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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Zum 50. Jahrestag der Gründung der FSLN

Wolfgang Herrmann, Grünow

 

Seit Jahr und Tag nimmt unser Nueva Nicaragua e.V. an der Fiesta de la Solidaridad in Berlin und am Friedensfest der DIE LINKE in Graal-Müritz teil. Unser Stand ist bekannt geworden, wir auch. Junge Mensche kamen zu uns. Sie freuten sich, daß es uns gibt. Sie waren in den vergangenen Jahren in Nicaragua und erzählten begeistert, was sie dort erlebt haben. Das Gesetz über das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs erwähnten sie nicht.

Uns fiel auf, daß der 50. Jahrestag der Gründung der FSLN an den Linken der deutschen Bundesrepublik vorbei ging. Dabei hat sie doch eine beachtliche Geschichte aufzuweisen.

Im Juli 1961 gründeten zwölf Männer die Sandinistische Front der Nationalen Befreiung (FSLN) als eine politisch-militärische Organisation. Sie erklärte als Ziel, die Somoza-Diktatur zu stürzen und Gesellschaft grundlegend zu verändern. Als historisches Beispiel wählte sie den Kampf des Generals der Menschen, Augusto Cesar Sandino. 1969 veröffentlichte sie das Historische Programm.

Die Sandinisten sind stolz auf die von ihnen organisierte und angeführte Revolution. Ihre Vision ist der Sandinismus. Sie wollen eine Gesellschaft, in der Milch und Honig für alle fließen. Dafür muß das Land frei sein von der Dominanz des Nordens und von den Strohpuppen des Imperiums im eigenen Land, wie Sandino sie nannte. Sie wollen das Haus Unser Amerika, von dem Bolivar, Martí und Sandino träumten – ein Haus, in dem alle Bewohner gleich und souverän sind, das man gemeinsam bestellt und beschützt. Der Sandinismus lehnt sich an das Christentum und den Marxismus an. Gleichheit und Freiheit, Selbstbestimmung und Brüderlichkeit, Recht und Gerechtigkeit sind unter anderem seine Werte. Die Sandinisten meinen, nicht nur eine Vision haben zu dürfen, sondern für diese auch im revolutionären Sinne tätig sein zu müssen. Sie wollen von der neuen Gesellschaft und dem Haus Unser Amerika nicht nur träumen, sie wollen sie auch errichten.

War die FSLN von ihrer Gründung 1961 bis zu ihrer Wahlniederlage 1990 eine politisch-militärische Organisation, so konstituierte sie sich danach als politische Partei.

Der innere Gegner der FSLN war und ist die nicaraguanische Oligarchie. In seinem Buch "Die Oligarchie in Nicaragua" läßt Orlando Nuñez den Finkabesitzer und Ex-Oberkommandierenden der konterrevolutionären Streitkräfte, Isreal Galeano (Franklin), zu Wort kommen. Der sagte kurz nach der Wahlniederlage zu Ortega: "Die Oligarchie warf mit Hilfe von euch Sandinisten Somoza über Bord, und sie warf euch Sandinisten mit unserer Hilfe über Bord. Es gewannen nicht ihr, nicht wir Contras – es gewann immer die Oligarchie".

Die FSLN vermied in der ersten Etappe, vom Sozialismus zu sprechen. In ihrem neuen, 2002 verabschiedeten Programm tut sie das. Auf politischer Ebene hat Nicaragua durch den Sieg der FSLN bei den Wahlen 2006 seine außen- und innenpolitische Unabhängigkeit wiedererlangt. Auf ökonomisch-sozialem Gebiet sind die bisherigen Ergebnisse beachtlich. Dank der Bolivarianischen Allianz konnten die Energie- und Ölkrise überstanden und alternative Finanzierungsquellen erschlossen werden. Der Prozeß der nationalen Befreiung, der 1990 durch die Wahlniederlage der FSLN unterbrochen wurde, ist wieder in Gang.

Im Februar diesen Jahres fand der IV. Kongreß der FSLN statt. Er beschloß angesichts der Tatsache, daß 66 Prozent der Bevölkerung bis 30 Jahre jung ist, künftig in allen Institutionen der FSLN mindestens 50 Prozent Jugendliche aufzunehmen. Dies gilt auch für alle Parlamente und Räte, in denen die FSLN vertreten ist.

Die FSLN hat viele Bewährungsproben bestanden und Brüche überwunden. Das Verschwinden des sozialistischen Lagers ist an ihr nicht spurlos vorüber gezogen. Als sie sich auf dem I. Kongreß 1991 als Partei konstituierte, mußte sie sich entscheiden, ob sie eine "traditionelle" (Ramirez) oder revolutionäre Partei (Ortega) werden wollte. Der Kongreß entschied sich für die revolutionäre Antwort. In der Partei führte der Ortega-Flügel, während in der Fraktion Ramirez das Sagen hatte. Die Fraktion wich von der Kongreßlinie ab, worauf 1995 bei der Kandidatennominierung einige durchfielen. Sie gründeten die Bewegung der Sandinistischen Erneuerung (MRS). In ihr sahen und sehen Linke Europas eine linke Alternative zur FSLN. Heute ist die "linke Alternative" im neoliberalen Lager gelandet.

Die Geschichte der FSLN betrifft auch ihre führenden Persönlichkeiten. Was ist aus den neun Mitgliedern der Historischen Nationalleitung geworden? Bayardo Arce, Daniel Ortega, René Núñez sowie der einzig Überlebende aus der Gründungsriege, Tomás Borge, sind immer noch im Nationalrat der FSLN dabei.

Die Entwicklungen, die sich in Nicaragua in den vergangenen fünf Jahren unter Führung der FSLN vollzogen, gefallen den inneren und äußeren Gegnern nicht. Sie störten, wo sie nur konnten. 2009 wollte man sogar die honduranische Karte spielen. Im November 2011 werden wieder Wahlen sein. Die Umfragewerte der FSLN sind sehr gut, zum Leidwesen der rechten Oppositionsparteien einschließlich MRS. Seit Monaten ist ein neuer Rummel gegen die FSLN in Gang. Er wird von "Zivilgesellschaften", die von den USA und der EU finanziert werden, unterstützt. Man will im Inneren einen Vorwand für das Eingreifen von außen schaffen. Die FSLN nimmt das gelassen, ist aber wachsam.

Es ist nur zu hoffen, daß das von der FSLN angeführte Bündnis Unida Nicaragua triunfa die Wahlen gewinnt, denn die Alternative wäre ein neues "neoliberales Zeitalter" für das nicaraguanische Volk.

Wolfgang Herrmann ist Vorsitzender des Nueva Nicaragua e.V.

 

Mehr von Wolfgang Herrmann in den »Mitteilungen«:

2008-08: Die »Sandinistische Erneuerung« und ihre Freunde

2007-12: Roter Oktober in der UNO

2007-06: Der Anfang ist gemacht