Zu Tendenzen des Berliner Landesparteitages
Ellen Brombacher, Berlin
Am 20./21. Oktober 2012 fand die 1. Tagung des 4. Landesparteitages der Berliner LINKEN statt. Im Mittelpunkt stand die Vorbereitung der Bundestagswahlen 2013. Bernd Riexinger sprach in bewegenden Worten über seinen Griechenlandbesuch und ging davon aus, dass die Kanzlerkandidatur von Peer Steinbrück unserer Partei einen Stimmenzuwachs bringen kann. Gregor Gysi sprach von wieder wachsender Akzeptanz der LINKEN. Er verwies darauf, dass wir auf bevorstehende geschichtliche Daten vorbereitet sein müssen, so auf den 30. Januar 2013 und den 60. Jahrestag des 17. Juni 1953.
Klaus Lederer, der mit 66 Prozent der Stimmen als Landesvorsitzender wieder gewählt wurde, betonte die Notwendigkeit konsequenter Oppositionsarbeit als wichtigsten Beitrag im bevorstehenden Bundestagswahlkampf. Als Gäste nahmen sowohl die DGB-Vorsitzende von Berlin-Brandenburg Doro Zinke als auch der Betriebsratschef der Charité Carsten Becker das Wort. Angenommen wurde ein Antrag: "Solidarität mit den Charité-Beschäftigten im Kampf für gute Arbeits- und Lebensbedingungen". Besonders herzlich wurden die Besetzer der Stillen Straße begrüßt, die ihrerseits Dank für die von der LINKEN erwiesenen Solidarität aussprachen. Eine seit der Berliner Basiskonferenz verstärkte Hinwendung zu außerparlamentarischen Strukturen fand auf dem Parteitag ihre Fortsetzung und widerspiegelt sich auch im Parteitagsbeschluss "Gerecht und demokratisch - die Berliner LINKE streitet für das soziale Berlin", der nach einer Diskussion, an der sich 39 Genossinnen und Genossen beteiligten, mit acht Gegenstimmen und 15 Enthaltungen angenommen wurde. Die fünf von der KPF eingereichten Änderungsanträge zum Leitantrag wurden in drei Fällen komplett und in zwei Fällen modifiziert übernommen. Auch die weiteren Beschlüsse stellen in der Sache eine Hinwendung zu außerparlamentarischen Bewegungen dar. So zum Beispiel: "Personalabbau in den Bezirken beenden!", "BWB: Rekommunalisierung statt Rückkauf! Gute Leistung, gute Preise, gute Arbeit" oder auch der Dringlichkeitsantrag "Schutz und Aufnahme für Flüchtlinge statt Rassismus und Ausgrenzung". Jetzt kommt es darauf an, diese und andere Parteitagsbeschlüsse beim Wort zu nehmen.
Auf dem Parteitag wurde ein neuer Landesvorstand in Stärke von zwanzig Genossinnen und Genossen gewählt, darunter drei stellvertretende Vorsitzende sowie die Landesgeschäftsführerin Katina Schubert und die Landesschatzmeisterin Sylvia Müller. Des Weiteren wurden die Landesschiedskommission und die Landesrevisionskommission gewählt.
In der Generaldebatte begründeten wir den unten dokumentierten Dringlichkeitsantrag "Hitlers Machwerk 'Mein Kampf' gehört an keine Schule". DIE LINKE müsse sich gegen den geplanten Tabubruch wenden, den ein Berliner Schuldirektor vorschlägt. Er wolle "Mein Kampf" im Unterricht benutzen. Die SPD-Bildungssenatorin hingegen meine: "Das Machwerk darf nicht als Ganzes auf dem Tisch der Schüler landen, sondern höchstens in ausgewählten Textauszügen mit kritischer Kommentierung." Der Landesparteitag wurde gebeten, die Position der Bildungssenatorin zu unterstützen und mit ihr jene Berliner Schuldirektoren, die die Auffassung vertreten, das Original des Hitlermachwerks im Unterricht zu benutzen, würde dem "Buch" eine besondere Bedeutung verleihen und so Fanatiker unterstützen. Abschließend wurde hervorgehoben, dass in Hitlers "Mein Kampf" die intellektuelle Ebene nicht angesprochen wird, sondern ausschließlich das Halb- und das Unterbewusstsein. Niederste Instinkte würden so geweckt und gestärkt, wogegen argumentativ nur schwer etwas zu machen sei. Nicht die Beschäftigung mit Hitlers Machwerk, sondern das Heranführen zum Beispiel an antifaschistische Literatur und Filme könnte unter Jugendlichen ein Anti-Nazi-Bewusstsein erzeugen.
Der Vorschlag der Redaktionskommission, den Antrag nicht auf dem Parteitag abzustimmen, sondern an den Landessausschuss zu überweisen, wurde mit 48 Fürstimmen, 67 Gegenstimmen und 11 Enthaltungen abgelehnt. Nach der sodann erfolgenden Begründung des Dringlichkeitsantrages durch die Einreicherinnen und Einreicher sprach Klaus Lederer für den Antrag, der dann mit großer Mehrheit angenommen wurde.
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