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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Wer jagt Wulff?

Jürgen Herold, Berlin

 

Auf seiner Facebook-Seite hat Hape Kerkeling zu den Diskussionen um den Bundespräsidenten Stellung bezogen und meinte u.a.:

"Der angebliche Skandal um unseren Präsidenten ist viel mehr ein Skandal unserer maroden und degenerierten Mediengesellschaft.?? Und dieser hochgejubelte und herbeigeredete Skandal kann unsere Demokratie nichts weniger als den Kopf kosten! ?? Mal ehrlich, nimmt irgendwer der BILD- Zeitung ernsthaft ab sie sei an Wahrheit, Anstand und ehrlicher oder gar lupenreiner Aufklärung interessiert? ??Seit wann, bitte?? Der Bild geht es nur um so viel Auflage und Skandal wie eben möglich. Ausgerechnet die Bild mutiert nun zum obersten Moralhüter und zum reinen Gewissen der Nation!?!? ?? Armes, ganz armes Deutschland! Die Frage, die sich hier stellt, lautet nicht: Wulff oder ein Neuer? Sondern vielmehr: ??Wulff oder BILD? Wie soll Deutschland in Zukunft aussehen??? Ich bin eindeutig für Wulff!!! Was hat dieser arme Präsident eigentlich verbrochen? Er hat sich Geld geliehen, nicht etwa geklaut, veruntreut oder unterschlagen. Nein, geliehen! Um sich ein Haus zu kaufen, keine Jacht oder einen Jet. Ein normales – nach meinem Geschmack – eher langweiliges Haus in Hannover!?? Zu einem günstigen Zinssatz, ja so ein übler Kerl!?? Dann hat er ein Upgrade einer Fluggesellschaft für einen Urlaubsflug akzeptiert? Wie maßlos kann einer sein! ??Er soll gefälligst Holzklasse fliegen und seine Thrombose-Strümpfe anziehen! Was glaubt er wer ist, der Herr Wulff, ... der Kaiser von China oder gar der 1. Mann in unserem Staate? ??Und dann brüllt er auch noch einen großartigen, verdienten und gradlinigen Journalisten wie den Kai von der BILD am Telefon an und will ihm verbieten kritisch und aufrichtig zu berichten! Hallo????? Geht es noch??? Das kann unser Präsident gar nicht verbieten und das weiß er auch, denn er ist nämlich schon volljährig, auch wenn die Medien uns glauben machen wollen, er sei es nicht ... aber der Kai weiß das anscheinend nicht und heult sich bei seinen eigenen Redakteuren aus und berichtet tapfer gegen den Bundesdiktator Wulff an!!!?? Aber darf ein Präsident in diesem Land sauer sein auf boulevardesken Enthüllungsjournalismus und unappetitliche Schnüffelei in seinem Privatleben? Darf er das oder nicht? Darf er Mensch bleiben angesichts einer unmenschlichen und gnadenlosen Presse? ??Gut, seine Urlaubsreisen mit oder bei Herrn Maschmeyer hätte er sich sparen können. Da hätte er auch gleich mit oder beim Chefredakteur der BILD Urlaub machen können.?? Zugegeben, der Bundespräsident hat Fehler gemacht, aber hat er sich strafbar gemacht oder unmenschlich gehandelt? Er hat seine Fehler eingeräumt und sich dafür öffentlich entschuldigt. So und nun? Kohl hat einen Demonstranten vor der Weltöffentlichkeit zusammengeschlagen, Schröder hat sich im Fernsehen hackevoll und live um Kopf und Kanzlerschaft geredet, Kiesinger war in der NSDAP. ..."

Hier verweist Hape Kerkeling auf ein Problem, welches für die "alte" BRD nicht ungewöhnlich war: Kaum ein Bundespräsident ohne braune Vergangenheit. Theodor Heuss gab seine Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz Hitlers, Lübke war als KZ-Baumeister tätig, Walter Scheel war NSDAP-Mitglied und Karl Carstens SA- und NSDAP-Mitglied. Mit diesen Präsidenten hatte man in der Alt-BRD keine Probleme.

Übrigens hat der ehemalige Ministerpräsident Thüringens, Bernhard Vogel, in der ARD bei Günther Jauch am 8. Januar 2012 zum Thema Wulff sinngemäß ausgeführt, dass die BRD bisher ehrenwerte und gute Präsidenten gehabt habe. Dies beträfe auch Lübke, der von der Stasi gejagt wurde.

Zu Lübke finden sich im Braunbuch ["Braunbuch, Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und in Berlin (West)", am 2. Juli 1965 von Albert Norden der Weltpresse präsentiert, Reprint der Ausgabe 1968 (dritte Auflage) herausgegeben von Dr. Norbert Podewin in edition ost, Berlin 2002 – Auszug S. 40f, die dort genannten Tafeln verweisen auf den Dokumententeil des Bandes.] die Belege über dessen faschistische Vergangenheit.

Und zum Schluss: Wenn man sich also anschaut, was von den Medien skandalisiert wird, fragt man sich unwillkürlich: Wer jagt Wulff?

Lübke, Heinrich, KZ-Bauführer, heute: Präsident der Bundesrepublik.

