Ziehen wir also die Lehren aus der Geschichte
Prof. Dr. habil. Herbert Meißner, Oranienburg
Ansprache an der Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals am 11. Februar 2018
Liebe Genossen und Freunde! Wir stehen hier auf historischem Boden. Am 27. Februar 1933 fand hier im Hinterzimmer einer Gaststätte die letzte Sitzung des ZK der KPD unter Leitung von Ernst Thälmann statt. Sechs Tage später, am 3. März, wurde Thälmann verhaftet.
Der Machtantritt des Faschismus mit seiner rücksichtslosen und brutalen Unterdrückung aller fortschrittlichen und humanistischen Kräfte führte zu völlig neuen Kampfbedingungen. Die vorherige Kennzeichnung aller Sozialdemokraten als Sozialfaschisten sowie die Taktik, die sozialdemokratische Mitgliedschaft gegen ihre Führung zu aktivieren, mussten überwunden werden. ln Ziegenhals leitete Ernst Thälmann die Ausarbeitung einer neuen Strategie der einheitlichen Volksfront aller antifaschistischen Kräfte ein.
Eine Zeit lang sträubte sich die Sozialdemokratie noch gegen solche Einigung aller Kräfte. Aber der faschistische Herrschaftswahn machte auch vor international namhaften sozialdemokratischen Führungspersönlichkeiten nicht halt. So wurde Rudolf Hilferding von der Gestapo getötet und Rudolf Breitscheid starb im KZ Buchenwald.
ln zunehmendem Maße beteiligten sich nun auch Sozialdemokraten an der antifaschistischen Volksfront gemeinsam mit Kommunisten, Christen, Humanisten und anderen fortschrittlichen Kräften.
Dennoch – die Kraft der antifaschistischen Widerstandsbewegung reichte nicht aus, um den Faschismus und seinen verbrecherischen Krieg zu verhindern. Es bedurfte erst der Roten Armee und ihrer Verbündeten, um Deutschland und Europa zu befreien.
Dies – einschließlich der 27 Mio. sowjetischer Kriegsopfer – darf nicht vergessen werden, wenn heute die Politik der Russischen Föderation vom internationalen politischen und journalistischen Mainstream verunglimpft wird.
Übrigens: der in Ziegenhals begründete und ausgelöste gemeinsame antifaschistische Kampf mit allen seinen Leiden und Niederlagen gehört auch zu den Grundlagen für die Schaffung der späteren Einheit der beiden Arbeiterparteien in der DDR. Diese Vereinigung war gewissermaßen auch eine Lehre aus der in Ziegenhals entworfenen Strategie.
Heute stehen wir wieder vor der Aufgabe, einer rechtsradikalen, rassistischen und neofaschistischen Entwicklungstendenz Paroli zu bieten. Und wieder besteht die Notwendigkeit, alle demokratischen, friedenspolitischen, humanistischen, und linken Kräfte im Kampf gegen diesen Rechtsdrall zu vereinen, zumal diese Entwicklung nicht auf die BRD beschränkt ist. Von »unseren« Staatsorganen ist kein ernsthafter Widerstand zu erwarten, sind doch in Justiz, Polizei und Militär hinreichend rechtsorientierte Positionen enthalten.
Ausführlichen Aufschluss über diesen ganzen Komplex gibt der kürzlich von Anton Latzo herausgegebene Sammelband »Wehret den Anfängen«, in welchem Entstehung, Hintergründe, Entwicklung und Repräsentanten der AfD sachkundig analysiert werden.
Lasst uns also alle demokratischen und humanistischen Kräfte zusammenführen und den Rechtstrend stoppen. Vergessen wir dabei nicht, dass – wie schon beim Faschismus – hinter den Rechtstendenzen und dem dazugehörigen Rassismus großkapitalistische Interessen stehen. Und so verbindet sich unsere Auseinandersetzung mit Rechts zugleich mit dem Kampf gegen ein System, in welchem sich diese Tendenz so entfalten kann.
Ziehen wir also die Lehren aus der Geschichte – einer Geschichte, in der Ziegenhals und Ernst Thälmann einen festen Platz haben!
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