Zum 160. Geburtstag Clara Zetkins am 5. Juli 2017 [1]
Prof. Dr. Heinz Karl, Berlin
Mit Clara Zetkin schloss sich eine der bekanntesten und angesehensten Persönlichkeiten der deutschen Sozialdemokratie und der II. Internationale der kommunistischen Bewegung an. Eine Persönlichkeit, von der Friedrich Engels begeistert war und von der Franz Mehring sagte, dass »in der Kenntnis der marxistischen Theorie wenige Lebende sich mit ihr messen können und sicherlich keiner ihr darin überlegen ist« [2]. Entsprechende Positionen nahm sie in der KPD und der Komintern ein. Sofort nach ihrem spektakulären Übertritt von der USPD zur KPD (auf dem USPD-Parteitag im März 1919) wurde sie in die Zentrale der KPD kooptiert, der sie bis Februar 1921, von August 1921 bis Februar 1924 und von März 1927 bis Juni 1929 angehörte. Vom III. Weltkongress der Kommunistischen Internationale 1921 (dem ersten, an dem sie teilnehmen konnte) bis zu ihrem Tode war sie Mitglied ihres Exekutivkomitees (EKKI), seit Bildung dessen Präsidiums auch dieses Führungsgremiums. In all diesen Jahren war ihr Gesundheitszustand immer labil bis schlecht, und mehrmals war sie dem Tode nah.
Ihr Wirken in KPD und Komintern ist nicht voneinander zu trennen. In beiden Organisationen bezog sie offen, konsequent und auf hohem Niveau Stellung zu den zentralen politischen Problemen, insbesondere dann, wenn diese strittig waren. Auf mehreren Komintern-Kongressen und KPD-Parteitagen war sie Referentin zu besonders wichtigen Themen. [3] Eine bedeutende Rolle spielte ihre Tätigkeit im Reichstag, dem sie von 1920 bis zu ihrem Tode ununterbrochen angehörte, in dem sie 1920 die erste kommunistische Rede hielt und den sie 1932 als Alterspräsidentin mit einem antifaschistischen Appell eröffnete.
Von Anfang an wirkte sie leidenschaftlich darauf hin, dass die KPD sich als Massenpartei verstand und als solche effektiv wirkte, bekämpfte sie mit aller Energie Sektierertum und pseudolinken Verbalradikalismus. Freimütig bekannte sie im Januar 1921 in einem Brief an Lenin: »... lieber Freund, die Revolutionsschufte sind nicht so gefährlich wie die Revolutionsesel. Ich will gern bis zum äußersten die Revolutionsschufte bekämpfen, mit den Revolutionseseln zu sympathisieren übersteigt meine Kraft.« [4] Von der Begründung der Einheitsfrontpolitik an war sie deren vehemente Verfechterin.
Bedingungen für möglichen Eintritt in eine Arbeiterregierung
Entschieden positionierte sie sich zu deren kompliziertestem Aspekt: einer möglichen Regierungsbeteiligung der KPD, einer Koalition mit der SPD – sogenannter Arbeiterregierungen – zunächst im Rahmen einzelner deutscher Länder. Sie wich auch nicht dem Dilemma aus, vor dem die Kommunisten in dieser Frage zwangsläufig standen: »Verwerfen wir die Arbeiterregierung, so werden bürgerliche und reformistische Quacksalber den Arbeitern die Lüge vorschwatzen, es sei uns nicht ernst mit all den Forderungen, die wir zur Linderung der brennendsten Tagesnöte der Ausgebeuteten und Bedrückten erheben, denn wir verzichteten darauf, die Macht zu schaffen, die sie durchzusetzen imstande wäre.« [5] (Ein offenbar zeitloses Argument – noch heute, nach 95 Jahren, taufrisch!) Andererseits – nicht minder aktuell – erblickt sie die Gefahr, »das Zustandekommen einer Arbeiterregierung mit der Preisgabe wesentlicher Parteipostulate und unerläßlicher Bedingungen einer starken, klassenbewußten proletarischen Politik zu erkaufen, um der ›Rettung‹ einer Arbeiterregierung willen mit ihrem Namen und Ruf eine Politik der Feigheit und des Verrats zu decken.« [6]
Deshalb steht für Clara Zetkin in unlöslicher Verbindung mit der allgemeinen, prinzipiellen Bejahung einer eventuellen Regierungsbeteiligung die Frage, unter welchen Umständen und zu welchen Bedingungen ein solcher Schritt möglich und zweckmäßig ist. Bereits in ihrer ersten Stellungnahme vom November 1921 betont sie das ihres Erachtens Wichtigste: Eintritt in eine derartige Regierung »unter der Bedingung, daß breite Massen hinter uns stehen und uns ermöglichen, nicht etwa eine rein kommunistische Politik zu treiben ... – aber eine rein proletarische gegenüber der Bourgeoisiepolitik.« [7] Die Durchsetzung der elementaren wirtschaftlichen und politischen Tagesinteressen der werktätigen Massen gegen die Politik der Großbourgeoisie waren für Clara Zetkin unverzichtbare Forderungen im Falle einer Regierungsbeteiligung, die ohne deren Sicherstellung jeden Sinn verlieren würde. In ihrem Grundsatzartikel über die Arbeiterregierung nennt sie zusammenfassend als die allgemeinen Bedingungen des Eintritts in eine Regierung: das unverwechselbare eigene politische Profil (»Reinheit der kommunistischen Physiognomie«), die Selbständigkeit der kommunistischen Politik, eine feste Verbindung mit den Massen, »die Ausrichtung auf Vertiefung und Beschleunigung des Selbstverständigungsprozesses der Arbeiterklasse« [8].
Anmerkungen:
[1] Aus dem Vortrag »Clara Zetkin in der KPD und der Kommunistischen Internationale« im Rahmen der Konferenz der Marx-Engels-Stiftung Wuppertal »Clara Zetkin – ein widerständiges Leben«, Stuttgart, 14. Mai 2017. Der Vortrag wird in der im Juli d.J. erscheinenden Nr. 3/2017 der GeschichtsKorrespondenz (www.die-linke.de/geschichtskorrespondenz) enthalten sein. – Vgl. auch: Heinz Karl: Vorkämpferin für Sozialismus, Frieden und Menschenwürde. In: Mitteilungen der KPF, Heft 7/2007, S. 28 ff.
[2] F. Mehring: Gesammelte Schriften, Bd. 4, Berlin 1963, S. 506.
[3] So referierte sie auf dem Erweiterten EKKI-Plenum im März 1922 über den Kampf der kommunistischen Parteien gegen Kriegsgefahr und Krieg; auf dem IV. Weltkongress der KI im November 1922 über »Fünf Jahre russische Revolution und die Perspektiven der Weltrevolution«; auf dem Erweiterten EKKI-Plenum im Juni 1923 über den Kampf gegen den Faschismus; auf dem V. Weltkongress der KI im Juli 1924 über die Intellektuellenfrage.
[4] Briefe Deutscher an Lenin, 1917-1923, Berlin 1990, S. 216.
[5] C. Zetkin: Die Arbeiterregierung. In: dies., Zur Theorie und Taktik der kommunistischen Bewegung, Leipzig 1974, S. 155.
[6] Ebenda.
[7] Bundesarchiv, SAPMO, RY 1/I 1/8/1, Bl. 73/74.
[8] C. Zetkin: Die Arbeiterregierung, S. 161.
Mehr von Heinz Karl in den »Mitteilungen«:
2017-06: Antifaschistische Aktion 1932 und heute
2017-04: Vor 100 Jahren: Gründung der USPD