Mit der Statutenveränderung des XVI. Parteitages 2002 wurde es Beschäftigten im nichtsozialistischen Sektor ermöglicht, Antrag auf Mitgliedschaft in der Partei zu stellen. Heute sind über 3 Millionen Beschäftigte dieses Sektors Mitglieder der KP Chinas. Die wenigsten davon sind Eigentümer solcher Firmen, obwohl auch diese das Recht haben, aufgenommen werden, wenn sie die hohen Anforderungen, die an eine Parteimitgliedschaft gestellt werden, erfüllen.

Der XVII. Parteitag wählte die führenden Gremien. Hu Jintao wurde als Generalsekretär des ZK bestätigt, der Ständige Ausschuß des Politbüros wurde mit Blick auf den Wechsel der Spitze auf dem nächsten Parteitag 2012 verjüngt. Prinzip ist die Sicherung langfristiger Kontinuität, hoher Qualität und Erfahrung der Führung.

Zusammengefaßt heißt es im Bericht: für die umfassende Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft mit einem angemessenen Lebensstandard sind noch über 10 Jahre erforderlich, für die Festigung und Entwicklung der sozialistischen Ordnung bedarf es noch mehrerer, ja zahlreicher Generationen.

Von Rolf Berthold brachten die "Mitteilungen" zuletzt die Beiträge "Intensive Zusammenarbeit zwischen China und den afrikanischen Staaten" (Heft 4/2007, Seite 18), "Das Verhältnis zwischen der VR China und den USA ..." (5/06, 15) und "China und Rußland, ihr Verhältnis heute" (6/05, 22).