Zum Hauptinhalt springen
Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Berlusconi will zurück an die Macht

Dr. Gerhard Feldbauer, Künzel

 

Dazu belebt er seine faschistische Forza Italia. Die PD-Rechte hilft ihm dabei

 

Im November 2011 musste der dreimalige Ministerpräsident Italiens, der Medienmonopolist und reichste Unternehmer des Landes, Silvio Berlusconi, zurücktreten. Faktisch wurde er von den führenden Kapitalkreisen des Landes fallen gelassen. Diese befürchteten, die Proteste der Arbeiter gegen seinen sozialen Crash-Kurs könnten seinen Sturz bewirken und das der angeschlagenen Linken Auftrieb verschaffen. Die meisten Unternehmer wollten auch nicht mehr zusehen, wie Berlusconi sein Amt dazu benutzte, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Auf seinen Rücktritt drängte auch die EU, die ihm nicht mehr zutraute, ihre rigorosen Sparauflagen durchzusetzen und in Italien ein zweites Griechenland erwartete. Vorsorglich wurde in Brüssel der frühere EU-Kommissar Mario Monti als Übergangspremier ins Gespräch gebracht, den Staatspräsident Giorgio Napolitano dann auch berief.

Nach seinem Rücktritt verlor der Ex-Premier die Immunität gegen Strafverfolgungen, die er sich verfassungswidrig durch die "Lex Berlusconi" verschafft hatte. Mit derartigen Gesetzen hatte er über 20 Strafverfahren gegen sich abgewürgt. Nun konnte die Justiz endlich gegen ihn vorgehen. Im August 2013 wurde Berlusconi in dritter und letzter Instanz erstmals rechtskräftig wegen Steuerbetrugs und Korruption in Millionenhöhe zu vier Jahren Haft (wovon er drei nach Verjährung nicht mehr verbüßen musste) und zur Zahlung von zehn Millionen Euro an die Staatskasse verurteilt. In der Begründung hieß es, Berlusconi habe über 20 Jahre, darunter während seiner Regierungszeit, mit "beachtlicher krimineller Energie" auf schwarze Konten von über 60 im Ausland illegal gegründeten Gesellschaften Millionen Euro transferiert und den Staat betrogen. Unter mehreren Verfahren stehen ein weiteres Urteil in letzter Instanz wegen Sex mit einer minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauchs an (hier wurden in der Vorinstanz sieben Jahre verhängt) und ein Richterspruch wegen Bestechung eines Senators mit drei Millionen Euro zum Übertritt in seine Partei, was es Berlusconi 2008 ermöglichte, die Mitte-Links-Regierung unter Romano Prodi zu stürzen. Nach dem ersten rechtskräftigen Urteil aberkannte der Senat, die zweite Parlamentskammer, dem Ex-Premier im November 2013 sein Mandat. Das Urteil schloss das Verbot einer Ämterausübung für zwei Jahre ein. Damit kann der verurteilte Straftäter nicht bei von ihm betriebenen Parlamentsneuwahlen als Kandidat antreten.

Gegen seine politische Entmachtung entfesselte der Mediendiktator mit seiner Gefolgschaft eine zügellose Hetze, die ein weiteres Mal seinen faschistischen Charakter entlarvte. Vor seinem Wohnsitz in Rom versammelte er 5.000 Parteigänger, die er zum Widerstand gegen seine "unschuldige Verurteilung", die er einen "politischen Mord" und "einen Staatsstreich" nannte, aufrief. Er drohte dagegen eine "Strategie der Spannungen" an. So wurde der von den Faschisten in den 1970er Jahren inszenierte Terror von Tausenden Anschlägen mit Hunderten Toten, um Kommunisten und Linke von der Regierung auszuschließen, bezeichnet. Richter und Staatsanwälte, die "den Staat beherrschten", diffamierte er als Vertreter "der Ideen der extremistischen Roten Brigaden". Die "Duce"-Enkelin Alessandra Mussolini, die zu den übelsten Faschistenführern gehört, sicherte Berlusconi volle Unterstützung zu. Sich außer Recht und Gesetz zu stellen, charakterisierten Rechtsgelehrte als ein typisches Wesensmerkmal faschistischer Ideologie.

