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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

1. Juni 1998: Gründung der Europäischen Zentralbank

Prof. Dr. Christa Luft, Berlin

 

Die Europäische Zentralbank (EZB) wurde 1998 als gemeinsame Behörde der inzwischen 19 Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion gegründet. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Präsident der EZB ist seit 1. November 2011 der Italiener Mario Draghi. Gemeinsam mit diesem bilden die Präsidenten der nationalen Zentralbanken den EZB-Rat.

Im 1993 geschlossenen Vertrag von Maastricht zur Bildung der Europäischen Union war bereits die politische und finanzielle Unabhängigkeit einer EZB vereinbart worden, was In­teressenkonflikten und der Einflussname von außen vorbeugen soll. Am Kapital der EZB ist Deutschland mit 27 Prozent beteiligt.

Aufgaben der EZB

Die EZB trägt die Verantwortung für eine einheitliche Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet. Das ist in einem realwirtschaftlich gespaltenen Wirtschaftsraum (teils erhebliche Unter­schiede zwischen den Euro-Ländern hinsichtlich Produktivität, technischem Niveau, Sozial­standards, öffentlicher Verschuldung usw.) eine Herausforderung. Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehören die Regulierung der umlaufenden Geldmenge und die Überwachung des europäischen Bankensystems. Vorrangiges Ziel der EZB ist es, das Preisniveau in der Euro­zone und somit die Kaufkraft der gemeinsamen Währung stabil zu halten. Preisstabilität im Euro-Raum definiert sie als eine Inflationsrate, die unter, aber nahe bei jährlich 2 Prozent liegt. Ihr wichtigster Steuerungsmechanismus ist dabei der Leitzins. Der bestimmt, zu wel­chem Zinssatz die nationalen Geschäftsbanken sich Geld leihen können. Damit beeinflusst die EZB zugleich die konjunkturelle Entwicklung in der Eurozone.

Eine Feuerprobe war und ist für die EZB die Beherrschung der Folgen der 2008 ausgebro­chenen Weltfinanzkrise. Diese riss die Realwirtschaft der meisten Euro-Länder in den Ab­grund und führte im Bankensektor zu erheblichen Turbulenzen bis zu Zusammenbrüchen. Die EZB setzte in dieser Lage zwei Instrumente ein: Kauf von Staats-, später auch von Un­ternehmensanleihen, um den nationalen Geschäftsbanken Liquidität, damit Handlungs­spielräume zu verschaffen, und Senkung des Leitzinses, zu dem diese sich mit Geld versor­gen können. Die Anleihekäufe begannen im März 2015. EZB-Präsident Draghi hatte zur Be­ruhigung der Lage öffentlich verkündet, die Bank werde alles, wirklich alles tun, um den Euro zu retten und Spekulanten keine Fläche für Angriffe gegen die Gemeinschaftswäh­rung zu überlassen. Sie begann mit dem Anleiheankauf im Umfang von 80 Mrd. Euro mo­natlich. Zwei Jahre später verringerte sie diesen auf 60 Milliarden Euro im Monat. Mittler­weile kauft sie netto noch für 30 Milliarden Euro monatlich vor allem Staatsanleihen auf.

Den Leitzins hat die EZB seit fast einer Dekade permanent gesenkt, inzwischen liegt er bei Null Prozent. Die Folge: Kredite wurden billig wie nie zuvor. Um zu verhindern, dass Ge­schäftsbanken wegen aus Sicht der Anleger fehlender lukrativer Investitionsobjekte in der Realwirtschaft Geld bei der EZB parken, hat diese eine Strafgebühr in Form eines Einlagen­zinses eingeführt. Der beträgt aktuell 0,4 Prozent.

Ergebnisse der EZB-Politik

Die Geldpolitik der EZB hat den Absturz der Wirtschaft im Euro-Raum verhindert, aber ihre eigentlichen Ziele – Ankurbelung der Konjunktur und Sicherung der Preisstabilität, in ihrem Verständnis also die Einpegelung der Inflationsrate nahe zwei Prozent – bislang nicht voll erreicht. Die Verbraucher in Deutschland zum Beispiel mussten zwar im April 2018 deut­lich mehr zahlen als ein Jahr zuvor. Dennoch kommt die Inflation nicht in Schwung. Im ge­samten Euroraum hat sie sich trotz der ultralockeren Geldpolitik der EZB im April sogar ab­geschwächt. Die Verbraucherpreise legten nur noch um 1,2 Prozent im Vergleich zum Vor­jahresmonat zu, wie das Statistikamt Eurostat im Mai in Luxemburg mitteilte. Im März hat­te die Jahresinflationsrate noch bei 1,3 Prozent gelegen. Noch deutlicher ging die Inflation zurück, wenn schwankungsanfällige Komponenten wie Energie sowie Lebens- und Genussmittel ausgeklammert werden. Die sogenannte Kerninflationsrate fiel von 1,0 Prozent im März auf 0,7 Prozent im April. Das ist der niedrigste Wert seit März 2017. Diesem Trend stellt sich die EZB entgegen, indem sie mit Bereitstellung billigen Geldes die Konjunktur anzukurbeln versucht. Ankurbelung der Inflation durch die Bank klingt in den Ohren vieler Menschen grotesk. Doch in einer Marktwirtschaft gilt: Sind Preise dauerhaft niedrig oder sinken gar auf breiter Front (Gefahr der Deflation), neigen Unternehmen und Verbraucher dazu, Investitionen aufzuschieben in der Hoffnung auf noch günstigere, also noch niedrigere Preise. Solche Erwartung kann das Wirtschaftswachstum ausbremsen.

