Zum 30. Todestag Konrad Wolfs
Prof. Dr. Moritz Mebel, Berlin
Bereits in seiner Kindheit war es Konis Traum‚ Filmregisseur zu werden. Zehnjährig erhielt er in dem von Gustav von Wangenheim in Moskau gedrehten antifaschistischen Film Kämpfer eine Rolle. Doch bis sein Traum in Erfüllung gehen sollte, war es noch ein ereignisreicher Lebensweg. Konrad Wolf, der Sohn des Arztes und antifaschistischen Schriftstellers Friedrich Wolf, wurde am 20. August 1925 in Hechingen/Höllsteig am Bodensee geboren. 1933 emigrierte die Familie nach Frankreich und von dort nach Moskau. Hier besuchte Koni ab 1934 die deutsche Karl-Liebknecht-Schule, eine Stätte des Antifaschismus und proletarischen Internationalismus. Als die deutschen Faschisten am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfielen, wollte er unbedingt in den Reihen der Roten Armee gegen die Eindringlinge kämpfen, aber er war noch zu jung. Am 27. Dezember 1942 erging der Befehl des Kriegskommissariats von Moskau: Der Jahrgang 1925 wird zur Roten Armee einberufen. Koni kämpfte in Einheiten der Roten Armee als Soldat und später als Leutnant an der Westfront. Über Bernau, wo er im April 1945 für kurze Zeit als Stadtkommandant eingesetzt war, Sachsenhausen, Spandau und Brandenburg gelangte er kämpfend bis zur Stadt Premnitz. Hier war auch für ihn, den Neunzehnjährigen, am 9. Mai der 2. Weltkrieg in Europa zu Ende. Koni wurde in der Sowjetischen Militäradministration im Land Sachsen-Anhalt eingesetzt. Der Stab befand sich in Halle. Er war für die darstellende Kunst im Land zuständig. Das beinhaltete, der neu aufgebauten antifaschistischen deutschen Selbstverwaltung zu helfen, die Folgen der faschistischen Vergangenheit in den Köpfen der Bevölkerung zu überwinden.
Ich, Gardeoberleutnant Moritz Mebel, versah zur gleichen Zeit im Regierungsbezirk Halle-Merseburg als Zensor meinen Dienst. Mit Koni war ich aus Moskauer Zeiten bekannt. Zu engen Freunden wurden wir in Halle. Nach wie vor wollte er studieren. Endlich wurde seinem Antrag stattgegeben. Von 1949 bis 1954 studierte er am Moskauer Institut für Kinomatographie. Nach erfolgreichem Abschluss kam Koni in die DDR und arbeitete bei der DEFA als Regisseur. Seine Kriegserlebnisse beschrieb er 1968 in dem beeindruckenden Film Ich war neunzehn. Eine ganze Reihe anspruchsvoller sowie auch kritischer Gegenwartsfilme haben wir ihm zu verdanken. Einige seien genannt: Einmal ist keinmal (1955); Professor Mamlock; Sonnensucher (1958), im Zentrum des Films steht die Förderung von Uran in der WISMUT, einer DDR-sowjetischen Aktiengesellschaft. Spitzenfunktionäre der SED sowie aus der Sowjetunion äußerten ihre Bedenken. Der Film wurde verboten. 1959 Uraufführung des Films Sterne. In ihm wird die Liebe eines deutschen Unteroffiziers zu einer vor der Deportation stehenden Jüdin geschildert. 1964 erschien Der geteilte Himmel; 1970 das Goya-Epos und 1979 Solo Sunny. Zuletzt arbeitete Koni als künstlerischer Leiter an einem 6-teiligen Dokumentarfilm-Projekt Busch singt. Anhand der Biographie des kommunistischen Schauspielers und Sängers Ernst Busch sollte ein Querschnitt durch die politische und künstlerische Entwicklung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland gegeben werden. Mit Ernst Busch gemeinsam haben wir, der Sängerchor der Karl-Liebknecht-Schule, zu Beginn der Kämpfe in Spanien 1936, im überfüllten Säulensaal des Gewerkschaftshauses von Moskau das Lied von der Einheitsfront, Die Moorsoldaten und andere Kampflieder gesungen. Der 6. Teil des Filmprojekts musste ohne Konis Mitwirken vollendet werden.
Im September 1982 erkrankte Koni schwer und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Während der letzten Wochen seines Lebens – er starb am 7. Oktober 1982 – hat er stets eine schmale schwarze lederne Kollegtasche in seiner Nähe greifbar. In ihr bewahrte er das für ihn Wichtigste auf: Dokumente und Notizen zur Troika, einem Filmprojekt. Es geht um die Geschichte dreier Jungen, die in der Karl-Liebknecht-Schule in Moskau Freunde werden. Einen Spielfilm hatte Koni im Auge. Die Idee der Troika bestimmte die Gespräche mit seinem Bruder Mischa im Krankenhaus. Koni hat Mischa mit der schwarzen Mappe allein gelassen. Konis Urne wurde am 12. März 1982 mit einem Staatsbegräbnis in der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt. Von 1965 bis zu seinem Tode war Konrad Wolf Präsident der Akademie der Künste der DDR. Für sein künstlerisches Schaffen wurde er national sowie international hoch geehrt. Mischa Wolf vollendete das Werk seines Bruders, als Geschichte eines nicht gedrehten Films. "Mir bleibt nun der Versuch, den Inhalt der schwarzen Mappe, die Geschichte der Troika, als Dokument unserer Zeit festzuhalten", schreibt Markus Wolf in der 1. Auflage von Die Troika 1989. Am 3. März desselben Jahres hat uns Mischa sein Buch mit einer Widmung überreicht: "Für Sonja und Moritz zur Erinnerung an Koni, unsere gemeinsamen Jahre in Moskau mit ihren Spuren und unsere über bewegte Zeiten erhaltene Freundschaft. Diese bleibt und bedeutet mir viel. Herzlich Mischa"
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