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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Lehren aus der Wahlniederlage der Linken in Italien

Dr. Gerhard Feldbauer, Poppenhausen

 

Eine der Ursachen der Niederlage wird im Partito della Rifondazione Comunista (PRC) im Eintritt in die nach dem Wahlsieg der Linken Mitte im Mai 2006 gebildete Regierung unter Romano Prodi gesehen.

Rifondazione beteiligte sich im Frühjahr 1996 nach einem Wahlsieg der Linken Mitte 1996 bereits einmal an der Regierung unter Romano Prodi. Vorher war sie im November 1994 entscheidend an der Herbeiführung des Sturzes der ersten Regierung Berlusconi nach 255 Tagen Amtszeit beteiligt. Berlusconis Rücktritt bewirkten damals ein Generalstreik und Massendemonstrationen (drei Millionen in Rom). Diese Kampfaktionen auf der Straße honorierten die Wähler bei den Wahlen 1996. Rifondazione wurde mit 8,6% nach den Linksdemokraten, die 21,1% erreichten, zweitstärkste Partei). Man muß hier als Lehre nicht besonders herausstellen, daß eben vor allem der außerparlamentarische Kampf auf linke Wählerschichten wirkt.

Rifondazione trat 1996 nicht ins Kabinett ein, sondern unterstützte Prodi im Parlament. Im Oktober 1998 beendete die Partei diese Unterstützung, weil der Regierungschef sich nicht an die sozialen Vereinbarungen hielt und den Sozialabbau fortsetzte. Außenpolitisch hatte Rifondazione bereits vorher gegen die Teilnahme Italiens am NATO-Überfall auf Jugoslawien gestimmt. Eine Minderheit im PRC war für die Fortsetzung der Unterstützung Prodis, verließ deswegen die Partei und gründete den PdCI (Partei der italienischen Kommunisten), der danach zwei Minister in der Regierung stellte.

An der Haltung von 1998 orientierten sich natürlich viele Wähler von Rifondazione, als diese nach dem Wahlsieg 2006 erneut in die von Prodi geführte Regierung eintrat. Es scheint fast so, daß die Regierungsbeteiligung als einzige Ursache der Wahlniederlage gesehen wird. Das ist eine etwas zu kurze Sicht.

Rifondazione und Berlusconi

2005/06 war es in Italien durchaus gerechtfertigt, dem Parteienbündnis der Linken Mitte und danach der Regierung beizutreten, um zunächst einen erneuten Wahlsieg der profaschistisch-rassistischen Koalition Silvio Berlusconis zu verhindern. Es muß also konkret darum gehen, zu analysieren und Lehren zu erarbeiten, unter welchen Bedingungen Rifondazione in die Regierung eintrat, welche Rolle sie in ihr spielte bzw. hätten spielen müssen, was sie bewirkte bzw. nicht bewirkte, aber hätten bewirken können.

Welche Bedingungen stellte Rifondazione für die Regierungsbeteiligung, anders ausgedrückt, was wurde den Wählern versprochen?

Auf dem Parteitag im April 2005 begründete Fausto Bertinotti die Regierungsbeteiligung nach einem Wahlsieg wie folgt: Nur so werde es möglich sein, die Berlusconi-Regierung zu Fall zu bringen und eine "programmatische Regierungsalternative an ihre Stelle zu setzen", die den neoliberalen Zyklus durchbricht und einen progressiven Weg sozialer und struktureller Reformen einschlägt. Das sollte einschließen, die antisozialen und antidemokratischen Gesetze der Berlusconi-Regierung rückgängig zu machen, die Macht des Marktes einzuschränken, den gemischten Charakter der Wirtschaft wiederherzustellen, Art und Ziel der Produktion unter dem Gesichtpunkt gesellschaftlicher Interessen, darunter der Arbeitsplätze und entsprechender Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter, zu modifizieren.

