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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Wir dürfen Venezuela nicht allein lassen!

Carsten Schulz, Berlin

 

Liebe Berlinerinnen und Berliner, liebe Gäste der Stadt, verehrte Anwesende, wir protestie­ren nach unserer Kundgebung vor dem ARD-Studio auch hier vor dem Hauptstadtstudio des ZDF gegen die Berichterstattung der beiden öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zu den Ereignissen in Venezuela!

Die zentrale Aufgabe des von uns allen finanzierten öffentlichen Senders ZDF besteht darin, uns Zuschauern eine freie Meinungs- und Urteilsbildung zu ermöglichen. Dazu muss laut Auftrag des Senders »die Vielfalt der in der Gesellschaft bestehenden Mei­nungen im Gesamtprogramm überparteilich, möglichst breit und vollständig dargestellt werden. Die Berichterstattung muss wahrheitsgetreu und in Nachrichtenformaten sachlich sein. Die Programme des ZDF sollen den publizistischen, ethisch-moralischen und gesellschaftlichen Standards und rechtlichen Vorgaben der Sachlichkeit, Objektivität, Ausgewogenheit, Unabhängigkeit und Fairness verpflichtet sein.«

Soviel zum deklarierten Selbstverständnis in den eigenen Programmgrundsätzen des ZDF! Doch wie sieht die Realität aus? ZDF und ARD haben in den vergangenen Wochen in dem Konflikt in Venezuela Partei ergriffen und einseitig Stimmung gegen die dortige rechtmäßige linke Regierung von Nicolás Maduro  gemacht.

Externer und interner Wirtschaftskrieg soll das Land destabilisieren

Sie haben die Behauptung der US Regierung und des deutschen Außenministers Maas von der SPD unhinterfragt übernommen, dass die Maduro-Regierung trotz wirtschaftlicher Not keine Hilfslieferungen ins Land lasse und eine humanitäre Krise zu verantworten habe.

Hilfslieferungen erreichen jedoch Venezuela auf vielen Wegen, unter anderem geliefert aus Russland und China und vom Internationalen Roten Kreuz. In diesem Zusammenhang hatte das Internationale Komitee des Roten Kreuzes deutlich gemacht, dass es sich bei der inszenierten gewaltsamen Aktion am 23. Februar an der Simon-Bolivar-Grenzbrücke zu Kolumbien – das ZDF war an vorderster Front dabei – nicht um eine versuchte humanitäre Hilfe, sondern um eine politische Aktion handelte.

Sowohl das Rote Kreuz als auch die Vereinten Nationen verweigerten eine Beteiligung an dieser Aktion. Militante Anhänger Guaidós wollten ohne Grenzkontrollen als Hilfslieferungen deklarierte Container über die Grenze bringen, was die Behörden Venezuelas natürlich unterbanden.

Zu dieser Stellungnahme des Roten Kreuzes gab es  in  der damaligen Berichterstattung des ZDF kein Wort! ZDF und ARD verschweigen, dass eine wesentliche Ursache für die Krise die Blockade von Milliarden von US-Dollar auf Venezolanischen Auslandskonten ist und auch britische Fi­nanzdienstleister Milliarden US-Dollar blockieren, Geld, das zum Kauf von Ersatzteilen, Lebensmitteln und Medikamenten dringend benötigt wird.

Das Land soll nicht nur durch diesen externen, sondern auch durch einen internen Wirtschaftskrieg destabilisiert werden:

Private Handelsketten, wie der Handelskonzern Polar, haben immer wieder durch das Zurückhalten von Waren des täglichen Bedarfs versucht, im Land eine Versorgungskrise auszulösen, die zum Sturz der linken Maduro Regierung führen sollte. Auch dazu schwieg das ZDF und machte ausschließlich Nicolás Maduro für die leeren Regale verantwortlich.

ZDF und ARD verschweigen, dass im April letzten Jahres die UN-Mitarbeiter Alfred de Zayas und Idriss Jazairy nach einem Besuch in Venezuela das Wirtschaftsembargo angeprangert haben, das direkt die Bevölkerung trifft.

»Die Sanktionen töten«, warnte de Zayas bei einer Pressekonferenz der UN in Genf. Sie seien »geopolitische Verbrechen«, die direkt zum Tod von Kindern durch Unterernährung führten. In Venezuela sterben Kinder, weil sie wegen der Sanktionen und der Blockade nicht genü­gend Lebensmittel oder Medikamente bekommen. Venezuela müsse geholfen werden, und dazu müsse man mit der Regierung und mit den internationalen und regiona­len Organi­sationen für Ernährung und Gesundheit zusammenarbeiten, warnte de Zayas.

Kein Wort von ARD und ZDF darüber, dass Alfred de Zayas als Sonderberichterstatter des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen gefordert hat, dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag die Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela als mögliche Verbre­chen gegen die Menschlichkeit untersuchen solle.

