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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

"Aufrechten Hauptes in die Opposition" – Gedanken zu den Hamburgwahlen

Ellen Brombacher, Berlin

 

Dora Heyenn, Spitzenkandidatin der LINKEN bei der Hamburger Wahl am 20. Februar 2011, antwortete in einem ND-Interview auf die Frage, ob der auf die Bürgermeisterkandidaten Ahlhaus und Scholz zugeschnittene Wahlkampf ein noch besseres Ergebnis für die LINKE verhindert habe: "Mit Sicherheit. Hamburg hat einen auf zwei Personen polarisierten Wahlkampf erlebt. Da hatten wir es als kleine Partei schwer, inhaltliche Akzente zu setzen." Dazu, daß dies dennoch gelang, den Genossinnen und Genossen der Hamburger Landesparteiorganisation auch unseren herzlichen Glückwunsch. Zwei Akzente, so Genossin Heyenn, seien es gewesen, die entscheidend waren: "Wir haben gesagt, daß wir aufrechten Hauptes in die Opposition wollen." Und: "Wir sind die einzige Partei, die gesagt hat, daß es soziale und Bildungsgerechtigkeit nur mit Steuergerechtigkeit gibt."

Die SPD wird laut der vorläufigen Berechnung der Fraktionsstärke mit 62 von 121 Sitzen alleine regieren können. Der Wahlabend und die Wahlnacht hatten etwas in der Sache Demagogisches: In Berlin einigten sich SPD, CDU/CSU und die FDP auf einen Kompromiß in der Hartz-IV-Frage. Der Regelsatz wird 2011, wie schon gehabt, um 5 und 2012 noch einmal um 3 Euro erhöht. Das sogenannte Bildungspaket für Kinder von Hartz-IV-Empfängern fällt etwas günstiger aus als es im ursprünglichen Vorschlag der Ministerin von der Leyen vorgesehen war, und in puncto Mindestlöhne konnte die SPD etwas von ihren Vorstellungen durchsetzen. Klingt gut – wenn man ein schlechtes Gedächtnis hat. Hartz IV wurde 2004 gegen die Massenproteste Hunderttausender von der damaligen Rot-Grünen-Regierung durchgepeitscht. Seitdem hat sich in Deutschland ein Niedriglohnsektor entwickelt, der sich gewaschen hat – die schlimmen sozialen Folgen inklusive. Die SPD hat sich zu keinem Zeitpunkt von den Hartz-Gesetzen distanziert. Sie hofft auf die Massenvergeßlichkeit. Dann könnte es funktionieren, daß die ab 2012 "abgetrotzten" zusätzlichen 3 Euro für ALG-II-Empfänger als vorwiegend von der SPD erkämpfte soziale Wohltat empfunden werden. Dann könnte es sein, daß die Ergebnisse der Hamburger Bürgerschaftswahl der Bundes-SPD aus ihrem Umfragetief helfen. Es wäre eine Art moderner Ablaßhandel! Wir werden sehen, was in Hamburg tatsächlich geschieht, nachdem die zehnjährige Regierungszeit der CDU zu Ende gegangen ist.

"Wir werden als Opposition", so Dora Heyenn am Wahlabend im Fernsehen, "den Alltag ins Parlament drücken. Wir werden die soziale Spaltung der Stadt immer wieder thematisieren."

Genau darum geht es – und um noch ein bißchen mehr. Unsere Partei ist verpflichtet, den Menschen die ganze Wahrheit zu sagen – und nicht, wie Lothar Bisky es in der FAZ getan hat [Die Dokumentation des Interviews mit Lothar Bisky ist auf den Seiten 15-17 nachzulesen.], die zunehmende soziale Misere auch noch zu verschleiern. Bisky äußerte am 1. Februar: "In unseren Umrissen einer demokratisch-sozialistischen Gesellschaft müßten die neuen sozialen Strukturen, die neuen Verhältnisse, das Prekäre der Beschäftigung in seiner ganzen Widersprüchlichkeit und nicht nur als soziale Bedrohung, sondern auch als neue Form der Arbeit vorkommen." Wer dem Prekären der Beschäftigung – der permanenten Angst um den Arbeitsplatz also – auch Positives abgewinnen kann, der hat niemals um seinen Arbeitsplatz gezittert und in keiner entwürdigenden Schlange einer ArGe oder eines Jobcenters je gestanden.

Nicht in einer K-Debatte, auch das hat Hamburg letztlich gezeigt, liegt für die LINKE die Gefahr. Die würde dann problematisch, wenn Menschen, die auf uns setzen, zu dem Eindruck gelangten, ihre Themen stünden ungenügend auf unserer Agenda. Genau diesen Eindruck zu vermitteln, war konzentriert die Absicht der bürgerlichen Medien in den vergangenen Wochen. Wählerinnen und Wähler würden wir in erster Linie dann verlieren, wenn uns nicht mehr geglaubt würde, daß wir zuvörderst die sozialen Interessen jener vertreten, die keine Lobby haben und daß mit uns keine Bundeswehreinsätze im Ausland zu machen sind – weder mit noch ohne UN-Mandat nach Kapitel VII.

Wenngleich die SPD in Hamburg einen erstaunlichen Stimmenanteil sichern konnte und viele der Stimmen von anderen Parteien, nicht zuletzt von der CDU, abgezogen hat, hat dies mit der LINKEN nicht funktioniert. Die SPD hat von der LINKEN lediglich 4.000 Stimmen erhalten. Wir haben die 6,4 Prozent, mit denen wir bei der letzten Hamburg-Wahl mit 8 Sitzen in die Bürgerschaft eingezogen sind, gehalten. All der Druck der bürgerlichen Medien, diese Partei zu wählen lohne nicht, da sie zerstritten und konzeptionslos sei, programmatisch unentschieden, im Osten orthodox und im Westen linkssektiererisch – hat ein weiteres Mal nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. Noch sechs Landtagswahlen und zwei Kommunalwahlen stehen uns in diesem Jahr bevor. Kommunistinnen und Kommunisten in der LINKEN sollten als Teil der Parteibasis aktive Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer sein.

 

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2011-02: Wohin bitte führt der Antikommunismus? 

2011-02: Für jeden Einzelfall eine neue Antwort?

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