Bundeshaushalt für 2021: Almosen für Arme
Dr. Gesine Lötzsch in: jW vom 9. Dezember 2020, Seite 8
Die Pandemie spaltet unsere Gesellschaft weiter. Arme Menschen erkranken häufiger an Covid-19 als reiche Menschen. Der Rückzug ins Homeoffice ist für Menschen in der Fleischindustrie nicht möglich. Pflegerinnen arbeiten sogar weiter, wenn sie positiv getestet wurden. Die Aufgabe der Regierung wäre es gewesen, aufgerissene Gräben zuzuschütten. Das hat sie nicht getan. Sie rettet Konzerne und speist Erwerbslose mit Almosen ab.
Für uns gibt es drei Fragen, die Union und SPD mit dem Haushalt beantworten müssen: Ist der Haushalt sozial? Ist er auf Frieden ausgerichtet? Und ist er umweltverträglich? Alle drei Fragen müssen wir mit Nein beantworten.
Die Bundesregierung meint, sie sei sozial, weil der Haushalt für Arbeit und Soziales der größte Einzelhaushalt ist. Dabei wird die unsoziale Steuerpolitik verschwiegen. Sie entlastet die Vermögenden und belastet die Mittel- und Unterschicht. Wir fordern die Erhebung einer Vermögensabgabe für die reichsten 0,7 Prozent der Bevölkerung. Für uns lautet die zentrale Frage in dieser Debatte: Wer soll die Pandemierechnung bezahlen? Auf diese Frage muss die Koalition den Menschen in unserem Land vor der Bundestagswahl eine Antwort geben. CDU/CSU und SPD wollen nach der Bundestagswahl die unsinnige Schuldenbremse wieder in Kraft setzen. Wir halten die Schuldenbremse für ökonomischen Selbstmord. Der Tilgungsplan der Bundesregierung würde den Haushalt ab 2026 jährlich mit 15 Milliarden Euro belasten. Das ist so viel, wie wir in einem Jahr für Familien, Senioren, Frauen, Jugend und Umwelt ausgeben.
Für die Bundeswehr will die Bundesregierung 2021 nach NATO-Kriterien 53 Milliarden Euro ausgeben. Das ist nicht nur Geldverschwendung, sondern ein Beitrag zur Destabilisierung Europas und der Welt! Die Aufrüstung der Bundeswehr ist vor allem gegen Russland und China gerichtet. Alte Feindbilder werden reaktiviert, um die NATO zu retten.
Von den zehn Milliarden Euro Investitionen, die die Bundesregierung wegen der Coronakrise vorziehen will, soll mehr als die Hälfte an das Verteidigungsressort und an das Innenministerium gehen. Die Ausgaben für die Bundeswehr sind in den letzten Jahren explodiert. Darüber haben sich die Rüstungskonzerne und Beraterfirmen gefreut, doch die Bundeswehr selbst ist weiterhin in einem desolaten Zustand. Statt das Geld für Aufrüstung zu verschwenden, sollten wir in Bildung, Wohnen, Gesundheit und Klimaschutz investieren.
Im Haushalt wurden die Investitionen um 6,6 Milliarden Euro aufgestockt. Das klingt gut, doch die insgesamt 61 Milliarden Euro werden nicht abfließen. Aus dem Investitionsstau ist eine Investitionskrise geworden. In den Jahren der »schwarzen Null« wurden die Verwaltungen zusammengestrichen. Jetzt ist nicht mehr genügend Fachpersonal da, um Bauanträge für Schulen, Wohnungen und Eisenbahnbrücken zu bewilligen.
Gesine Lötzsch ist haushaltspolitische Sprecherin der Partei DIE LINKE im Bundestag.
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