Gleichwohl erwägt die EZB, das Anleihekaufprogramm demnächst, etwa Ende 2018, auslaufen zu lassen und den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf beginnende Zinserhöhungen zu ver­lagern. Volkswirte rechnen frühestens Mitte 2019 damit.

Folgen der Niedrigzinspolitik

Die von der EZB seit Jahren verfolgte Niedrig-, inzwischen Nullzinspolitik hat doppelte Wir­kung. Sie entlastet einerseits alle Kreditnehmer, die privaten wie die öffentlichen Haushalte und erweitert so deren finanzielle Spielräume. Das Defizit der öffentlichen Haushalte lag im Durchschnitt der Eurozone und der EU insgesamt 2016 bei 1,5 bis 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. 2010 lagen die Vergleichswerte noch bei über 6 Prozent. Die Natio­nalstaaten und Unternehmen profitierten extrem von dieser Politik. Sie führte zu einer deutlichen Umverteilung zugunsten von Schuldnern. Auch die Bundesrepublik Deutschland hat für ihre öffentlichen Schulden beträchtliche Zinssummen gespart. Vor Ausbruch der Fi­nanzkrise im Jahr 2008 musste der deutsche Staat im Schnitt noch 64 Milliarden Euro pro Jahr für Zinszahlungen aufwenden, was rund 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprach. 2016 waren es jedoch nur noch 43 Milliarden Euro oder 1,4 Prozent des BIP. Ohne diese Ersparnis läge die Verschuldungsquote des Landes nicht bei 68,3, sondern bei 75 Prozent und 2016 hätte der Bundeshaushalt nicht mit einem Überschuss abgeschlos­sen werden können. Das belegt: Die seit 2014 erwirtschafteten Überschüsse haben wenig zu tun mit »solider Politik«, womit sich der damalige Finanzminister Schäuble gern rühmte. Sie sind vor allem Ergebnis des Zinsverfalls. Eine tendenziell ähnliche Entwicklung zeigt sich in anderen Euro-Ländern.

Andererseits verschärft die Niedrigzinspolitik die Lage von Versicherungen und führt dazu, dass Spareinlagen kaum bis keine Zinsen mehr einbringen. Viele Unternehmen haben ihre Betriebsrenten an externe Pensionskassen ausgelagert. Diese leiden stark unter den Nied­rigzinsen, weil sie das Vermögen zur Finanzierung künftiger Renten großenteils in lang lau­fenden Anleihen angelegt und ihren Kunden vergleichsweise hohe Auszahlungen verspro­chen haben. In den meisten Fällen drohen den Kunden erhebliche Leistungskürzungen. Verluste erleiden auch Sparer, das traditionelle Sparbuch, auch das zeitweilige Geldparken auf Tages- oder Festgeldkonten bringt keine nennenswerten Erträge. Solange sich die Infla­tionsrate nahe der Nulllinie bewegt, gleicht sich das in etwa aus. Doch bei anziehender Teuerung verlieren Sparer Geld. Jens Weidmann, Präsident der deutschen Bundesbank, wiegelt ab, wenn er sagt: »Wir alle sind nicht nur Sparer, sondern auch Arbeitnehmer, Häuslebauer, Steuerzahler und Unternehmer – und aus dieser Perspektive erscheinen die niedrigen Zinsen nicht nur negativ.« Solche Interpretation wird zum Beispiel Rentner, die von ihrem Ruhegeld leben müssen und trotz sparsamster Lebensführung nicht einmal kleinste Zuwächse an Sparvermögen erzielen, nicht trösten. Auch an niedrigen Baugeldzinsen partizipieren sie nicht, weil sie altersbedingt gar keine Kredite mehr von den Banken bekommen. Dennoch: Gesamtgesellschaftlich wäre der Schaden bei Verzicht auf die Niedrigzinspolitik größer als die Verluste der Sparer, so schmerzlich sie sind.

Ausblick

Die EZB hat ihre Vorleistung für die wirtschaftliche Besserung in der Euro-Zone erbracht. Aber sie allein ist überfordert, ausreichend Nachfrage zu schaffen, die die Auftragsbücher der Wirtschaft füllt. Erschlossen werden müssen die Investitionsfelder, die für die Privat­wirtschaft zwar nicht rentabel, aber gesellschaftlich nützlich sind. In der Bundesrepublik stößt eine solche Strategie jedoch auf eine restriktive Finanzpolitik. Dafür steht die vom ehemaligen Finanzminister Schäuble dekretierte und auch vom jetzigen Obersten Kassen­wart Scholz exekutierte schwarze Haushaltsnull. Eine Rückkehr zu »normalen Zinsen« für die Sparerinnen und Sparer ist ohne aktive Finanzpolitik nicht möglich.

 

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