Im Dreierdirektorium der Faschistenloge P2

Um zurück an die Macht zu kommen, will Berlusconi jetzt den Coup von 1993/94 wiederholen, mit dem er sich damals an die Spitze der Exekutive hievte. Dazu hat er seine damals gegründete Partei Forza Italia (FI), die er 2007 mit den Faschisten der Alleanza Nazionale (AN) vereinigte und seitdem Partei des Volkes der Freiheit (PdL) nannte, auf ihren Gründernamen zurückgetauft. An ihrem Werdegang zeigt sich, wie in den vergangenen 20 Jahren in verdeckten Formen die Faschisierung der Rechten Italiens ablief. Wie die Publizisten Giovanni Ruggeri und Mario Guarino in "Berlusconi. Showmaster der Macht" (Berlin 1994) nachwiesen, hat die von dem Altfaschisten Licio Gelli Anfang der 1970er Jahre gebildete Putschloge P2, seine wirtschaftliche und politische Karriere finanziert und gemanagt und ihn in ihr Dreierdirektorium aufgenommen. Mit ihren Geldern baute Berlusconi sein privates Fernsehmonopol auf und kaufte noch 40 Prozent aller italienischen Presseerzeugnisse auf, was ihm einen ungeheuren Masseneinfluss sicherte. Der so zum Mediendiktator aufgestiegene Berlusconi bildete die Fininvest genannte Holding von rund 300 Unternehmen, mit der er bei einem Betriebswert von 30 Mrd. Euro als reichster Kapitalist des Landes ausgewiesen wurde und mit rund 13 Mrd. Euro persönlichem Vermögen an 14. Stelle der Weltrangliste der Reichen stand. Dennoch war er, wie "La Repubblica" am 15. Oktober 1993 enthüllte, mit sieben Mrd. Euro verschuldet. Als 1992 der Block der Regierungsparteien im Korruptionssumpf zusammenbrach, drohte ein Wahlsieg der 1991 aus der IKP hervorgegangenen Linkspartei PDS. Obwohl Berlusconi als "Saubermann" demagogisch gegen die Bestechungspraxis auftrat, war er bereits 1990 wegen Meineides (Leugnung seiner P2-Mitgliedschaft) rechtskräftig verurteilt worden. Später folgten 13 Urteile wegen Geldwäsche, Waffenhandel, Führung von Tarnfirmen, Bestechung, illegalen Kapitaltransfers zu über zehn Jahren Freiheitsstrafe und zehn Mio. DM. Unter einer PDS-Regierung wäre auch Berlusconi, so der Mafia-Experte Rolf Uessler im ND am 3. Dezember 2009, "durch die Korruptionsuntersuchungen hinweggefegt worden". Um einen Wahlsieg der PDS zu verhindern und Strafermittlungen gegen sich zu entkommen, gründete der Mediendiktator die FI, trat im Bündnis mit der Mussolininachfolgepartei MSI (später in AN umbenannt) und der rassistischen Lega Nord als Spitzenkandidat an und gewann im März 1994 die Parlamentswahl.

Die FI ging direkt aus der Fininvest hervor, ihre Manager wurden von ihr bezahlte FI-Funktionäre. Berlusconi ernannte selbst die Leiter der Parteibasis in Form von Klubs. Die Klubstruktur, schrieben Ruggeri/Guarino, war ebenfalls den Plänen der P2 entnommen, die an den faschistischen Theorien von Herrenmenschen und Auserwählten anknüpfte. Beim Aufbau seiner FI nahm sich Berlusconi, wie die deutsche Parteienforscherin Elisabeth Fix in "Italiens Parteiensystem im Wandel" (Frankfurt/Main 1999) schrieb, die 1945 von Mussolinifaschisten geschaffenen Uòmo Qualunque (Jedermann), Vorläufer der 1946 als Movimento Sociale Italiano (MSI) wiedergegründeten Partei des "Duce" zum Vorbild. Mit Forza Italia wählte Berlusconi den Schlachtruf seines Fußballclubs AC Milan, der aber das Kampfgeschrei aller italienischen Fußballfans bei internationalen Spielen ist. Das löste bei den Millionen zählenden Anhängern des Berlusconi-eigenen Clubs, aber nicht nur bei diesen, wahre Begeisterungsstürme aus.