Als Grundzug künftiger Regierungspolitik der Linken Mitte nannte Bertinotti, eine "partizipative Demokratie" zu entwickeln, um der Autonomie der Bewegungen und dem Klassenkonflikt neue Räume für die Transformation der Gesellschaft zu eröffnen. Der mangelnden Binnennachfrage sollte mit der Stärkung der Kaufkraft durch Erhöhung der Löhne und Renten begegnet werden. Diesen Weg zu beschreiten, erfordere "Einheit und Konsens" in der Regierungskoalition, betonte Bertinotti, der gleichzeitig dafür plädierte, im Bündnis einen "gesunden Antagonismus" zwischen reformerischer und radikaler Linker zu wahren. Zum Terminus radikale Linke präzisierte er: "Früher hätte man von einer revolutionären Linken gesprochen, und ich denke, daß man diesen Begriff auch wieder gebrauchen sollte."

Hier stellt sich eigentlich die Frage: Versteht sich Die Linke bei uns als revolutionäre Linke und wenn ja, wie schlägt sich das in ihrer Programmatik, ihrer Sicht der gesellschaftlichen Perspektive und im Kampf dafür nieder?

Bertinotti warnte 2005, es gehe nicht nur darum, Berlusconi eine Niederlage zu bereiten, sondern den Kurs von Reformen einzuschlagen, um das perverse Pendel außer Kraft zu setzen, daß die Linke in der Opposition Hoffnungen und Erwartungen weckt, an die Regierung gekommen, sie aber vergißt und eine Politik betreibt, die sich nicht von jener der Rechten unterscheidet. Außenpolitisch ragte die Forderung hervor, sofort die italienischen Soldaten aus dem Irak heimzuholen. Insgesamt ein sehr gutes antikapitalistisches Programm mit Sicht auf eine soziale Perspektive. Gute Ausgangsbedingungen bestanden darin, daß die linke Mitte die Präsidenten von Senat und Parlament (hier Bertinotti) stellte. Der Senator auf Lebenszeit der damals noch existierenden Linksdemokraten, Giorgio Napolitano, wurde Staatspräsident. Das ergab sich zeitlich daraus, daß die Neuwahl des Präsidenten, der in Italien von der Abgeordnetenkammer und dem Senat gewählt wird, nach sieben Jahren anstand. Noch nie hatte die linke Mitte derart die Schlüsselpositionen des politischen Systems besetzt. Zur Einleitung eines Politikwechsels wurden sie kaum genutzt.

Was ist, und das halte ich für die Schlüsselfrage der Lehren, aus den von Bertinotti verkündeten Grundsätzen geworden? Unter Prodi fand ein Referendum gegen ein Dekret Berlusconis über eine Verfassungsreform, die einem Präsidialregime den Weg frei machen sollte, statt. 61,7% annullierten das Gesetz. Verwirklicht wurde der Abzug aus Irak. Eingestellt wurde das geplante Milliarden verschlingende Projekt des Brückenbaus zwischen dem Festland und Sizilien, mit dem Berlusconi vor allem in die eigene Tasche wirtschaften wollte.

Hoffnungen und bittere Lehren

Diese ersten Schritte weckten Hoffnungen, auf diesem Weg voranzuschreiten. Die Antikriegsbewegung forderte als nächstes, die 2.500 Mann aus Afghanistan abzuziehen und den von Berlusconi gewährten Ausbau der US-Militärbasis in Vincenza mit einer Truppenverstärkung um 4.500 Mann zu einem Stützpunkt für Kriegseinsätze im Nahen und Mittleren Osten nicht nur zu untersagen, sondern die Basis überhaupt zu schließen, da ihre Existenz angesichts der Nutzung für Washingtons Angriffskriege gegen Artikel 11 der Verfassung verstößt. Er verpflichtet Italien, für "Frieden und Gerechtigkeit zwischen den Nationen" zu wirken und "den Krieg als Mittel des Angriffs auf die Freiheit anderer Völker und zur Lösung internationaler Streitfragen" abzulehnen. Auf dieser Grundlage bestanden gute Voraussetzungen, ein Referendum einzuleiten und die Regierung zum Handeln zu zwingen. Unter diesem Gesichtspunkt hätten auch der Staatspräsident und der Parlamentspräsident über bestimmte Möglichkeiten verfügt, den Regierungschef zum Handeln zu veranlassen. Nichts dergleichen geschah jedoch.

