Abschied von Heinrich Hannover
Ralph Dobrawa
Eigentlich wollte er einmal Förster werden und entschied sich dann doch für das Studium der Rechtswissenschaft. Der 1925 in Anklam geborene Heinrich Hannover erlebte die Schrecken des Zweiten Weltkrieges, und danach stand für ihn fest, dass er Pazifist von nun an sein wird. 1954 begann er seine Tätigkeit als Rechtsanwalt in Bremen und übte sie bis weit in die 1990er Jahre aus. Am Anfang begann alles mit der Pflichtverteidigung eines Kommunisten. Mit den Jahren kamen immer mehr prominente Zeitgenossen als seine Mandanten hinzu. Günter Wallraff, Hans Modrow und auch zeitweilig Ulrike Meinhof sind zu nennen. Er war der unerschrockene Verteidiger, der mutig vor Gericht auftrat und dabei auch erkennen ließ, dass er neben der juristischen Position auch eine politische Überzeugung hat. Als er einmal den Begriff »Klassenjustiz« in den sechziger Jahren in einem Plädoyer verwendete, reagierte diese prompt darauf. Das Ehrengericht verhängte eine Geldbuße von 3.000 DM gegen ihn. Eingeschüchtert hat ihn das nicht. Stattdessen erschienen nach und nach Bücher von ihm, die sich kritisch mit der Rechtsprechung und politischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts auseinandersetzten. Der Mord an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg waren für ihn ebenso ein Thema wie späterhin die Aufklärung des Mordes an Ernst Thälmann. Seine Sachbücher sind auch heute noch sehr lesenswert. Irgendwann entschied sich Heinrich Hannover, auch Bücher für Kinder zu schreiben und stellte schnell fest, dass diese ein dankbares Publikum sind. Die Humboldt Universität zu Berlin und auch die Bremer Universität verliehen ihm jeweils den Ehrendoktor-Grad. Als Ende der 1990er Jahre seine Erinnerungen »Die Republik vor Gericht« erschienen, war das zugleich eine kritische Auseinandersetzung mit der Arbeit der bundesdeutschen Justiz in den zurückliegenden Jahrzehnten. Jetzt ist er am 14. Januar im Alter von 97 Jahren in Worpswede verstorben. Ein lieber Freund und Kollege ist von uns gegangen. Wir werden ihn nicht vergessen und sein Andenken bewahren.
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