Ein neuer "Duce"

Der Rechtswissenschaftler Mario Losano enthüllte in "Sonne in der Tasche" (München 1995) die Mediendiktatur Berlusconis als eine "Medien-Agora" und "Erbin der ‚ozeanischen Versammlungen‘ der Mussolinizeit". Der konservative Starjournalist Indro Montanelli beschrieb im "Espresso" vom 21. Januar 1994, Berlusconi als "nationalistischen Einpeitscher", "lächelnden Diktator" und als "neuen Mussolini".

Der ersten Regierung Berlusconi gehörten drei Minister der P2 an, ferner erstmals die MSI-Faschisten. Das linke "Manifesto" charakterisierte das Kabinett am 15. Mai 1994 als "Governo néro". Gegen diese Regierung protestierten Francois Mitterand und Andreas Papandreu, Minister und EU-Abgeordnete, Opfer faschistischer Verfolgung, jüdische Organisationen. In der Bundesrepublik dagegen frohlockte die FAZ am 23. April 1994, in Italien sei ein "Tabu des Vergangenheitserbes gebrochen", das "habe Auswirkungen im ganzen ‚westlichen Europa‘", womit das Blatt Recht behalten sollte. Bundeskanzler Helmut Kohl empfing Berlusconi zu dessen erstem Staatsbesuch, nannte die rechtsextreme Wende in Italien einen "historischen Augenblick" und schwadronierte vom "gemeinsamen Aufbau der Demokratie in beiden Ländern".

In typisch faschistischer Weise unterdrückte Berlusconi den Arbeiterwiderstand gegen seinen bis dahin beispiellosen Sozialabbau. Er hebelte den Kündigungsschutz aus, griff in die Tarifpolitik ein, setzte sogenannte Collegato Lavoro (Schiedsrichter) ein, die Klagen der Beschäftigten vor Arbeitsgerichten verhinderten. Vor seinem Sturz 2011 setzte er ein Sparpaket von über 100 Mrd. Euro durch.

Um sich aus der Schusslinie zu bringen, würgte Berlusconi die Korruptionsermittlungen der Mailänder Staatsanwälte ab und ließ rund 5.000 Strafverfahren einstellen, darunter Hunderte Fälle von Mafiaverbrechen, illegalem Waffenhandel, Drogengeschäften und Bandenkriminalität. Bilanzfälschungen, deren er in großem Stil angeklagt war, wurden nicht mehr strafrechtlich verfolgt oder fielen unter Verjährung. Kernelemente seiner antikommunistischen Politik bildeten Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Homophobie und die Untergrabung der antifaschistischen Grundlagen der Verfassung. Gegen ihn ermittelnde Juristen attackierte er im Stil Goebbels’ als "rote Richter", welche die Regierung stürzen wollten, beschimpfte sie als "Taliban", "Schwerverbrecher", "Eiterbeulen der Gesellschaft". Die Gewerkschaften bezichtigte er, als Organisatoren von Generalstreiks Mittäter von "Terroristen" zu sein. Von ausgesprochenem Größenwahn zeugten Äußerungen wie: "Es gibt niemanden auf der Welt, der sich mit mir messen kann (...). Mein Können steht außer Frage, meine menschliche Substanz, meine Geschichte"; oder: "Ich stehe ethisch höher als die anderen Protagonisten der europäischen Politik".

Berlusconis chilenische Nacht

Von Versuchen, zur offen terroristischen Diktatur überzugehen, zeugten die blutigen faschistischen Ausschreitungen gegen Proteste auf dem G8-Gipfel im Juli 2001 in Genua, die Augenzeugen als eine "chilenische Nacht" schilderten. Über 600 Personen wurden festgenommen, viele, darunter Verletzte, unter Hitler und Mussolini-Bildern gefoltert und mussten "Viva il Duce" rufen.