Dann demonstrierten im Februar 2007 vor der US-Basis 200.000 Italiener, um ihren Antikriegsforderungen Nachdruck zu verleihen. Einige PRC-Parlamentarier, unter ihnen Sozialminister Paolo Ferrero, verlangten von Prodi, "auf Volkes Stimme zu hören". Das ermunterte im Februar 2007 zwei Senatoren des PRC und des PdCI, die von Bertinotti angesprochene "partizipative Demokratie" zu wagen und einen Antrag zur Verlängerung des Afghanistaneinsatzes zu Fall zu bringen. Berlusconi forderte Neuwahlen. Im Regierungslager brach offene Furcht vor einem neuen Wahlsieg des Mediendiktators aus.

Bertinotti gab als Parlamentspräsident die Losung aus, eine neue Regierung Berlusconi müsse auf jeden Fall verhindert werden. Das wirkte nicht nur desorientierend, sondern stieß auch die Antikriegsbewegung vor den Kopf. Besonders, als diese Linie dann im Vertrauensvotum für Prodi mit der Zustimmung zum Afghanistaneinsatz und der Hinnahme des Ausbaus in Vincenza sowie tiefen sozialen Einschnitten verwirklicht wurde. Hätte der PRC im Februar 2007 die Regierung verlassen und Neuwahlen in Kauf genommen, wäre es zweifelsohne möglich gewesen, die jetzige Niederlage und damit wahrscheinlich auch einen Sieg Berlusconis zu verhindern.

Prodi kamen außerdem mehrere nicht zu seiner Koalition gehörende Senatoren der äußersten Rechten zu Hilfe. Damit begab er sich in eine Abhängigkeit, die obendrein das Image seiner Koalition schwer schädigte. Denn unter den sogenannten Helfern befanden sich die Senatoren auf Lebenszeit Francesco Cossiga und Giulio Andreotti, die später an seinem Sturz mitwirkten. Der eine ein bekannter Faschistenfreund, der andere in den 90er Jahren der Komplizenschaft mit der Mafia angeklagt und verurteilt, in der Revision nur wegen Mangels an Beweisen freigesprochen.

Bei Abstimmungen, zum Beispiel über den Kriegseinsatz in Afghanistan, standen die Kommunisten plötzlich mit diesen Rechten in einer Reihe. Mehrfach untersagte die Parteiführung ihren Kabinettsmitgliedern und Spitzenfunktionären an Demonstrationen zur Durchsetzung sozialer Forderungen teilzunehmen. Es gelang nicht, das soziale Elend zu verringern, die Arbeitslosigkeit abzubauen oder im Gesundheitswesen etwas zu verbessern.

Für die Rentner, viele arbeitslos, wurde das Pensionsalter heraufgesetzt, das angekündigte Referendum über den Stopp des Ausbaus der US-Basis in Vincenza nicht eingeleitet. Die seit über zwei Jahrzehnten existierende Mediendiktatur Berlusconis blieb weiter unangetastet. Natürlich war es in der kurzen Zeit von knapp zwei Jahren nicht möglich, alle Punkte des Alternativprogramms zu realisieren. Dazu hätte es viel mehr Zeit gebraucht. Aber der PRC unternahm nichts, zu verdeutlichen, daß er daran festhält, im Gegenteil brach er mehrfach seine Wahlversprechen.

"Faschismus als Möglichkeit"

Eine schwerwiegende Lehre ist, daß die Koalition Berlusconis mit AN-Faschisten und Lega-Rassisten, auch vom PRC, als "Centro Destra" (Rechtes Zentrum) verharmlost wurde. So wurden die bis Anfang der 90er Jahre von der Democrazia Cristiana mit Liberalen und Sozialdemokraten gebildete Regierungen bezeichnet, während die seit den 60er Jahren von den Christdemokraten mit Sozialisten und Republikanern formierten Regierungen "Centro sinistra" (Linkes Zentrum/Linke Mitte) genannt wurden.

