26. Februar 1987: Bericht der Untersuchungskommission zur Iran-Contra-Affäre
Prof. Dr. Norman Paech, Hamburg
Als am 3. November 1986 die libanesische Zeitschrift Ash-Shira Informationen über geheime Waffenverkäufe der USA an den Iran veröffentlichte, löste das weltweiten Alarm aus, der als Iran-Contra-Affäre bzw. Iran-Gate in die Geschichtsbücher einging. Die Informationen kamen von Mehdi Hashemi, einem hohen Beamten der iranischen Revolutionsgarden, der gegen diese Geschäfte seiner Regierung mit den USA war. Er wurde 1987 wegen Verrats verhaftet und hingerichtet. Doch was als größter Skandal der Regierung Reagan bezeichnet wurde, deckte nur Mittel und Instrumente der US-amerikanischen Außenpolitik auf, wie sie vor, während und nach Reagans Amtszeit selbstverständliche Praxis waren und bis heute sind.
Waffenverkäufe gehören zum außen- und handelspolitischen Geschäftsmodell US-amerikanischer Regierungen seit eh und je – einziger Maßstab ist der Nutzen für die USA. Aber der Iran gehörte nach der im April 1980 gescheiterten Befreiung von 53 Geiseln in der von den Revolutionsgarden besetzten US-Botschaft in Teheran nicht mehr dazu. Die USA waren noch zur Zeit des Schahs der absolut führende Waffenlieferant an Iran gewesen. Doch mit der Gründung der islamischen Republik versiegte dieser Kanal und der Irak wurde Hauptempfänger westlicher Waffenlieferungen während seines Krieges gegen Iran, 1980 – 1988.
Vom US-Kongress verboten
Das wiederum hielt die USA nun nicht davon ab, auf geheimen Wegen über Israel zwischen August 1985 und Oktober 1986 Panzer- und Flugabwehrwaffen an die islamische Republik Iran zu liefern. Als Gegenleistung sollte der Iran sich für die Freilassung der US-Geiseln im Libanon einsetzen. Das Geld floss unmittelbar in die Kassen zur Unterstützung der Contras in Nicaragua, die seit Jahren mit Hilfe der USA die sandinistische Regierung bekämpften und den Umsturz vorbereiteten. Sowohl die CIA wie auch Oberstleutnant Oliver North hatten ein umfangreiches Netzwerk aufgebaut und unternahmen verzweigte Operationen zur Verteilung von Geldern an die antisandinistische Opposition – darunter auch die katholische Kirche. North war es auch, der das Waffengeschäft mit Iran abgewickelt hatte. Er leitete die erwirtschafteten Gelder direkt zur Unterstützung der Contras weiter. Dies jedoch war nach US-amerikanischem Recht verboten. Denn 1982 hatte der Kongress das sogenannte Boland-Amendment beschlossen, mit dem er jegliche weitere US-amerikanische Finanz- und Militärhilfe für die von der CIA unterstützten Contra-Rebellen untersagte. Doch die Reagan-Administration hielt sich nicht daran. Seitdem führte sie ihre Operationen im Geheimen und Oliver North baute sein Netzwerk auf.
Selbst nach der Aufdeckung des Skandals und der Veröffentlichung des Berichts der Untersuchungskommission im Februar 1987 ließ die antisandinistische Obsession die Reagan-Administration zu Mitteln, Praktiken und Koalitionen greifen, die dem Arsenal der Mafia-Banden in der Bronx entnommen zu sein schienen. Ziel war es, den stetigen Fluss von Geldern, Bewaffnung und anderer Hilfen für die Contras nicht versiegen zu lassen. Der »Schlussbericht des unabhängigen Rats für die Iran-Contra Angelegenheiten« listete 1993 eine Reihe dieser Praktiken auf: »Geschäfte mit anderen nahöstlichen und mittelamerikanischen Terroristen, häufiger Drogenschmuggel in einer Vielzahl von einfallsreichen Arten, Geldwäsche, Unterschlagung von Geldern der US-Regierung, Meineid, Behinderung der Justiz, Einbrüche in die Büros amerikanischer Abweichler, verdeckte Propaganda um heimische politische Feinde zu schlagen, Verletzung des Neutralitätsgesetzes, illegales Schreddern von Regierungsdokumenten, Pläne, die Verfassung im Falle weitgefächerter interner abweichender Meinung von der Regierungspolitik außer Kraft zu setzen und vieles mehr. ... All dies ist unternommen worden, um eine Bande von Vergewaltigern, Folterern und Mördern, die als Contra bekannt sind, zu unterstützen.« [1]
Zwei Wochen nach den Enthüllungen in der libanesischen Zeitschrift informierte Justizminister Edwin Meese auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus erstmals die amerikanische Öffentlichkeit über die Aktivitäten des Oliver North, damals militärischer Berater des Nationalen Sicherheitsrats. Er wurde sofort entlassen und verteidigte sich vor einem Komitee des Kongresses damit, dass er an die Unterstützung der Contras gegen die sandinistische Regierung voll geglaubt habe. Seine Waffenkäufe für die Contras mit den Geldern aus dem Handel mit Iran hätten die volle Unterstützung des damaligen Direktors der CIA William Josef Casey gehabt. Casey starb 1987. North wurde 1988 vor Gericht gestellt, welches ihn wegen der Waffenverkäufe an den Iran zu drei Jahren Haft auf Bewährung, einer Geldstrafe und 1.200 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilte. In der Berufung wurde das Urteil wegen eines Verfahrensfehlers jedoch aufgehoben und North in der Presse als loyaler Soldat gefeiert. Auch als eine Senatskommission unter Leitung von Senator John Kerry ans Licht brachte, dass die Contras mit North und Duldung der CIA über Jahre mehrere Tonnen Kokain in die USA geschmuggelt und aus den Erlösen ihren Kampf gegen die Regierung der Sandinisten finanziert hatten, tat das seiner zivilen Karriere keinen Abbruch. Sein Kultstatus brachte ihn an die Spitze der National Rifle Association, die er bis 2019 als Präsident repräsentierte.