Demokratischen und rechtsstaatlichen Werten auf dem Papier verpflichtete öffentliche Medienanstalten schweigen, wenn der Sicherheitsberater der US-Regierung Bolton dem venezolanischen Präsidenten Maduro mit dessen Internierung in das US-Folterlager Guantanamo droht, sollte dieser nicht bald zurücktreten.

Sie schweigen auch, wenn US-Präsident Trump verkündet, im Umgang mit Venezuela hätte man viele Optionen, einschließlich einer militärischen Option.

ZDF manipuliert

In ARD und ZDF wird der Eindruck erweckt, die politische Entwicklung und die sogenannte »humanitäre Krise« in Venezuela seien Auswirkungen einer demokratisch nicht legitimierten Amtsführung des Präsidenten Maduro. In seiner Berichterstattung manipuliert das ZDF die Rahmenbedingungen und die Ergebnis­se der Präsidentschaftswahlen 2018.

Im heute Journal vom 24. Januar 2019 behauptete der Sender wahrheitswidrig, dass Maduro ohne Gegenkandidaten mit 67,7 Prozent der abgegebenen Stimmen siegte.

Die Wahrheit ist, dass neben Nicolás Maduro von der PSUV drei Gegenkandidaten gegen ihn antraten: Henri Falcon von der oppositionellen Partei Copei, der 21,2 Prozent der Stim­men erhielt, der evangelikale Kandidat Javier Bertucci von der oppositionellen Partei El Cambio, der auf 10,89 Prozent der Stimmen kam, und Reinaldo Quijada von der Oppositi­onspartei UPP89, der lediglich 0,4 Prozent erreichte.

Teile der zerstrittenen Opposition hatten die Wahl boykottiert, da sie sich dieser Wahl nicht stellen wollten und lieber auf einen gewaltsamen Sturz der Maduro-Regierung setzten. Maduro gewann so in einer von der UN überwachten Wahl mit einer Zweidrittel-Mehrheit und wurde in seinem Amt betätigt.

Auf Zuschauerproteste reagierte die für den Beitrag verantwortliche Redakteurin mit der lächerlichen Ausrede, dass in der Hektik der Erstellung des Beitrags für das heute Journal  aus ihrer Formulierung »Es gab keine ernstzunehmenden Gegenkandidaten« »Es gab keine Gegenkandidaten« wurde. Die Forderung nach Richtigstellung an entsprechend gleichwertiger Stelle, also in der heute-Sendung vor eben solchen Millionenpublikum, wurde natürlich verweigert.

In den Medien weitgehend unerwähnt bleibt auch das von der Linksfraktion im Deutschen Bundestag in Auftrag gegebene Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das besagt, dass die Anerkennung des selbsternannten, sogenannten Interimspräsidenten Guaidó völkerrechtlich bedenklich – und damit eigentlich grundgesetzwidrig – ist.

Ebenso wird verschwiegen, dass die große Mehrheit der Staaten der UN-Vollversammlung  auch weiterhin ausschließlich die legitime Regierung von Nicolás Maduro anerkennt und der Putschist und Straßenkämpfer Guaidó kein Podium in den wichtigen UN-Gremien erhält, geschweige denn als Präsident Venezuelas anerkannt wird. Neben den engen Verbündeten wie die ALBA-Länder oder Russland haben die Karibik­gemeinschaft Caricon und der Südafrikanische Staatenbund klare Solidarität mit Venezue­la gezeigt.

Das alles interessiert z.B. Marietta Slomka – wegen scheinbar kritischer Fragen an Politiker hochgelobte Moderatorin des heute Journals – nicht, wenn sie einen großen Teil ihrer Sendung vom 16. Mai ohne kritische Nachfragen dem Selbstdarsteller Guaidó überlässt. Wenn man sich die aktuelle Berichterstattung zu Venezuela anschaut, werden erschreckende Parallelen zu den medialen Vorbereitungen früherer Interventionen gegen den Irak, Libyen und Syrien deutlich. Die jeweiligen Länder werden isoliert, politische und kulturelle Kontakte tabuisiert, die Wirtschaft durch Embargos ruiniert, bevor gegen diese ge­schwächten Länder dann Krieg geführt wird.

Das dürfen wir auf keinen Fall zulassen! Wir müssen Solidarität zeigen und den vielen Menschen beistehen, die im Rahmen der ALBA-Länder um ihren eigenständigen, solidarischen Weg in Lateinamerika kämpfen! Protestiert beim Chefredakteur Peter Frey oder beim Intendanten Thomas Bellut und mit E-Mails oder Briefen an die sich kommunikativ gebende Journalistin des MOMA, Dunja Hayali, gegen die Stimmungsmache gegen ein Land und viele seiner Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen  wollen!

Hoch die Internationale Solidarität! Das ist hier heute erst der Anfang! Wir dürfen Venezuela nicht allein lassen! No pasaran!

Rede von Carsten Schulz vor dem ZDF-Hauptstadtstudio bei der Demonstration »Hände weg von Venezuela« am 15. Juni 2019

 

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