Vom PRC liegt bis heute keine Analyse der wachsenden faschistischen und rassistischen Gefahren, die von dieser Koalition bzw. ihren Regierungen ausgehen, vor.

An Warnungen hat es nicht gefehlt. Nobelpreisträger Dario Fo, Umberto Eco, Vincenzo Consolo oder Antonio Tabucchi wiesen wiederholt eindringlich auf die von dieser Koalition ausgehenden Gefahren der Etablierung eines neuzeitlichen faschistischen Regimes hin. In mehr als einem Dutzend Büchern haben sich Faschismusforscher und andere Wissenschaftler zu dieser aktuellen faschistisch-rassistischen Gefahr geäußert. Domenico Losurdo, ein in Italien und auf internationaler Ebene führender marxistischer Philosoph (unter anderem Präsident der "Gesellschaft für dialektisches Denken"), mahnte schon vor Jahren in einer Studie über "Die neuen Hitler" [Veröffentlicht in "Marxistische Blätter" 4/2000] eine solche "konkrete Analyse", an, die jedoch noch immer aussteht.

Im Zusammenhang mit einer fehlenden Faschismusanalyse kommt man nicht umhin, eine Verkennung oder Unterschätzung der seit Jahren in Italien wie Europa- und weltweit vor sich gehenden verschärften Rechts- oder rechtsextremen Entwicklung festzustellen. Hier ist einzufügen, daß zu den Lehren aus der Entwicklung der Faschisten und Rassisten in Italien gehört, daß sie über eine sehr lange Phase, über den Einzug in Stadt- und Regional-, das heißt Länderparlamente, schließlich 1994 erstmals in die zentrale Regierung einzogen. Dieses Ergebnis wurde in Deutschland von CDU/CSU und in Medien wie der FAZ begrüßt und als Zeichen dafür gewertet, daß Berlusconi die Ablösung der sozialdemokratisch geführten Regierungen in den EU-Ländern einleiten möge. Angeführt vom damaligen Kanzler Kohl wurde den AN-Faschisten und Lega-Rassisten in der Regierung demokratische Legitimation bescheinigt.

Der damalige Chefredakteur von "Capital", Johannes Groß, äußerte keinesfalls zufällig: Angesichts "der anscheinend wachsenden Funktionsschwäche der traditionellen Demokratien bleibt der Faschismus eine der Möglichkeiten der Politik". Bleibt hinzuzufügen, daß es in Thüringen dem CDU-Regierungschef unlängst fast gelungen wäre, einen Rechtsextremisten auf den Sessel des Kultusministers zu hieven. Nicht zu vergessen die vervierfachten Wahlerfolge der NPD auf kommunaler Ebene in Sachsen, wo diese neofaschistische Partei bereits 9,2 Prozent im Landtag erreichte, und nun in allen Kreistagen vertreten ist.

Unter diesem Gesichtspunkt scheint es mir durchaus angebracht, sich aktuellen Aspekten unter Beachtung der heutigen konkreten Lage der Lehren und Erfahrungen der "Wende von Salerno" zuzuwenden: Dem Eintritt der Kommunisten und Sozialisten im April 1944 in die Regierung des früheren Mussolini-Marschalls Badoglio, die dadurch zu einem Bekenntnis zur antifaschistischen Einheit gebracht wurde, um nur den wichtigsten Aspekt zu nennen. Ein entscheidender Faktor dieses Regierungseintritts war die Antikriegsfrage, die damals im Kampf gegen die Okkupation Nord- und Mittelitaliens durch die Hitlerwehrmacht bestand. Es war aber auch ein Bündnis auf Zeit.

Die Rechts- und rechtsextreme Entwicklung erhält nach dem erneuten Wahlsieg des Berlusconi-Lagers in Italien Auftrieb. Die Reaktion wittert Morgenluft. Nach der Niederlage im Parlament soll die Linke nun auch auf der Straße mundtot gemacht, eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden.