Nicaraguas Klage
Es gehört zweifellos zur Funktionalität des politischen Systems, dass die Affäre nie ganz aufgeklärt werden konnte. Insbesondere besteht bis heute keine Klarheit darüber, ob und was Präsident Reagan und sein Vize Georg Bush von dem Deal wussten. Reagan wird mit dem Zitat überliefert: »Vor einigen Monaten versicherte ich dem amerikanischen Volk, dass ich nicht Waffen gegen Geiseln getauscht habe. Mein Herz und meine Überzeugung sagen mir immer noch, dass das stimmt. Tatsachen und Beweise sagen aber, dass es nicht stimmt.« Was »nicht stimmt« wäre bis heute lediglich eine Affäre, ein Stoff für Gerüchte, Film und Fernsehen geblieben, hätte nicht eine Klage Nicaraguas gegen die USA die jahrzehntelangen kriminellen Aktivitäten der USA zum Sturz der sandinistischen Regierung aufgedeckt.
Im Jahr 1984 wusste sich die Regierung in Managua nicht mehr der ständigen militärischen und paramilitärischen Übergriffe der USA zu erwehren und erhob Klage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Der Gerichtshof hatte zunächst eine Reihe von Hürden zu überwinden. Nachdem er aber seine Zuständigkeit und die Zulässigkeit der Klage entschieden hatte, kündigten die USA ihre Mitgliedschaft im IGH und blieben der Verhandlung fern. Das hinderte den IGH nicht an der Prüfung der Vorwürfe Nicaraguas wegen der Versuche des Umsturzes, der Verminung von Häfen und Angriffen auf Häfen, Erdölinstallationen und Marineeinrichtungen. Da aber die USA bei ihrer Unterwerfung unter die Rechtsprechung des IGH mit einem Vorbehalt die Anwendung vertraglichen Völkerrechts ausgeschlossen hatten, konnte er zur Begründung und Anwendung des Gewalt- und Interventionsverbots (Art. 2 UN-Charta) nicht auf die UN-Charta zurückgreifen. Der Gerichtshof umging auch diese Hürde. Er ordnete beide Verbote dem Völkergewohnheitsrecht zu und erließ am 27. August 1986 ein Urteil in Abwesenheit der beklagten USA. Er verurteilte sie in 13 Fällen wegen Verstoßes gegen das Völkerrecht zur Beendigung bzw. Unterlassung ihrer rechtswidrigen Aktivitäten und zum Schadensersatz. Die Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzes verschob der Gerichtshof auf einen späteren Zeitpunkt. Dazu kam es aber nicht mehr.
»... direkt in die Lehrbücher«
Am 25. Februar 1990 verloren die Sandinisten die nationalen Wahlen gegen eine Koalition, die unter dem Namen Nationale Opposition (UNO) angetreten war. Präsident George Bush nannte es »einen Sieg der Demokratie« und Senator Robert Dole resümierte durchaus zutreffend, dass »das Endergebnis ein Beweis für die Politik Präsident Reagans ist«. Denn die 10 Jahre Krieg mit allen Mitteln hatten das nicaraguanische Volk zermürbt. Das National Endowment for Democracy (NED) hatte 11 Mio. Dollar in die Wahlkampagne der UNO gesteckt. Zwar hatte der Kongress 1984 ein Gesetz verabschiedet, welches verbot, NED-Gelder für die Finanzierung von »Kampagnen für Kandidaten für ein öffentliches Amt« zu verwenden. Aber derartige Gesetze sind zu umgehen. Und so hatte der Kongress selbst weitere Millionen beigesteuert, »um die Wahlinfrastruktur zu unterstützen«. Die CIA stand nicht abseits und versorgte ihre geheimen Kanäle mit einer unbekannten Summe von Millionen Dollar. [2] Die Bombardierung und Invasion von Panama nur zwei Monate vor der Wahl zur Jahreswende 1989/90 hatten auch dem standhaftesten sandinistischen Revolutionär die Gnadenlosigkeit des nördlichen Nachbarn gezeigt, mit der er seine Ziele verfolgt.
Kritiker sahen in dem Fall Nicaraguas eine »Blaupause« für US-Interventionen in der Dritten Welt. Und ein Analyst des Pentagon ergänzte: »Das kommt direkt in die Lehrbücher.« [3] Sie haben offensichtlich noch heute Gültigkeit.
Norman Paech ist Mitunterzeichner der vom Potsdamer »WeltTrends Institut für internationale Politik« kürzlich verbreiteten Erklärung »Für eine deutsche Sicherheitspolitik im Dienste des Friedens«, die die Unterschriften von 43 deutschen Außenpolitik-Fachleuten trägt. Siehe http://welttrends.de/res/uploads/WeltTrends-Erklaerung-Frieden-220124-2.pdf – abgerufen am 28. Januar 2022.
Anmerkungen:
[1] Vgl. William Blum, Zerstörung der Hoffnung. Bewaffnete Interventionen der USA und des CIA seit dem 2. Weltkrieg, 1987, Frankfurt a.M. 2008, S. 508.
[2] S. Brain Wilson, How the U.S. Purchased the 1990 Nicaragua Elections, 1. Juli, 1990.
[3] Jacqueline Sharkey, Anatomy of an Election: How U.S. Money Affected the Outcome in Nicaragua, in: Common Cause Magazine, (Washington DC), Mai-Juni 1990, S. 23.
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