Jahrelang konnte sich Dr. Heinrich Lübke der westdeutschen Bevölkerung als Verfolgter des Naziregimes präsentieren, bis im Jahre 1965 von der DDR an Hand von Originaldokumenten der ehemaligen Gestapo-Leitstelle Stettin vor der internationalen Presse nachgewiesen werden konnte: Heinrich Lübke war zumindest seit 1940 Vertrauensmann der Gestapo. Als Stellvertreter des Leiters der "Baugruppe Schlempp" – zu Kriegsbeginn ein Rüstungsbaustab des "Generalbauinspekteurs für die Reichshauptstadt", später des NS-Rüstungsministers Speer innerhalb des sogenannten Jägerstabes – war Lübke an der Errichtung eines "Sonderlagers der Geheimen Staatspolizei Peenemünde" beteiligt. Er drohte, arbeitsunwillige Belegschaftsmitglieder dorthin einzuweisen. Die Gestapo-Leitstelle notierte dazu, "dass in der weiteren Bearbeitung des Vorganges besonders … auf Lübke zurückgegriffen werden kann". (Siehe Tafel 10)

1934 wurde Lübke auf Grund eines faschistischen Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit erstmals Nutznießer des Hitlerregimes. Eine Strafkammer beim Landgericht Berlin beschloß, ein Strafverfahren gegen Lübke und Komplicen wegen "Veruntreuung, Urkundenbeseitigung und anderen groben Unredlichkeiten" einzustellen. Dabei wurde jedoch ausdrücklich betont, dass "das Verfahren weder ihre Unschuld ergeben noch dargetan hat, dass gegen sie ein begründeter Verdacht nicht vorliegt." (Siehe Tafel 11, Mecklenburgisches Landeshauptarchiv, Bestand: Mecklenburgisches Staatsministerium, Siedlungsgesellschaft Bauernland AG, S. 47)

Seit dieser Zeit gehört Lübke zu denen, die den Faschismus bis zur bedingungslosen Kapitulation ebenso bedingungslos unterstützten.

Als Organisator geheimster und kriegswichtigster Rüstungsvorhaben der faschistischen Führung war Lübke maßgeblich am massenweisen Einsatz von KZ-Häftlingen beteiligt. Er arbeitete als stellvertretender Leiter der "Baugruppe Schlempp" beim Aufbau der Produktionsstätten der berüchtigten V-Waffen. Im Raum von Peenemünde leitete er 40 Baustellen persönlich!

1944 wurde Lübke der Aufbau der Außenlager Leau und Neu-Staßfurth des Konzentrationslagers Buchenwald, eine besonders wichtige und äußerst geheime Aufgabe, übertragen. Um den verheerenden Verlusten der faschistischen Luftwaffe zu begegnen, war im Frühjahr 1944 ein sogenannter Jägerstab gebildet worden. Der "Jägerstab" erhielt von Kriegsverbrecher Speer die Aufgabe, die Rüstungsbetriebe der Flugzeugindustrie aus den bombengeschädigten oder gefährdeten Betrieben in unterirdische Produktionsstätten zu verlagern und die Produktion mit allen Mitteln auf Hochtouren zu bringen. Ihm wurde auch die "Baugruppe Schlempp" mit ihrem stellvertretenden Leiter Lübke zugeteilt.

Hierzu forderte Lübke als oberster Bauführer dieser Baugruppe 2000 KZ-Häftlinge aus dem KZ Buchenwald an, die in Peißen bei Bernburg schwerste Betonierungs- und Transportarbeiten unter Tage in zwei Schichten zu je 12 Stunden ausführen mussten. Die ersten Häftlinge wurden Ende August 1944 in Zelten untergebracht. Die katastrophalen Verhältnisse begünstigten eine Ruhrepidemie. Viele Häftlinge starben. Für die weiteren Häftlinge wurde ein Konzentrationslager in 400 Meter Tiefe angelegt. Hier siechten 500 Menschen unter grausamen Bedingungen dahin. Anlässlich einer Besprechung auf dem Gelände des KZ Leau, Anfang September 1944, die Lübke leitete, wurde mit Genugtuung festgestellt, dass "die Arbeiten nunmehr auf breitester Front sichtbare Fortschritte machen". (Siehe Tafel12, Archiv des VEB Kaliwerk Bernburg, Bestand: Kali-Werk Friedenshall) Die in dem Dokument über diese Besprechung genannte Firma ATG Leipzig gehörte dem Kriegsverbrecher Flick.

Die vorliegenden Dokumente, deren Echtheit von dem amerikanischen Sachverständigen Howard Hearing überprüft wurde, beweisen eindeutig: Lübke plante und leitete den Bau von Konzentrationslagern. Es gehörte zu seinen Aufgaben, das Jägerprogramm durch Sklavenarbeit von KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen und Zwangsverschleppten zu verwirklichen. Lübke war mitverantwortlich für die mörderischen Arbeits- und Lebensbedingungen, denen Hunderte Polen, Franzosen, Italiener, Sowjetbürger und Deutsche zum Opfer fielen. Bisher sind aus Listen des KZ Buchenwald die Namen von 267 ermordeten politischen Häftlingen bekannt, für deren Tod Lübke in hohem Maße verantwortlich ist. (Vgl. Tafel 13)

 

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