Obama als Vorbild und Mussolini als Warnung

In übler Weise hat die Führung der früheren Linksdemokraten mit Walter Veltroni zur Niederlage der Linken beigetragen, ja sie ganz gezielt mit herbeigeführt und damit dem rechten und rechtsextremen Ruck Vorschub geleistet.

Mit der Fusion zu einem Partito Democratico (PD) im Herbst 2007 erlebte Italien eine bisher in der internationalen Arbeiterbewegung einmalige neue Stufe reformistischer Entwicklung mit verheerenden Folgen für die Linken und alle Fortschrittskräfte. Die Linksdemokraten wurden zu einem Anhängsel der bürgerlichen Mitte, zum Bestandteil einer katholisch beeinflußten Zentrumspartei, die sich erklärtermaßen in der Tradition der 1992 untergegangenen großbürgerlichen Democrazia Cristiana sieht.

Dieser Gründungsprozeß fand zum Zeitpunkt der bereits schwelenden Krise der Prodi-Regierung statt, mit deren Sturz ständig gerechnet wurde. Bei Neuwahlen sollten die Kommunisten ausgeschaltet, eine neue Regierung zumindest von deren Stimmen unabhängig gemacht werden.

Die völlig bürgerliche Linie Veltronis zeigte sich in seiner Wahl-Konzeption. Er stellte sich als Vertreter der "authentischen produktiven Bourgeoisie" und eines "demokratischen Kapitalismus" Italiens vor und propagierte einen "demokratischen Pakt zwischen Arbeitern und Bourgeoisie". Er orientierte sich am Kandidaten seiner US-Vorbildpartei Barack Obama und trat unter dessen Wahlslogan "Yes, we can" (si, poù fare) für einen "Wechsel" ein.

Hier gehört zu den italienischen Erfahrungen, daß bestimmte im Clinch mit Berlusconi liegende Kapitalkreise, die Prodi 2006 begünstigten, es diesmal an der Unterstützung fehlen ließen. Diese Gruppen, die auf den Reformismus in der Arbeiterbewegung setzten, sahen durch den Wegfall der Linksdemokraten den Einfluß des PD auf die Arbeiterbewegung schwinden und haben deshalb dem von Berlusconi verfolgten Weg der offenen massiven Unterdrückung des Arbeiterwiderstandes als Voraussetzung eines weiteren rigorosen Demokratie- und Sozialabbaus freie Bahn gelassen.

Mit ihrer Linie der Vertreibung der Linken und Kommunisten aus dem Parlament verfolgen die Ex-Linksdemokraten um Veltroni das Ziel, in Italien ein bipolares Parteiensystem nach US-amerikanischen Vorbild zu installieren. In ihm will der neue PD die Rolle der Demokratischen Partei übernehmen, während Berlusconis Block aus Forza-Partei ,AN-Faschisten und Lega-Rassisten der Part der Republikaner überlassen werden soll. Dafür hat sich im Italienischen bereits der Begriff Veltrusconismus herausgebildet.

Forderungen, nach der Wahlniederlage das alte Bündnis der Linken Mitte zum gemeinsamen Widerstand gegen das Berlusconi-Lager in der Opposition wiederherzustellen, erteilte Veltroni eine klare Absage: Das bedeutet eine Zurückweisung jeder künftigen Zusammenarbeit mit der Demokratischen Linken und natürlich mit den Kommunisten. Gleichzeitig wird damit eine notwendige antifaschistische Einheit abgelehnt, was seit Mussolinis Marsch auf Rom 1922 die Mißachtung einer fundamentalen Lehre des antifaschistischen Kampfes bedeutet, daß die Arbeiter- und antifaschistische Bewegung geschlagen wird, weil sie gespalten ist. Hier zeichnet sich jedoch bei Massimo D´Alema, frühere Vorsitzender der Linksdemokraten und 1998/99 Regierungschef, ein gewisser Widerspruch ab.