Namhafte Intellektuelle, Schriftsteller und Künstler enthüllten die Etablierung eines faschistischen Regimes unter Berlusconi. Nobelpreisträger Dario Fo warnte vor dem "Zusammenbruch der Demokratie". Für Umberto Eco verkörperte Berlusconi ein Erbe des "übelsten Faschismus". Er habe zwar äußerlich nichts mit dem aus der Vergangenheit zu tun, aber der Geist, der dahinter stecke, die totale Kontrolle und Ausbeutung, die Zensur, die Gleichschaltung der Medien, die Lügen, der selbstgemachte Terror, der Sicherheitswahn, die Unterdrückung von Andersdenkenden, die Militarisierung der Gesellschaft und die Angriffskriege seien dieselben Resultate. Dass Berlusconi von einer Bevölkerungsmehrheit Konsens erhielt, bezeichnete der Professor für Allgemeine Rechtstheorie an der Universität von Rom-3, Professor Luigi Ferrajoli, als besonders besorgniserregend. Man sollte "nicht vergessen, dass der Faschismus ebenfalls lange Zeit die Zustimmung der Mehrheit der Italiener besaß". Die "Idee der Allmacht des Ministerpräsidenten ist verfassungswidrig, weil sie das System der Bedingungen und Beschränkungen entwertet, welche die Verfassung den Machtbefugnissen der Mehrheit auferlegt." Auch der faschistischen Demagogie habe "die Idee der Regierung von Personen oder, schlimmer, eines Mannes statt einer Regierung der Gesetze" zugrunde gelegen. Derartiges "Allmachtstreben" sei "tödlich für die Demokratie".

Mit diesem verdeckten Faschisten der Neuzeit hat, es klingt kaum glaubhaft, nach den Parlamentswahlen im Frühjahr 2013 die 2007 aus einer Fusion der aus der IKP hervorgegangenen Linkspartei mit der katholischen Zentrumspartei Margherita entstandene Demokratische Partei mit sozialdemokratischen Outfit (PD) eine Regierungskoalition gebildet. Berlusconi verbreitet, ihm sei dabei im Rahmen einer Justizreform (die de facto die Unabhängigkeit der Justiz beseitigen soll) Straffreiheit zugesichert worden. Die neu konstituierte alte FI soll auch ohne Berlusconi bei Neuwahlen antreten, bei der er auf einen Wahlsieg wie 1994 setzt. Im Gespräch ist, dass an seiner Stelle seine älteste Tochter Marina als Spitzenkandidatin antreten soll.

Berlusconis Pläne, mit der wiedererweckten FI an die Macht zurückzukehren, stießen jedoch auf Widerstand einer sich seit geraumer Zeit gegen ihn formierenden Opposition in der PdL, die die Partei vom Odium des Faschismus befreien und ihr ein "moderates" Mäntelchen verschaffen will. Angeführt von Angelino Alfano, bis dahin Vize-Parteichef und Vizepremier in der Regierungskoalition mit der PD, lehnte sie die Rückbenennung der PdL in FI als "zu extremistisch" ab und gründete eine Nuovo Centro Destra - NCD (Neues Rechtes Centrum) getaufte Rechtspartei. Sollte es zu Neuwahlen kommen, wird jedoch angenommen, dass beide Parteien eine Wahlallianz bilden werden. Trotz der wachsenden öffentlichen Unterstützung für die gegen Berlusconi vorgehenden Richter, bleibt festzuhalten, der Ausgang der Auseinandersetzung mit Berlusconi ist noch nicht entschieden. Es wird einer langen Zeit entschiedenen Kampfes bedürfen, um nicht nur das Erbe Berlusconis auf Gesetzesebene - so in Ausländerfeindlichkeit und Rassismus - aufzuheben, sondern auch den Konsens einer breiten Wählerschaft zu überwinden.

 

Mehr von Gerhard Feldbauer in den »Mitteilungen«: 

2012-10:  Oktober 1922: Mussolinis »Marsch auf Rom«

2009-04:  Die verkannte Gefahr

2008-08:  Lehren aus der Wahlniederlage der Linken in Italien