Zu den Wahlen 2008 stellte die Linke eine Reihe demokratischer und sozialer Forderungen, die jedoch nicht annähernd an das von Bertinotti 2005 vorgelegte Alternativprogramm heranreichten. Nicht zuletzt fehlte eine konkrete außenpolitische Aussage zur Verteidigung des bereits angeführten Artikels 11 der Verfassung. mit der Forderung nach einer Beendigung der Unterstützung des USA-Kriegskurses, dazu der Abzug aus Afghanistan und der Stopp des Ausbaus der US-Basis in Vincenza, um die starke Antikriegsbewegung, die 2006 entscheidend zu Prodis Wahlsieg beitrug, wieder als Verbündeten zu gewinnen. Viele Wähler hatten nach den Enttäuschungen über die Rolle des PRC in der Regierung Prodi auch kein Vertrauen mehr in die Wahlversprechungen.

Bertinotti propagierte als Spitzenkandidat das Parteienbündnis des Regenbogens als "eine neue Linke, die allen offen steht". Das weckte bei vielen zur kommunistischen Identität stehenden Mitgliedern und Sympathisanten des PRC als auch des PdCI Befürchtungen, aus dem Parteienbündnis solle eine Linkspartei entstehen, in der die Kommunisten aufgehen.

Obwohl Veltroni ein Wahlbündnis abgelehnt hatte, bot Bertinotti ihm trotzdem bereits im Wahlkampf bei einer fehlenden eigenen Mehrheit nach einem Wahlsieg die Unterstützung des Regenbogens an. Viele PRC-Wähler befürchteten, die Partei könnte dann in eine PD-geführte Regierung eintreten oder sie im Parlament unterstützen und so deren propagierte Zusammenarbeit mit dem "demokratischen Kapitalismus" mittragen. Das trug sicher dazu bei, daß im Regenbogen von einer "revolutionären Linken" kaum etwas zu spüren war.

Zur Lage im PRC

Derzeit scheinen sich drei Strömungen bzw. Konzeptionen abzuzeichnen. Die von Domenico Losurdo mit ins Leben gerufene Gruppe, die einen Zusammenschluß der verschiedenen kommunistischen Parteien bzw. Gruppen zu einer neuen einheitlichen KP will. Eine zweite, die weiter das Ziel verfolgt, den PRC in eine Linke, wie sie in Gestalt des Regenbogens zur Wahl existierte, einzubringen, diese Linke dann als Partei zu konstituieren, in der die Beitrittsorganisationen ihre Selbständigkeit aufgeben, allenfalls politische Strömungen darstellen.

Soweit zu erkennen, scheint sich eine dritte Lösung abzuzeichnen, die unter dem Slogan der "Einheit der Partei" den derzeitigen PRC erhalten und seine verschiedenen Strömungen möglichst "aussöhnen" möchte. Claudio Grassi, Mitglied der Interimsleitung, erklärte zum wichtigsten Ziel, "die Partei zusammenhalten und verhindern, daß sie sich in verschiedene Strömungen auflöst."

Ein letzter Gedanke: Die Linke bei uns ist keine kommunistische Partei. Trotzdem sehe ich eine wichtige Lehre aus der italienischen Niederlage darin, linke Identität zu wahren und nicht vor dem Druck des Gegners zurückzuweichen und z.B. eine Zusammenarbeit mit Kommunisten abzulehnen wie auch anderweitig Zugeständnisse zu machen. Auch wenn in Deutschland heute eine KP nur in kleineren Dimensionen besteht, setzt ein erfolgreiches Wirken der Partei Die Linke ein Verhältnis der Zusammenarbeit mit ihr voraus. Antikommunismus kann vielleicht vordergründig Wählerstimmen bringen, aber in der Perspektive nur schaden.

 

Vortrag, gehalten am 12. Juni 2008 auf der Veranstaltung der Sozialistischen Linken der Partei Die Linke in Berlin (Auszug).

Diether Dehm brachte voriges Jahr ein Buch, einen bewegenden Roman, über die italienische Resistenza heraus, in dem er ein Bekenntnis zu einer revolutionären Linken und in ihr zur Zusammenarbeit von Kommunisten, Sozialisten und anderen revolutionären Demokraten ablegt: "Bella Ciao". Siehe die Rezension von Gerhard Feldbauer in "Ossietzky" (19/2007).